IT-Leiter Stefan Hunziker im Interview

Luzerner Kantonsspital packt digitale Transformation mit neuem KIS an

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Die E-Health-Strategie des Bundes, die digitale Transformation und die Megatrends der IT bewegen das Luzerner Kantonsspital (LUKS). Dieses setzt auf ein neues Krankenhausinformationssystem (KIS). Stefan Hunziker, Leiter der Informatik des Luzerner Kantonsspitals, spricht im Interview über den Stand der Entwicklung und welche Bedeutung das KIS für die Digitalisierungsstrategie des LUKS hat.

Stefan Hunziker, Leiter IT, Luzerner Kantonsspital. (Source: Luzerner Kantonsspital (LUKS))
Stefan Hunziker, Leiter IT, Luzerner Kantonsspital. (Source: Luzerner Kantonsspital (LUKS))

Das Luzerner Kantonsspital (LUKS) arbeitet an der Digitalisierung seiner Prozesse. Hierzu zählt auch die Modernisierung des Krankenhausinformationssystems (KIS). Mit dem alten stiess das Spital an seine Grenzen. Ein neues muss her. Das der Firma Epic. Für den Entscheid wurde das Spital kritisiert. Das Epic-System sei zu teuer und müsse übersetzt werden. Warum es aus Sicht des Spitals der richtige Entscheid war und wie das neue KIS die Digitalstrategie des Spitals unterstützt, erklärt Stefan Hunziker, Leiter der Informatik des Luzerner Kantonsspitals.

Das (LUKS) arbeitet seit rund 4,5 Jahren an einer Digitalisierungsstrategie. Um was geht es dabei?

Stefan Hunziker: Die Digitalisierung ist im Gesundheitswesen schon seit zehn Jahren ein Thema – seit der Bundesrat die E-Health-Strategie beschlossen hat. Für uns als Zentrumsspital ist klar, dass wir die Chancen der Digitalisierung in Zukunft nutzen, um gute Lösungen für unsere Anforderungen im Klinikalltag zu finden. Dazu gehört eine lückenlose elektronische Patientenakte über alle ambulanten und stationären klinischen Bereiche, um die Papierakten zu ersetzen. Wir setzen hierfür Standards ein zum Datenaustausch für die integrierte Versorgung; speziell für den Einbezug der Zuweiser und Patienten.

Welche weiteren Massnahmen gehören noch zur Digitalstrategie des LUKS?

Zu unserer Strategie zählt auch der Aufbau und Betrieb eines Data Warehouses. Diese dient uns als Basis für die klinischen und betrieblichen Analysen sowie zur Unterstützung operativer und strategischer Entscheide.

Wie hilft das neue Krankenhausinformationssystem (KIS) bei der Digitalisierung des LUKS?

Mit dem neuen KIS können wir die verschiedenen Daten eines Patienten in einem System erfassen. Von den administrativen Informationen wie Adresse und Alter, über Labordaten haben wir alle für die Behandlung wichtigen Informationen praktisch und situationsgerecht aufbereitet zur Hand. Und das unabhängig von Ort, Zeit und verwendetem Device.

Das heisst?

Das integrierte System ermöglicht flächendeckend Standardisierungen und Automatisierungen von Informationen. Das bedeutet etwa, dass weniger Duplikate bei Untersuchungen vorhanden sind. Die klinischen Abläufe und Workflows werden durchgehend unterstützt. Auch bei Entscheidungsfindungen in der Diagnose. Das neue KIS wird auch neue Formen der Versorgung erlauben wie etwa Telemedizin oder Home respektive Remote Monitoring etwa bei fortgeschrittenen Erkrankungen.

Was bietet das neue KIS noch?

Wir wollen auch unsere klinischen Netzwerke ausbauen. Das Projekt ist schliesslich nicht nur ein IT-Projekt. Unser neues KIS ist ein Unternehmensprojekt. Nahezu alle Abteilungen sind betroffen und herausgefordert, im Rahmen der Digitalisierung die eigenen Abläufe zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen

Was war der konkrete Auslöser für das KIS-Projekt?

Unser jetziges Klinikinformationssystem genügt den zukünftigen Anforderungen nicht mehr. Es fehlen wesentliche Funktionen eines integrierten Systems und eine substantielle Weiterentwicklung war nicht absehbar. Zudem stellten wir fest, dass andere Branchen in der Digitalisierung deutlich fortgeschrittener waren als wir.

Von was für Branchen reden wir da?

Wirtschaftszweige wie etwa Banken und Versicherungen oder die Automobilindustrie. Auch innerhalb des Gesundheitswesens sind die Spitäler und Pflegeeinrichtungen in verschiedenen Ländern deutlich weiter. Wir suchten daher ein System, das unsere zukünftigen Anforderungen erfüllen kann. Die Ausbaufähigkeit in einem sich schnell wandelnden Umfeld ist für das LUKS wichtig.

Was sind die wichtigsten Projektziele, damit das LUKS künftig auch flexibler ist?

Wir wollen die Mitarbeiter von Routinetätigkeiten, die automatisiert werden könnten, entlasten. Dadurch gewinnen sie Zeit, um sich verstärkt auf ihre eigentlichen Tätigkeiten zu konzentrieren. Dies ist besonders bei der Ärzteschaft und in der Pflege wichtig, wo der Fachkräftemangel voraussichtlich zunehmen wird. Wir wollen die Komplexität der Abläufe durch Optimierungen und Schnittstellenbeherrschung reduzieren. Das LUKiS, wie wir das System nennen, soll auch die Behandlungsqualität der Patienten fördern. Auch dadurch, indem der Patient als Partner vermehrt in den Behandlungsprozess einbezogen wird. Auch die Zuweiser wie etwa Hausärzte laden wir ein, LUKiS zu nutzen.

