Was eine gute Unternehmenskultur ausmacht
Vor fünf Jahren hat das Homeoffice seinen Durchbruch erlebt. Warum nun aber auch Unternehmen aus der IT-Branche ihre Angestellten ins Büro zurückholen, weiss Christoph Negri. Der Leiter des Instituts für angewandte Psychologie der ZHAW erklärt, warum es mit der Weisung nicht getan ist und wie Mitarbeitende ihr Homeoffice behalten können.

Wir sprechen viel von Arbeit 4.0. Was gehört Ihrer Meinung nach alles dazu?
Christoph Negri: Die Arbeitswelt 4.0 hat viele Facetten – von Technologie über Führung bis hin zur Raumgestaltung. Was wir aus unseren Studien als besonders wichtig identifiziert haben, sind Selbstkompetenz, Selbststeuerung und Selbstführung. Diese Kompetenzen gewinnen für uns alle extrem an Bedeutung – unabhängig davon, was wir machen und wo wir sind. Manche beherrschen dies von Natur aus gut, andere müssen daran arbeiten.
Sie beschäftigen sich schon länger mit dem Thema "Führen in der Arbeitswelt 4.0". Was hat sich in diesem Bereich, besonders seit der Pandemie, verändert?
Die Technologie oder die Digitalisierung ist ein wesentlicher Treiber der Entwicklung, die wir unter Arbeit 4.0 – manchmal auch als Futurework oder New Work bezeichnet – verstehen. Die Corona-Pandemie beschleunigte diese Entwicklung und verhalf der Arbeit im Homeoffice zum Durchbruch. Die damit verbundenen zentralen Herausforderungen für Führungspersonen bestanden jedoch schon davor.
Welche Aspekte sind dies?
Zwei Faktoren spielen dabei eine wesentliche Rolle: die Geschwindigkeit und die Informationszugänglichkeit. Wir haben heute auf zahlreichen Kanälen permanenten Zugriff auf Informationen. Dies stellt Führungskräfte vor die Frage: Wie gehe ich damit um? Will ich als Führungsperson diejenige sein, die alles wissen und kontrollieren muss? Wenn ich diesen Anspruch habe, bin ich heutzutage permanent überfordert. Angestellte können irgendwo arbeiten – ich sehe nicht mehr, ob sie im Büro sind. Und wenn sie sich in einer Whatsapp-Gruppe vernetzen, bekommt das die Führungskraft gar nicht mit.
Was ist die Konsequenz für die Führungskräfte?
Die Chefs müssen lernen, ihr Führungsverhalten anzupassen. Statt auf Kontrolle, sollten sie auf Vertrauen setzen und mit den Angestellten gemeinsam die gewünschten Arbeitsergebnisse festmachen. Dieses Umdenken bereitet auch heute noch vielen Führungspersonen Schwierigkeiten.
Wenn Unternehmen ihre Homeofficeregel einschränken, begründen sie das oft damit, dass Angestellte zuhause weniger produktiv seien. Gibt es dazu wissenschaftliche Erkenntnisse?
Ich kenne keine Studie, die belegt, dass Homeoffice per se die Produktivität schmälert. Die Arbeitspsychologie und auch die Untersuchungen, die wir am IAP mit 500 bis 600 Fach- und Führungskräften aus Schweizer Unternehmen durchgeführt haben, suggerieren etwas anderes: Wenn die Voraussetzungen gegeben sind – vor allem Vertrauen –, kann man im Homeoffice oder an jedem anderen Ort genau die gleiche Leistung bringen wie im Büro. Es gibt keinen Grund, warum Angestellte zuhause wenig leisten sollten. Natürlich muss man Rahmenbedingungen und Erwartungen klären sowie Vereinbarungen treffen. Das ist Führungsarbeit und erfordert Dialog. Aber Führung über Präsenz steigert sicher nicht per se die Leistung. Wichtig ist aber auch, zu verstehen, dass es individuell sehr unterschiedlich sein kann: Es gibt durchaus Mitarbeitende, die nicht gut im Homeoffice arbeiten können, weil sie in der Selbstführung nicht so stark sind oder mehr Struktur brauchen.
Auch Firmen aus der Digitalbranche, wie etwa der Videokonferenz-Lösungsanbieter Zoom, führten für ihre Mitarbeitenden unlängst wieder zwei Bürotage ein. Warum passiert das?
Diese Gegenreaktion entsteht oft aus dem Gefühl heraus, dass sich die Mitarbeitenden verselbstständigen. Grundsätzlich ist es in Ordnung, wenn ein Unternehmen mit seinen Angestellten ein paar Tage im physischen Büro vereinbart. Allerdings sollte die Organisation auch dafür sorgen, dass sich der Weg lohnt. Mitarbeitende kommen dann ins Büro, wenn ihre Kolleginnen und Kollegen auch da sind. Daher ist es sinnvoll, bestimmte Tage für Team-Meetings, gemeinsame Entwicklungsarbeit oder gemeinsames Mittagessen zu definieren – jeweils dynamisch abgestimmt auf die jeweiligen Umstände.
