Nachgefragt

"Seit der Finanzkrise sehen wir eine Neuorientierung in Richtung IT-Sektor"

Uhr | Aktualisiert
von Daniele Giampà

Tessiner Hochschulen wie die Università della Svizzera italiana bilden IT-Fachkräfte aus. Sie könnten bei der digitalen Transformation der Tessiner Wirtschaft zentral sein - wenn sie nicht abwandern würden. Weshalb das so ist, erklärt der Dekan der Fakultät für Informatik, Kai Hormann.

Kai Hormann, Dekan der Fakultät für Informatik, Università della Svizzera Italiana. (Quelle: Università della Svizzera Italiana)
Kai Hormann, Dekan der Fakultät für Informatik, Università della Svizzera Italiana. (Quelle: Università della Svizzera Italiana)

Wo sehen Sie die grössten Chancen für den Tessiner IT-Markt?

Kai Hormann: Die Chancen sind sehr gut. Über viele Jahrzehnte hinweg war der Finanzsektor das Rückgrat der Wirtschaft im Tessin, doch spätestens seit der Finanzkrise sehen wir eine Neuorientierung in Richtung des IT-Sektors. Zudem verfolgt die Stadt Lugano momentan intensiv eine "Smart City"-Initiative. Zu diesem und zu anderen innovativen Projekten können unsere Fakultät und ihre Absolventen wertvolle und aktive Beiträge leisten.

Was sind die grössten Herausforderungen für den Tessiner IT-Markt?

Die Öffentlichkeitswirkung der Region zu verbessern und somit ihre Kompetenzen, was fortschrittliche Forschung und Entwicklung im Bereich der Informatikwissenschaften anbelangt, in den Vordergrund zu rücken. Dies mit dem Ziel, grosse Namen der Industrie anzulocken, um Teil ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu werden.

Trends wie neue IT-Technologien und die Digitalisierung ver­ändern Arbeitsprozesse und -methoden sowie die Kompetenzen der Entwickler. Wie reagiert die USI auf diesen Wandel?

Ein grosser Teil unserer Forschung beschäftigt sich mit neuen Technologien und den sich daraus ergebenden Konsequenzen, Möglichkeiten und Chancen. Wir sind dadurch immer "am Ball" und bilden etwa die Gymnasiallehrer des Tessins dahingehend in Fortbildungsseminaren weiter.

Wie bilden Sie diese Veränderungen im Studienangebot ab?

Das Informatikstudium an der USI vermittelt in erster Linie die Kenntnis grundlegender Prinzipien. Dadurch erlangen unsere Absolventen eine breite und fundamentale Wissensbasis, die ein gutes Rüstzeug für zukünftige Entwicklungen in der IT-Branche ist. Zudem gibt es in unserem Bachelor-Programm das Konzept der "Atéliers", in denen die Studierenden die erlernte Theorie in die Praxis umsetzen. Die konkreten Projekte, die in diesen "Atéliers" realisiert werden, werden stets im Hinblick auf neue Technologien angepasst. Ausserdem fordern wir unsere Studierenden auf, ihr eigenes Unternehmen zu kreieren und sich auf Projekte zu stützen, die sie während ihres Studiums entwickelten. Denn bereits seit seiner Erstellung sieht der Studienplan einen Lernansatz für Projekte vor, bei dem die Studierenden jedes Semester die Möglichkeit haben, an Gruppenprojekten teilzunehmen, die wiederum den Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, unterbreitet werden.

Welchen Beitrag leistet die USI zur IT-Wirtschaft des Tessins?

Die Fakultät für Informatik der USI bildet hochqualifizierte Fachexperten und Forscher aus, die für die Wirtschaft des Tessins sehr interessant sind. Die Statistiken offenbaren jedoch, dass die meisten unserer Absolventen es vorziehen, in andere Kantone der Schweiz oder ins Ausland auszuwandern auf der Suche nach besseren Gehalts- und Projektbedingungen. Im Tessin gibt es interessante Möglichkeiten, jedoch ist deren Anzahl noch zu gering, und die Unternehmen sind zum Grossteil eher im Bereich des IT-Managements oder im IT-Support aktiv, was für unsere Studierenden offensichtlich weniger attraktiv ist.

Wie kooperiert die USI mit Tessiner IT-Unternehmen?

Die USI arbeitet in verschiedenen Formen mit den lokalen IT-Unternehmen zusammen. Wir haben etwa ein Wirtschaftspraktikum für die Studierenden im dritten Jahr des Bachelor-Studiums in Informatik eingeführt, eine von beiden Seiten hochgeschätzte Massnahme, die in einigen Fällen sogar zu einer dauerhaften Zusammenarbeit weit über den Praktikumszeitraum hinaus wurde. Ausserdem kooperieren wir durch Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit den Unternehmen, insbesondere an innovativen Projekten, die Know-how und neue Arbeitsplätze generieren.

Welche Kooperationen gibt es noch?

Auf direkte Weise arbeiten die USI und die Fakultät für Informatik mittels des CP-Start-ups – eines Inkubators für junge Unternehmer – mit der regionalen Wirtschaft zusammen. Ausserdem haben wir mit unserem "Master in Management and Informatics" ein sehr wirtschaftsorientiertes Studienprogramm in unserem Portfolio. Unter anderem beinhaltet es ein "field project", das zur Entwicklung konkreter Projekte führt.

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