Was kann denn das neue System konkret besser als das Vorgängersystem?

Es bietet hervorragende Anwendungsmöglichkeiten im Klinikalltag. Mit LUKiS können wir künftig Daten für das Wissensmanagement sehr gut aufbereiten. Das neue System lässt sich auch flexibler an künftige Anforderungen anpassen, die vielleicht erst in einigen Jahren neu aufkommen werden. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass wir die Qualität und Sicherheit insbesondere im Umgang mit Daten stärken können. Mit dem neuen KIS können wir unsere Idee Patienten und Zuweiser mit einzubinden überhaupt erst realisieren.

Ein wichtiger Treiber dürfte auch die Umsetzung des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPD) sein. Inwieweit hilft dem LUKS das neue KIS beim Aufbau eines Angebots für elektronische Patientendossiers?

Ein wesentlicher Pfeiler unserer Strategie ist die Interoperabilität. Das System stellt standardmässig schon verschiedene Instrumente zur Verfügung. So steht eine Plattform für den strukturierten Austausch von Daten mit anderen Krankenhäusern bereit. Für das elektronische Patientendossier werden wir die relevanten Daten aus dem KIS aufbereiten und an das entsprechende IHE-Repository übermitteln. Dadurch wird die Verbindung zu einer noch zu bestimmenden (Stamm-)Gemeinschaft hergestellt.

Verschafft Ihnen das neue KIS Wettbewerbsvorteile im Schweizer Gesundheitsmarkt?

Als Dienstleister werden die Wettbewerbsvorteile durch die Mitarbeitenden realisiert. Softwaresysteme tragen indirekt dazu bei. Das machen sie indem sie die Mitarbeitenden unterstützen, beispielsweise aus der Fülle der Informationen die relevanten herauszufiltern, damit der Arzt oder die Pflege schnell die richtige Entscheidung fällen kann. Dadurch wird ein wesentlicher Beitrag zur Qualität der Versorgung der Patienten und ihrer Sicherheit erbracht. Davon abgesehen, steigern wir auch die Effizienz durch optimierte Geschäftsprozesse und Abläufe.

Ihr Haus ist in die Kritik geraten, da sich das LUKS nach einer öffentlichen Ausschreibung für den augenscheinlich teuersten Anbieter Epic entschied. Moniert wurde auch, dass man die Sprache der Software noch aus dem Englischen übersetzen müsse. Weshalb setzen Sie auf die Lösung von Epic?

Für Epic spricht die hohe Anzahl erfolgreicher KIS-Umsetzungen. Dies auch bei vielen namhaften und grossen Kliniken weltweit wie etwa Stanford, Harvard, oder die Mayo Klinik. Epic hat eine grosse User-Community, die das System laufend weiterentwickelt und fördert. Von diesem Know-how können wir profitieren. Der Hersteller ist in der Lage, neue Anforderungen und technische Entwicklungen rasch umzusetzen. Zum Thema Übersetzung: Diese wird durch Epic erbracht. Das LUKS ist an der Qualitätskontrolle beteiligt.

Wie unterstützt Sie der Hersteller ausserdem bei dem Projekt?

Das Projekt wird durch das LUKS gestaltet. Unterstützt werden wir dabei durch ein Kernteam von zirka 15 Epic-Mitarbeitenden, die ihrerseits auf zahlreiche, interne Spezialisten zurückgreifen können. Daneben nutzen wir unser Netzwerk zu Krankenhäusern inner- und ausserhalb Europas, die bereits mit dem System arbeiten.

Im Juni publizierte das LUKS ein Videointerview mit Ihnen, in dem Sie dazu aufrufen, sich zu bewerben. Wie viele Fachleute suchen Sie noch und aus welchen Bereichen?

Die Rekrutierung ist schon weit fortgeschritten. Im Bereich der Vollzeitmitarbeitenden (80-100 Prozent) suchen wir noch rund 10 Personen mit klinischem Hintergrund und IT-Affinität. IT-Fachleute benötigen wir etwa 20. Wir rekrutieren hierfür auch extern. Gesucht werden ebenfalls mit Pensen zwischen 80 bis 100 Prozent: Applikations- und Datenbankadministratoren sowie Spezialisten für Schnittstellen und Business Intelligence.

Das neue KIS soll 2019 in Betrieb gehen. Wie sieht die Roadmap bis dahin aus?

Bis zur Aufnahme des Betriebs hat das Projekt vier Phasen. In der ersten werden der Scope abgesteckt und die ersten Installationen vorgenommen. In der Adaptationsphase wird das Grundsystem von Epic ausgeliefert und in verschiedenen Workshops an die Anforderungen des LUKS angepasst. Dann folgt eine ausgedehnte Testphase. Die letzte Phase umfasst die aufwändige Benutzerschulung. Vor dem eigentlichen Start werden sogenannte Readiness-Assessements durchgeführt, damit wir noch letzte Korrekturen vornehmen können. Gemäss aktuellem Planungsstand ist der Go-Live für den Herbst 2019 vorgesehen.

Zur Person

Stefan Hunziker leitet seit 2012 die Informatik des Luzerner Kantonsspitals. Der promovierte Arzt und Wirtschaftsinformatiker hält zudem den Titel eines Executive MBA der Universität Zürich.

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