Was können umgekehrt Mitarbeitende tun, um die Möglichkeit des Homeoffice zu behalten?
Mitarbeitende sollten zum Ausdruck bringen, dass sie auch im Homeoffice erreichbar sind und ihre Arbeit zuverlässig erledigen. Wichtig ist Transparenz: Wenn man etwa aufgrund von familiären Verpflichtungen die Flexibilität des Homeoffice nutzt, sollte man das offen kommunizieren und klar machen, wann man erreichbar ist. Gleichzeitig sollten Mitarbeitende Flexibilität und Anpassungsbereitschaft zeigen, wenn das Unternehmen gemeinsame Präsenzzeiten festlegt. Es geht um ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten, ist heute ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität eines Unternehmens. Im Kampf um Talente spielt das eine entscheidende Rolle.
Was macht aus Ihrer Sicht eine gesunde Unternehmenskultur aus?
Besonders wichtig sind dabei die Faktoren Wertschätzung und Offenheit. Man versucht, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man offen und respektvoll miteinander umgeht, zu Fehlern stehen kann und sich gegenseitig unterstützt und fördert. Weitere wichtige Faktoren sind Sicherheit und Orientierung. Umgekehrt sind die belastendsten Faktoren im Unternehmen Konflikte und zwischenmenschliche Probleme – häufig Hauptgründe für Burnout. Als Führungspersonen müssen wir dafür sorgen, dass wir eine Kultur schaffen, in der Leistung gefordert wird – Menschen sind grundsätzlich leistungsorientiert –, aber gleichzeitig ein Rahmen besteht, in dem sich die Mitarbeitenden gut fühlen und ihre Bedürfnisse offen ansprechen können.
Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen einer gesunden Unternehmenskultur und der Talentsuche?
Bei der Suche nach neuen Fachkräften zählen natürlich zunächst einmal Faktoren wie Lohn und Arbeitszeit. Dazu kommen weitere Eigenschaften, die eine Stelle attraktiv machen, etwa eine Homeoffice-Regelung oder die Möglichkeit flexibler Arbeitseinteilung. Und natürlich informieren sich potenzielle Mitarbeitende über die Arbeitskultur eines Unternehmens: Wird man wertgeschätzt? Wie geht man etwa generationenübergreifend miteinander um? Wie hat sich ein Unternehmen entwickelt? Darüber wird in der Branche gesprochen, und so tragen Kultur und Image eines Unternehmens zu seiner Attraktivität bei und machen den Unterschied.
Sie sind Co-Leiter eines von Innosuisse geförderten Projekts zur "Kreislaufwirtschaft der Fähigkeiten und Kompetenzen". Was untersuchen Sie genau?
Es handelt sich um ein Flagship-Projekt, an dem ausser unserem Institut auch die Universitäten St. Gallen und Zürich und die EPFL beteiligt sind. Ziel ist es, eine Plattform zu entwickeln, über die Unternehmen und Fachpersonen in Kontakt kommen, um gemeinsam Kompetenzerweiterung zu betreiben. Hintergrund ist der Fachkräftemangel in verschiedenen Branchen, auch in der IT. Wir wollen eine niederschwellige Form finden, um Kompetenzaufbau zu ermöglichen. In unserem Teilprojekt geht es um "Co-Learning Circles" – dabei bringen wir Menschen zusammen, die sich nicht kennen, aber ähnliche Interessen haben, damit sie in einem virtuellen Raum voneinander und miteinander lernen können.
Können Sie schon sagen, wann solche Learning Circles gut funktionieren?
Wir haben bereits verschiedene Pilotprojekte durchgeführt und festgestellt: Die Menschen müssen sich nicht gut kennen, um gut zusammen zu lernen, solange sie die gleichen Interessen haben. Somit ist die grösste Herausforderung, die passenden Menschen zusammenzubringen. Für dieses Matching sehen wir grosses Potenzial für künstliche Intelligenz. Wichtig für solche Lerngruppen sind ausserdem eine klare Struktur sowie die Möglichkeit, die Zeit flexibel einzuteilen. Entsprechend arbeiten wir mit eher kurzen Lernmodulen von etwa 60 bis 90 Minuten.
Wo sehen Sie sonst noch Einsatzmöglichkeiten für KI?
Wir haben unter anderem untersucht, wie KI-Avatare Lerneinheiten von uns gestalten können, was teilweise sehr gut funktioniert. Es gibt zudem Möglichkeiten, KI für Coaching-Ansätze zu nutzen. Wir stehen noch am Anfang, sehen aber grosses Potenzial in dieser Technologie.

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