Fachbeitrag

Vom Schriftsetzer zum UX Designer zum AI Prompter?

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von Chris Beyeler, Präsident, KImpact - Verband für künstliche Intelligenz -, in Zusammenarbeit mit einer KI

Es weiss niemand, was KI noch bringen wird. Werden wir schon in wenigen Jahren ersetzt? Schaut man genau hin, dann wiederholt sich die Geschichte. Ein Blick zurück offenbart, wie
Zugänglichkeit, Skalierbarkeit und Weiterbildung die nächste Transformation prägen und Chancen für die Zukunft schaffen.

Chris Beyeler ist Präsident von KImpact - dem Verband für künstliche Intelligenz. (Source: zVg)
Chris Beyeler ist Präsident von KImpact - dem Verband für künstliche Intelligenz. (Source: zVg)

Alle stürzen sich auf ChatGPT und Co. Aber wie zufriedenstellend sind die Ergebnisse nun wirklich? Was bringt die Einführung einer KI wie etwa Microsoft Copilot - abgesehen von dreimal höheren Lizenzkosten? Ein Blick in die Zukunft ist immer schwer, doch vielleicht hilft ein Blick in die Vergangenheit.

Schon die alten Griechen hatten Angst vor dem Fortschritt

Künstliche Intelligenz ist nichts Neues. Schon vor über 30 Jahren entwickelte man die Grundlagen der Technologie, die in ChatGPT steckt. Und schon in den 80er-Jahren fuhr mit VaMoRs das erste selbstfahrende Auto auf Basis eines Mercedes durch die Strassen von Bayern. Gebaut von Prof. Dr. Ernst Dieter Dickmanns und seinem Team an der Universität der Bundeswehr München.

Doch das erste selbstfahrende Auto für Zivilisten kam zwei Jahrzehnte später. Und erst heute reden wir ernsthaft darüber. Der Grund: KI ist heute zugänglich. Mit fast jedem Endgerät hat man Zugriff und die Kosten sind überschaubar. Zum Vergleich: Der VaMoRs war dazumal ein Mercedes-Benz-Kastenwagen, weil der Computer so viel Platz brauchte.

Doch neue Technologien schürten schon immer Ängste. Die alten Griechen hatten Bedenken gegenüber Schreibtafeln, weil sie Angst hatten, die Menschen werden dumm. Ebenso war es mit Zügen. Die Schweiz protestierte vor etwas mehr als 100 Jahren aufgrund der Angst vor der hohen Geschwindigkeit: "30 km/h sind zu schnell für das Gehirn", hiess es damals. Heute fahren wir mindestens viermal schneller und lagern unseren kompletten Wissensstand auf dem Gerät in unserer Hosentasche aus. Wenn wir verblödet wären, hätten wir das wohl nicht geschafft. Klar, unsere Grosseltern konnten sich noch mehr merken als wir. Quizfrage: Wer weiss die Telefonnummer seiner Geschwister auswendig? Niemand?! Dafür finden wir sie sehr viel schneller. Heute verarbeiten wir ein vielfaches mehr an Informationen als früher.

ChatGPT ist die Druckpresse von Heute

ChatGPT lässt sich mit der Druckpresse durch Johannes Gutenberg vergleichen. Vor Gutenberg waren Bücher handgeschrieben, teuer und selten. Die Druckpresse ermöglichte die Massenproduktion von Büchern und machte Bildung und Wissen zugänglicher. Ähnlich ermöglicht die generative KI einen umfassenderen Zugang zu Wissen. Wo Suchmaschinen uns noch vor die Auswahl der Resultate gestellt hatten und wir selbst entscheiden mussten, was relevant ist, übernimmt eine generative KI diese Aufgabe. Natürlich sind die Systeme bisher nicht perfekt, aber das waren wir Menschen auch nie. Was fehlt, ist die Personifizierung: Welche Aussagen bei der Recherche wären für mich wichtig und worauf würde ich achten?

Hinzu kommt die rasante Erstellung von Inhalten. Das ist nämlich der verblüffende Aspekt, der bisher nur durch Menschenhand und Hirn erfolgen konnte. Eine künstliche Intelligenz kann im Vergleich zum Buchdruck nämlich etwas Neues erschaffen, das es vorher bislang nicht gab. Das macht Angst.

Dieselben Ängste brachte aber auch schon die Druckpresse mit sich: Jobverlust, Missbrauch und Fehlinformationen.

Nicht jeder Beruf lässt sich retten

Noch vor 100 Jahren stellte die Agrarwirtschaft den grössten Teil der Arbeitsplätze. Heute sind es weniger als 3 Prozent. Genauso wie es heute weniger Hufschmiede aufgrund der Verbreitung von Autos gibt. Schriftsetzer für die Druckpresse haben auch fast ausgedient. Einige haben sich zu Polygrafen und später zu Webdesignern entwickelt. Vielleicht werden einige Webdesigner zu AI Prompt Engineers, doch nicht jeder kann diesen Wandel mitmachen. Denn wer künstliche Intelligenz verstehen will, muss nicht nur sein Fach beherrschen, sondern ein gutes Verständnis für Informatik mitbringen. Im Vergleich zum Anfang des letzten Jahrhunderts erzielt die Agrarwirtschaft heute mehr Absatz und Umsatz mit weniger Arbeitskräften, dank Traktoren, Melkmaschinen und vieler weiterer Technologien.

