Swiss Payment Forum 2019

Biometrisch, kryptografisch, chinesisch: So zahlen wir morgen, oder auch nicht

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Bezahl-Apps, kontaktlose Karten und QR-Codes waren gestern. Morgen bezahlen wir mit dem Körper, unsichtbar und fast automatisch, wie die Sprecher am Swiss Payment Forum in Zürich gezeigt haben. Die Frage ist: Sind Dienstleister, Händler und Kunden in der Schweiz bereit dazu? Und was ist eigentlich mit dem Bitcoin?

Aleksander Berentsen: "Vor Bitcoin als Zahlungssystem müssen Sie keine Angst haben." (Source: Netzmedien)
Aleksander Berentsen: "Vor Bitcoin als Zahlungssystem müssen Sie keine Angst haben." (Source: Netzmedien)

Der Auftakt zum diesjährigen Swiss Payment Forum dürfte manchem Besucher ein mulmiges Gefühl beschert haben. Der Start-up-Berater Damir Bogdan zeigte im Zürcher Hotel Marriott, wie Chinas berühmt-berüchtigtes "Social Credit System" im Alltag funktioniert. Wer eine Strasse bei Rot überquert, wird dabei von einer Kamera erfasst und auf einem grossen Screen neben dem Fussgängerstreifen an den digitalen Pranger gestellt. Heute geschieht dies noch anonym, in Zukunft werde die Person aber für jedermann zu erkennen sein - und Punkte im chinesischen Bürger-Ranking verlieren.

Was hat das mit dem Schweizer Zahlungswesen zu tun? Bogdan wollte mit dem Beispiel verdeutlichen, auf welche Art Technologien im Alltag ankommen. Was vor Kurzem noch wie Zukunftsmusik klang - Gesichtserkennung, Robotik, künstliche Intelligenz - sei heute einsatzfähig. Und bei vielen Innovationen sei China führend, auch beim digitalen Bezahlen, sagte Bogdan. Dazu müsse man nur nach Interlaken gehen und dort zusehen, wie chinesische Touristen ihr Geld ausgeben.

Damir Bogdan gab Einblicke in die Zahlungsmethoden der Zukunft. (Source: Netzmedien)

Für die Schweizer Zahlungsdienstleister bedeutet dieser Blick nach Osten, sich dem Wandel in der Branche bewusster zu sein. Sie müssten neue Technologien und Geschäftsmodelle genau beobachten, sagte Bogdan. Nur so könnten die Unternehmen sicherstellen, Trends nicht zu verpassen und von schnelleren Playern überholt zu werden. Konkret heisse das, Know-how aus Start-ups in die Firma zu holen, innovative Ideen zu fördern, bestehende Hierarchien zu hinterfragen und sich in eine andere Welt zu denken. Als Vorbilder könnten Vorreiter wie Tesla dienen.

Die Unternehmensstrategie dürfe deshalb nicht nur auf die kommenden paar Jahre, sondern müsse auch 5 oder sogar 10 Jahre nach vorne schauen. Deshalb sei es heute nicht damit getan, eine Zahlungs-App zu entwickeln, sagte Damir Bogdan. Das Payment der Zukunft sei automatisch, unsichtbar, appless. Kunden wollten möglichst reibungslos zahlen. Und sie gewöhnten sich schnell an eine gute Lösung und ihren Anbieter. Und schliesslich dürfe beim Blick in die Zukunft auch das Thema Nachhaltigkeit nicht fehlen. Wer heute nicht in nachhaltige Technologien investiert, werde nicht überleben, prophezeite Bogdan.

Laut Thomas Heldner wird morgen per Smartphone oder NFC-Chip bezahlt. (Source: Netzmedien)

Die Sicht der Anbieter

Ebenfalls um China ging es im Referat von Robert Komatz, DACH-Chef beim chinesischen Kreditkartenherausgeber Unionpay. Er zeigte, wie Chinas Banken den Weg in die neue Zahlungswelt gehen. Sie setzen dabei auf Partnerschaften und - immer noch - auf Mobile Payment, vor allem per QR-Code. John Ahlberg von Thales informierte über die Weiterentwicklung der Kreditkarte. Wie Dienstleister die Gratwanderung zwischen Sicherheit und Usability schaffen können, erfuhr man von Kurt Schmid, Managing Director Digital Payments bei Netcetera.

Thomas Heldner nahm das Publikum einen Schritt weiter in die Zukunft. Heldner ist bei Worldline/Six für das Geschäft in der Schweiz, Österreich und den Benelux-Staaten verantwortlich. Das klassische Kartenterminal stirbt langsam aus, wie er sagte. Es werde ersetzt durch smarte Devices, die mehr als nur Zahlungen drauf haben. Mit ihnen könnten Händler ihren Kunden Zusatzdienste anbieten.

Am Ende brauchten Kunden und Händler aber nur noch ihre Smartphones, um Zahlungen abzuwickeln. Oder sogar bloss eine Hand. Heldner zeigte das Beispiel der Berliner Bank Sparda. Wer dort eine Hypothek aufnimmt, kann sich fürs kontaktlose Öffnen der Haustür einen NFC-Chip zwischen Daumen und Zeigefinger einpflanzen lassen. Ob die Kunden für so ein Szenario schon bereit sind, müsse sich aber noch zeigen. Und auch die Händler am Point of Sale stellten sehr unterschiedliche Anforderungen an Zahlungssysteme.

