Start-up-Investments

Warum Israels Chuzpe und Schweizer Bodenständigkeit zusammenpassen

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von Coen Kaat

Israel hat aktuell über 8000 aktive Start-ups - die höchste Konzentration weltweit. Die Jungunternehmen der Levante stellen auch eine Geschäftschance für Schweizer Unternehmen dar. Wie, erklärten die Redner - darunter Botschaftsrätin Michal Hershkovitz - an einem VC-Talks-Event in Zürich.

Shaul Lifshitz, Gründer und CEO von Scoutx. (Source: Netzmedien)
Shaul Lifshitz, Gründer und CEO von Scoutx. (Source: Netzmedien)

Die Schweiz mag ein KMU-Land sein. Aber Israel ist das Start-up-Land. Aktuell zählt das Mittelmeerland mehr als 8000 aktive Jungunternehmen. Die Konzentration an Start-ups sei somit 14 Mal höher als in Europa, wie Shaul Lifshitz, Gründer und CEO von Scoutx an einem VC-Talks-Event zum Thema Start-up-Funding erklärte.

Lifshitz' Firma macht Tech-Scoutings für Schweizer Firmen, die den israelischen Markt anpeilen. Und das war auch das Fokusthema des Events: Wie und warum sollten Schweizer Unternehmen in israelische Start-ups investieren.

Botschaftsrätin Michal Hershkovitz hatte an dem Anlass eine klare Antwort: die starke und solide Wirtschaft des Landes. "Israel hat eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit", sagte sie. Die Staatsverschuldung sei zudem niedrig und werde auch stets geringer.

Botschaftsrätin Michael Hershkovitz. (Source: Netzmedien)

Ferner würden auch die tiefe Arbeitslosenrate von 4 Prozent und der starke Shekel dafür sprechen, dass Investitionen in Israel lohnenswert seien. Zum Vergleich: In der Schweiz lag die Arbeitslosenquote im Januar 2020 bei 2,6 Prozent.

Israelische Start-ups profitieren auch von staatlichen Investitionen. Diese, gekoppelt mit dem Militär als Inkubator und ein wenig Chuzpe, sind gemäss Ministerpräsident Benjamin Netanyahu die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren, wie er in seiner Rede an der Cyber Week 2019 verriet.

Nestlé, Novartis, Migros, Roche und SBB investieren bereits in Israel

Auch immer mehr multinationale Konzerne teilen offensichtlich die Einschätzung der Botschaftsrätin. "Nestlé, Novartis, Roche und Migros investieren bereits in Israel", sagte Hershkovitz. Die SBB suche seit einem Jahr mit einem Büro in Israel nach guten Möglichkeiten, um zu investieren. Und auch die UBS und Swatch prüfen gemäss Hershkovitz derzeit Geschäftschancen im Land, in dem Milch und Honig fliessen.

Eine Investition in ein israelisches Start-up soll sich auch aus rein finanziellen Gründen lohnen. "Jedes Jahr werden über 8 Milliarden US-Dollar investiert", sagte Astorre Modena, General Partner von Terra Venture Partners. Die Start-up-Exits würden aber jährlich durchschnittlich über 11 Milliarden Dollar generieren. "Das Geld fliesst also auch wieder zurück zu den Investoren", sagte Modena. "Das ist die beste Rendite weltweit." Ausserdem gebe es keine Steuern für ausländische Investoren.

Astorre Modena, General Partner von Terra Venture Partners.(Source: Netzmedien)

Der Grund, der die israelischen Start-ups so erfolgreich mache, sei die Kultur. Der wohl wichtigste Punkt ist die israelische Haltung gegenüber Misserfolgen. "Wenn jemand scheitert, betrachten wir das als gutes Zeichen", sagte Modena. Misserfolge seien ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Erfolg. "Einige der erfolgreichsten Unternehmer begannen mit gescheiterten Unternehmen."

Weitere Faktoren für den Erfolg gemäss Modena:

  • Die generell vorherrschende Ungezwungenheit.

  • Die Risikobereitschaft, die aus der Haltung gegenüber Fehlern entsteht.

  • Die Grösse des Landes: Niemand ist mehr als zwei Telefonanrufe entfernt.

Die geographische Lage zwingt zum Umdenken

Ein weiterer Faktor ist die Grösse des Binnenmarkts und die Lage des Landes, wie Philippe Bernet, Gründer von Backbone Ventures, in einer abschliessenden Podiumsdiskussion sagte. "Weil Israel keine freundlich gesinnten Nachbarn hat, müssen die lokalen Unternehmen grösser denken: Sie müssen global exportieren, wenn sie erfolgreich sein wollen."

Investoren sollten jedoch Geduld mitbringen, wenn sie ihr Geld in israelische Unternehmer stecken. Einerseits seien diese oftmals zu optimistisch – vor allem, was den Zeitplan betrifft. "Immer wenn ein Unternehmer Ihnen irgendeine eine Zahl nennt, müssen sie diese halbieren", sagte Modena.

Dies dürfe man jedoch nicht als Unehrlichkeit seitens des Unternehmers verstehen. "Die Unternehmer glauben wirklich daran, dass sie diese Ziele erreichen."

Andererseits brauche man auch Geduld, weil die durchschnittliche Zeit bis zum Exit angestiegen ist. Dies kann zwischen 7 und 10 Jahre dauern – dafür seien die durchschnittlichen Exit-Summen jedoch auch gestiegen.

Die Kombination birgt viel Potenzial

In der Schweiz brauchen die Start-ups ein wenig länger, wie Daniel Küng, Mitglied des Verwaltungsrats von Chainwork, sagte. Hier betrage die Zeit bis zum Exit zwischen 10 und 11 Jahre. Im Gegensatz zu Israel sei die Schweiz "nicht von Ländern umgeben, die uns ins Meer werfen wollen. Israelische Unternehmen müssen daher besser sein als ihre Nachbarn", sagte Küng halb im Scherz.

Daniel Küng, Mitglied des Verwaltungsrats von Chainwork. (Source: Netzmedien)

Das führe dazu, dass die Schweizer Unternehmer nicht von der Notwendigkeit getrieben werden, sondern langfristig stabilitätsorientiert operieren. Die Kombination der israelischen risikofreundlichen Attitüde und der schweizerischen risikoscheuen Haltung berge viel Potenzial. Wir sollten wirklich prüfen, wie wir die Vorteile der beiden Länder kombinieren können, um die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Start-ups zu schaffen", sagte Küng.

Der Event wurde von Backbone Ventures, Scoutx und Fintech Connector organisiert. Veranstaltungsort waren die Räumlichkeiten des Coworking-Anbieters Chainwork im Zürcher Seefeld.

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