Das war erst der Anfang!

Gutenberg führte zu einem tiefgreifenden Wandel in vielen Berufen und veränderte die Gesellschaft. Bildung und literarische Kultur wurden demokratisiert, was zur Aufklärung und
modernen wissenschaftlichen Revolutionen beitrug. Hat Sam Altman eine ähnliche Revolution angestossen? Wenn die Computer uns bereits heute so verblüffen, was kommt dann in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren auf uns zu? Denn technologisch stehen wir erst am Anfang.

Schriftsetzer und Webdesigner konnten sich anpassen, doch durch KI werden Jobs wegfallen, die durch Anwender oder IT-Spezialisten ersetzt werden. Der Fachkräftemangel kann durch KI nicht vollständig gelöst werden. Im Gegenteil, er könnte sich noch verschärfen. Das Verlangen nach Prompt Engineers steigt und birgt ein grosses Problem. Es braucht fachliche Fähigkeiten, wie Texten, Fotografieren, Design etc. Ebenso braucht es grundlegende IT-Kenntnisse. Die Bedienung von Large Language Models, auf denen  ChatGPT basiert, oder von Diffusion Models wie Midjourney, ist zu vergleichen mit der Bedienung von Computern mithilfe von MS-DOS. Die Entwicklung der Bedienung geht zwar schneller voran als vor 35 Jahren. Jedoch befinden sich die meisten User Interfaces auf dem Niveau von Windows 95, was auch nicht die einfachste Usability hatte. Solange User Interfaces nicht durch Natural Language Interfaces (Chatsysteme) ersetzt werden, befinden wir uns in der Transitionsphase, die steigende IT-Kenntnisse im Job-Profil erfordert. Dabei sind digitale Jobs am meisten betroffen. Sie sind die ersten, die durch ein automatisiertes KI-System, das Arbeitsschritte autonom absolviert (KI-Agent), ersetzt werden. Zum Glück zeigt die Vergangenheit, dass immer mehr neue Berufsbilder entstehen. 

Was heisst das für Unternehmen?

Unternehmen sollten Vorbehalte und Ängste bei ihren Mitarbeitenden abbauen und Weiterbildungen fördern. In einer zunehmend digitalen Welt schadet es nicht, die Systeme im Kern zu verstehen. Noch heute verwenden IT-Spezialisten das Terminal oder die Eingabeaufforderungen und werden in die Zeit von MS-DOS versetzt. Ein tiefgründiges Verständnis der Logik hinter solchen Systemen hilft - auch bei zunehmend einfacher Bedienung -, um zu besseren Ergebnissen zu kommen.

Was wichtig für die Schweiz wäre

Die Schweiz kann eine zentrale Rolle in der KI-Entwicklung spielen. Grosse Unternehmen wie Google, Meta, IBM, HP und Sony haben hierzulande Niederlassungen mit KI-Abteilungen aufgebaut. Die Schwarz-Gruppe aus Deutschland, die hinter Lidl steht, investiert in die Universität Zürich. Aufgrund der Wirtschaftslage und allen voran der Universitäten können wir uns bereits jetzt als führend in den Bereichen KI und Physik ansehen. Doch trotz der meisten Patente pro Einwohner fehlt der Schweiz ein eigenes Foundation-Modell oder eine signifikante Entwicklung im Bereich der KI. Durch die herausragende technische Infrastruktur, die top ausgebildeten personellen Ressourcen und unsere Lage könnten wir eine wichtige Rolle einnehmen. Hierfür müssen wir eigene Rechenzentren aufbauen, uns weiterbilden und uns im Alltag damit auseinandersetzen, um eine unabhängige Schweiz zu fördern.

Lasst uns von der Vergangenheit lernen

Klar ist, KI ist gekommen, um zu bleiben und wir stehen erneut an einem Wendepunkt. Genau wie die Mergenthaler Linotype Company sich vom Hersteller der Setzmaschine zu einer der grössten Bibliotheken für Fonts wandelte, müssen wir uns anpassen.

Mit der Druckpresse kamen Herausforderungen wie die Verbreitung von Fehlinformationen und die Notwendigkeit, Urheberrechte zu definieren. Ebendiese Probleme gilt es nun, für generative KI zu lösen. Ebenfalls klärungsbedürftig sind Fragen zur Urheberschaft, zur Authentizität von Inhalten und zur ethischen Verwendung von KI-Technologien.

Genauso müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie sich Job-Profile entwickeln, welche Aufgaben KI übernimmt und was wir mit der gewonnenen Zeit erreichen können. Im Rückblick auf die Vergangenheit machten wir jedoch immer denselben Fehler: den Rebound-Effekt. Mit der Einführung des Zugs hat man längere Strecken zurückgelegt, anstatt dieselbe Strecke in kürzerer Zeit zu absolvieren. So hat man versucht, immer effizienter zu werden. Ob das in einer Gesellschaft, in der Stress immer grösser wird, sinnvoll ist, muss jeder für sich entscheiden. Die Automatisierung von langweiliger und lästiger Arbeit durch KI könnte hier Abhilfe schaffen. Es ist entscheidend, dass wir aus der Vergangenheit lernen und entsprechende Massnahmen für unseren Wohlstand ergreifen. Denn Länder, die technologisch fortschrittlich und hoch automatisiert sind, sind die Länder mit dem höchsten Wohlstand und der niedrigsten Arbeitslosigkeit.

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