Editorial

Alfies wird die Redaktion nicht mehr beliefern

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Yannick Züllig, Redaktor. (Source: Netzmedien)
Yannick Züllig, Redaktor. (Source: Netzmedien)

Das Journalistenleben ist stressig. Das Journalistenleben findet aus­serhalb der regulären Arbeitszeit statt. Das Journalistenleben bedarf ab und an eines Snacks. Das weiss auch die Netzmedien-Redaktion, entsprechend decken wir uns stets mit Znünis, Zvieris und allen mög­lichen Zwischenmahlzeiten ein. Bei einer Pressereise ins Ausland gehört es zum guten Ton, lokale Snacks für die daheimgebliebenen Redaktionsmitglieder mitzubringen. Für die tägliche Verpflegung aus der Schweiz kam indes Stash zu Zug. Der Onlinelieferdienst war in Zürich und Luzern aktiv, lieferte per Velokurier, meist innert 15 Minuten für einen Mindestbestellwert von nur 10 Franken und bot auch Kleinstmengen an. Vergangenheitsform.

Ende Mai erhalte ich die Mitteilung: Stash stellt den Betrieb ein und wird vom österreichischen Konkurrenten Alfies übernommen. ­Alfies liefert per Auto. Alfies liefert innert zwei Stunden für einen Mindestbestellwert von 29 Franken und verlangt obendrein einen Mindermengenzuschlag bei einer Bestellung unter 60 Franken. Alfies setzt auf Packungen. Alfies wird die Redaktion nicht mehr beliefern.

Es mag dekadent wirken, den Verlust eines Onlinehändlers zu betrauern, der einzelne Mars-Riegel und Ovodrinks lieferte. Doch hinter dem Untergang von Stash steckt mehr. Stash ist eines von vielen Beispielen für eine – aus User-Sicht – tolle Geschäftsidee, die am Markt versagt hat. Stash war für diejenigen, die abends am Seeufer noch schnell ein Feierabendbier bestellen wollten. Alfies ist hingegen für jene, die samstagnachmittags um 15 Uhr bemerken, dass sie abends noch Gäste zum Grillieren eingeladen und die Coop@Home-Bestellung vergessen haben, aber nicht mehr in den Supermarkt wollen. Es ist, wie wenn die UBS die Credit Suisse übernimmt und danach alle CS-­Filialen in Bezugsstellen für Autoscooter-Jetons verwandelt. Weder funktionell noch technisch passt die Übernahme. Als ich – einen Anflug von Fairness verspürend – den Alfies-Shop testen wollte, musste ich feststellen, dass das Login mit meinem bisherigen Stash-Account nicht mehr möglich ist. Auf das Erstellen eines Alfies-Accounts verzichtete ich. Der Niedergang von Stash zeigt die Tücken des Start-up- und Digital-Commerce-Daseins auf. Das Konzept, kleine Warenmengen in kürzester Zeit zuzustellen, passt gut in das Mindset  «meiner» Generation Z. Und wenn die Snack-Zustellung tatsächlich schneller geht als der Trip in den nächstgelegenen Shop, ergibt sich ein tatsächlicher Mehrwert für die bestellende Person, die über reine Convenience hinausgeht. Doch das Geschäftsmodell war eine ständige Herausforderung.

Schon im Sommer 2023 stand Stash kurz vor dem Aus. Eine neue Finanzierungsrunde rettete das Unternehmen damals. Wie wir jetzt wissen, nicht für lange. Ein Kollege der «Finanz und Wirtschaft» nannte Stashs Vorgehen «bezeichnend für die Kurierbranche, in der noch niemand ein Erfolgsrezept gefunden hat». Dass gerade Alfies dieses Erfolgsrezept findet, ist zu bezweifeln. Der Shop wirbt mit «Preisen wie im Supermarkt», jedoch hat der Supermarkt inzwischen ebenfalls einen Webshop – mit denselben Preisen wie im stationären Geschäft. Das Geschäftsmodell von Quick-Commerce-Anbietern steht also auf wackeligen Beinen und man kann bezweifeln, dass sich heutzutage noch ein neuer Player im hiesigen Markt behaupten kann. Wenn, dann nur mit einem soliden Nutzenversprechen, einem nutzerfreundlichen Webshop und gutem Service – wie es einst bei Stash der Fall war. Doch falls dereinst auch Alfies die Segel streichen muss, fällt mir immerhin der Abschied nicht schwer.

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