Interview mit Reto Savoia, stv. CEO von Deloitte Schweiz

"Unsere Einnahmequellen werden sich verändern"

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von Joël Orizet und Rodolphe Koller

Die digitale Transformation entpuppt sich für Unternehmensberater als Chance und Herausforderung. Reto Savoia, ­stellvertretender CEO von Deloitte Schweiz, erklärt, wie sein Unternehmen mit diesem Wandel umgeht.

Reto Savoia, stellvertretender CEO, Deloitte Schweiz (Source: zVg)
Reto Savoia, stellvertretender CEO, Deloitte Schweiz (Source: zVg)

Wie beeinflusst die Digitalisierung das Beratungsgeschäft im Vergleich zu anderen Branchen?

Reto Savoia: Die Beratungsbranche kann sich der Digitalisierung nicht entziehen. Das Personalwesen ist von diesem Wandel besonders betroffen. Einerseits werden unsere Einstellungsverfahren immer digitaler abgewickelt. Andererseits ändern sich auch die Profile der von Deloitte gesuchten potenziellen Mitarbeitenden. Wir brauchen Menschen, die eine starke Affinität zu neuen Technologien aufweisen und gleichsam verstehen, wie sich diese für das Geschäft unserer Kunden nutzen lassen. Wir weiten unsere Suche also aus, stellen nicht mehr ausschliesslich Juristen und Wirtschaftswissenschafter ein, sondern beispielweise auch Physiker und Biologen. Wenn wir spezifische Fachkompetenzen für bestimmte Projekte benötigen, suchen wir vermehrt spezifische Zulieferer und arbeiten mit Technologiefirmen zusammen. Wir pflegen etwa eine Partnerschaft mit Apple. Und wir verwenden mehrere Business-Matching-Plattformen, um externe Spezialisten für bestimmte Mandate zu finden.

Verspüren Sie vonseiten Ihrer Kunden einen erhöhten Preisdruck oder eine höhere Nachfrage nach neuen Formen des Engagements?

Absolut. Der Preisdruck hat in unserer Branche enorm zugenommen. Es herrscht heute eine höhere Transparenz auf dem Markt und die Digitalisierung ermöglicht es Dienstleistern, etwa aus Indien, ihre Angebote weltweit zu vermarkten. Die Kunden beauftragen auch öfters direkt spezialisierte Nischenanbieter, um bestimmte Projektaufgaben zu erfüllen. Aufgrund der Kostenbasis von Deloitte wie auch anderer grosser Beratungsunternehmen ist es schwierig, mit deren hochstandardisierten Angeboten zu konkurrieren. Deswegen müssen wir unsere internen Abläufe effizienter gestalten und neue Kundenbindungsmodelle umsetzen. Dies tun wir etwa, indem wir unsere Tarife an die Effizienzgewinne knüpfen, die wir unseren Kunden verschaffen. Wir übernehmen damit mehr Risiken als bei der klassischen zeitbasierten Abrechnung. Wir entwickeln auch neue Geschäftsmodelle mit Plattformen und Softwarelösungen, die nach Auftragsvolumen oder über Lizenzen abgerechnet wird. Ich bin überzeugt, dass sich solche Angebote weiterentwickeln werden.

Dienstleistungen kommen immer mehr in Form von Software ­daher. Was halten Sie davon?

Das sind eindeutig disruptive Veränderungen, die wir unbedingt mitgestalten müssen. So basiert heute etwa die Wirtschaftsprüfung zu einem grossen Teil auf digitalen Analysewerkzeugen oder automatisiert ablaufenden Vorgängen, sogenannten Frameworks. Solche Dienstleistungen werden von der Kundschaft immer mehr als selbstverständlich vorausgesetzt. Deswegen müssen wir neue Wege finden, um einen Mehrwert zu generieren. Wir setzen das bereits um, indem wir mehr Gewicht auf die Interpretation von Analyseergebnissen legen und daraus abgeleitete Entscheidungsmöglichkeiten individuell prüfen. Ein weiteres Beispiel sind die Steuererklärungen: Diese können wir in wenigen Jahren bereits vollständig automatisiert abwickeln – auch durch Kompetenzzentren im Ausland. Wir müssen also auf eine andere Art und Weise Geld verdienen. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass sich unsere Einnahmequellen in den kommenden fünf bis zehn Jahren stark verändern werden.

Wie verändert sich der Markt und inwiefern stellen Start-ups die etablierten Beratungsfirmen vor Herausforderungen?

Ich glaube, dass sich der Markt konsolidieren wird. Die digitale Transformation erfordert umfassende Investitionen und es braucht eine bestimmte Organisationsgrösse, um diese in einer nützlichen Frist zu amortisieren. Für kleine Generalisten wird es schwierig. Was die Start-ups und andere Nischenplayer betrifft, werden wir uns meiner Ansicht nach annähern, sei es über Joint Ventures oder Übernahmen. Auf diese Weise können wir neue Kompetenzen erwerben, und die kleinen Unternehmen erhalten im Gegenzug Zugang zu unseren Kunden.

Führt die Digitalisierung dazu, dass das klassische Mandat mit einer bestimmten Laufzeit ersetzt wird durch ein kontinuierliches Auftragsverhältnis?

Durchaus. Die Geschäftsmodelle verlagern sich in die Richtung standardisierter technologischer Plattformen. Zwar sind dort die Margen zugegebenermassen kleiner, doch mithilfe von Skaleneffekten und langfristigen Kundenbeziehungen lassen sich auf diese Weise mehr Dienstleistungen verkaufen. Dabei ist es wichtig, dass wir neue technologische Kompetenzen entwickeln. So können wir viel mehr anbieten als strategische Beratung. Im Bereich der Umsetzung der Finanzmarktregulierung geht es beispielsweise vor allem um Kosteneinsparungen durch Prozessautomatisierung. Hier treten wir als Dienstleister auf und übernehmen für unsere Kunden eine Reihe individuell festgelegter Dienstleistungen und Abläufe. etwa mit Managed Services. Durch die saubere Abwicklung solch komplexer Aufgaben verschaffen wir uns Glaubwürdigkeit. Denn allein mit Konzepten beeindruckt man heute kaum mehr einen Kunden. Wer auftrumpfen will, muss erst beweisen, dass er auch konkrete Ergebnisse liefern kann.

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