Im Podium wurde über Open Banking, PSD2 und Fintech diskutiert. (Source: Netzmedien)

Open Banking made in Europe & Switzerland

Was sich Kunden aber bereits heute wünschen, ist Open beziehungsweise Multi-Banking. Über dieses Thema diskutierten Matthias Hönisch vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Sven Siat von Six, Tobias Wirth von der Aduno Group und Andre Standke von Thede Consulting Schweiz. Sie gingen einerseits aus der EU-Perspektive an die Sache heran, wo mit der Payment Services Directive (PSD2) eine Regulierung für die Offenlegung von Kontodaten existiert. Andererseits wurde die Situation in der Schweiz beleuchtet.

Matthias Hönisch gab zu bedenken, dass die PSD2 eine Gefahr für die europäischen Finanzdienstleister darstelle. Offene Schnittstellen könnten dazu führen, dass sich grosse IT-Konzerne wie Google oder Amazon mit digitalen Plattformen zwischen den Kunden und seine Bank drängen. Dazu kämen Herausforderungen in puncto Datenschutz und Cybersicherheit. Trotzdem müsse die PSD2 als Chance begriffen werden. Wenn Banken und Fintech-Dienstleister zusammen arbeiteten, könnten beide Seiten von der Regulierung profitieren.

in der Schweiz seien die Grundlagen für erfolgreiches Open Banking noch nicht gegeben, sagte Sven Siat. Es gebe noch keine Standards für Schnittstellen und keine Vorgaben für die Zertifizierung. Vor allem aber sei der Aufwand zur Verknüpfung von Bank und Fintech-Firma extrem hoch. Die Technik sei ready, das Problem sei die Compliance, sagte Siat. Ein Beispiel, wie es trotzdem gehen kann, ist die Kooperation von Swisscom, Valiant und Contovista, die Tobias Wirth vorstellte. Lesen Sie hier mehr darüber.

Die Auswertung von Konto- und Zahlungsdaten ermöglicht neue Geschäftsmodelle und Services. Das biete Vorteile für Banken und Kunden, waren sich die Teilnehmer der Diskussion einig. Die Erfahrungen mit der PSD2 machen aber auch die Hürden auf dem Weg zum Open Banking deutlich. So könnten massenhafte Zugriffe von Fintech-Firmen auf Kontodaten die Banken-IT herausfordern. Nichtsdestotrotz, mit breiter Unterstützung aus der Finanzbranche und einer Regulierung auf Augenhöhe für alle Anbieter sei Open Banking eine Gelegenheit, kein Unglück.

Das Swiss Payment Forum fand im Zürcher Hotel Marriott statt. (Source: Netzmedien)

Hat der Franken eine Zukunft?

Der erste Tag des Swiss Payment Forums stand im Zeichen kommender Zahlungsmethoden. Doch am Ende ging es auch dabei immer noch um das Bezahlen mit klassischen Währungen. Um Alternativen zu Franken, US-Dollar und Euro drehte sich das Abschlussreferat von Aleksander Berentsen. Der Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel stellte die Frage, ob wir diese Währungen in Zukunft überhaupt noch brauchen.

Berentsen liess keinen Zweifel daran, dass er Kryptowährungen für eine bahnbrechende Idee hält. "Bitcoin ist etwas vom cleversten, was im Zahlungswesen in den letzten 30 Jahren geschaffen wurde", sagte er. Die dezentrale Verwaltung der Eigentumsrechte, die Zugänglichkeit für jedermann, die kryptografische Absicherung auf einer Blockchain und die hohe Resistenz des Netzwerks gegenüber Attacken seien einzigartig. Am Ende handle es sich beim Bitcoin nur um eine Datenbank, aber eben eine, die sich nicht von einer zentralen Instanz manipulieren lasse.

Trotzdem ist der Bitcoin laut Berentsen keineswegs perfekt. Die darunterliegende Blockchain ist prinzipbedingt ineffizient. Der Wert der Kryptowährung schwankt stark. Deshalb werde sich Bitcoin auch nicht als Zahlungsmittel durchsetzen, sagte Berentsen. Als Vermögensanlage wie Gold oder Kunst sei er allerdings interessant. Der Grund: Bitcoin lässt sich leicht speichern und transferieren, kann aber nicht von einer Zentralbank entwertet order konfisziert werden.

Christian Ridder hielt das Forum grafisch fest. (Source: Netzmedien)

Von Facebooks Libra-Projekt und anderen Stablecoins hielt Berentsen wenig. Sie verfügten weder über die Zensur-Resistenz, noch über die Offenheit des Bitcoin - und sind deshalb keine Alternative. Trotzdem zeigte er Verständnis für den Widerstand der Regulatoren gegen Libra. Facebook könnte auf einen Schlag ein globales Zahlungssystem für Milliarden von Nutzern einführen. Das wäre eine echte Konkurrenz für Fiat-Währungen.

Sollten die Zentralbanken denn selbst Kryptowährungen herausgeben? "Das ist eine Schnapsidee", sagte Berentsen. Sinnvoller sei es, wenn die Notenbanken klassische Währungen in elektronischer Form anbieten würden. Das werde auch die Schweizerische Nationalbank über kurz oder lang tun.

Über Bitcoin und Libra müssen sich die Zahlungsdienstleister also keine Sorgen machen - über Ethereum allerdings schon, so Berentsen. Darauf aufgebaute Smart Contracts ermöglichen seiner Ansicht nach eine breite Palette an Finanzprodukten ohne Intermediär. Mit Ethereum anzulegen sei, wie selbst ein Flugzeug zu fliegen, nachdem man bislang immer nur mitgeflogen sei. "Ethereum und seinen Erfinder Vitalik Buterin können Sie nicht stoppen", sagte Aleksander Berentsen.

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