"As-a-Service"

Microsoft läutet Windows-10-Zukunft ein

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

Gestern hat Microsoft Einblick in zentrale Features von Windows 10 gegeben. Cortana, der Browser Spartan und das Thema Gaming wurden prominent präsentiert. Die grösste Überraschung war eine neuartige Hologrammbrille.

Überraschend unaufgeregt hat Microsoft gestern seine Zukunft mit Windows 10 eingeläutet. Auf einer schlicht Briefing genannten Veranstaltung, mit kleiner Bühne und vergleichsweise wenigen geladenen Pressevertretern, gab das Unternehmen Einblick in zentrale Features von Windows 10.

Dabei stand das Produkt im Fokus. Die Präsentation war keine "One Man Show" wie so häufig bei solchen Veranstaltungen. Das Marketing im Vorfeld war minimal. Auch auf "Jubelperser" und geplante Klatschorgien verzichtete das Unternehmen aus Redmond. Dazu passt, dass sich CEO Nadella erst zum Schluss mit einer sehr kurzen Präsentation zu Wort meldete.

Ein Jahr lang kostenloses Upgrade auf Windows 10

Zunächst konzentrierte sich Terry Myerson, Executive Vice President of Operating Systems Microsoft, auf Neuerungen, die bereits im Vorfeld als Gerüchte kursierten. So soll Windows 10 über alle Geräte, vom PC über Tablets bis zu Smartphones und Xbox One ein einheitliches Nutzergefühl bieten.

Laut Myerson habe Microsoft mit Windows 10 drei grundlegende Ziele verfolgt. Als erstes nannte er die "Mobility as Experience", worunter er ein unterbruchloses Arbeiten auf Geräten mit verschiedenen Formfaktoren verstand. Zweitens sei Microsoft Vertrauen sehr wichtig gewesen, daher soll die Kontrolle in der Hand des Kunden verbleiben. Zu guter Letzt sei eine "natürliche Interaktion" mit dem Gerät, etwa über Gesten, Sprache und Berührungen, zentral bei der Entwicklung gewesen.

Windows 10 soll die Antwort auf die Vielzahl von Geräten sein, die momentan den Arbeitsplatz und auch das Heim fluten, so Myerson. Alle Geräte sollen mit einem einheitlichen OS ausgestattet sein und miteinander interagieren können. Den ersten Paukenschlag lieferte er auch schon in seiner Präsentation. Myerson kündigte an, dass ein Upgrade von Windows 7, 8 und 8.1 auf Windows 10 ein Jahr lang kostenlos sein wird. Damit will "Windows 10 die Regeln des Spiels verändern", sagte er.

Dieses Upgrade sollte aber nicht als Geschenk missverstanden werden. Es ist zu vermuten, dass Microsoft mit diesem Angebot möglichst schnell viele User auf die neueste Version seines OS bringen will, der Erfolg bleibt abzuwarten.

Cortana als integraler Bestandteil

Danach gab Joe Belfiore, Corporate VP Operating Systems Group bei Microsoft, einen Einblick in die Windows-10-Oberfläche. Auf Anregung der über 1,7 Millionen Tester baute Microsoft einen Kompromiss zwischen den besten Features von Windows 7 und Windows 8 zusammen. Die Task-Leiste ist wieder da und es kann zwischen einem PC- und Tablet/Smartphone-Mode mit wenigen Bewegungen gewechselt werden.

Ein Schwerpunkt von Belfiores Präsentation war Cortana. Die intelligente Suchmaschine integrierte Microsoft gleich in die Task-Leiste von Windows 10. Schon bei der Suche gibt Cortana daher Vorschläge und auch Tipps. Laut Belfiore soll das Programm zum "persönlichen und vertrauten Assistenten" des Nutzers werden. Das Programm lerne ständig mehr über den Nutzer. Jedoch gibt es die Möglichkeit, dieses Lernspektrum zu beschränken und Cortana Grenzen aufzuzeigen, so Belfiore in seiner Präsentation weiter.

Momentan kann Cortana sechs Sprachen, demnächst soll es im Insider-Programm zum Testen zur Verfügung stehen. Wie bei Apples Siri reagiert Cortana auf natürliche Suchanfragen und liefert natürliche Antworten. Auch ist das Diktieren von Texten mit dem Programm möglich. "Cortana soll zu einem neuen Mitglied der Familie werden, welches den Nutzer ebenso gut kennt", schloss Belfiore seine Ausführungen zu Cortana ab.

Universal Apps über alle Plattformen

Was wäre ein einheitliches OS ohne Apps, die ebenfalls plattformübergreifend funktionieren? Daher hat Belfiore den Universal-App-Ansatz von Microsoft näher vorgestellt. Dieser soll prägend für Windows 10 werden. Belfiore zeigte, wie Office, Outlook, der Outlook-Kalender und auch die neue Photo-App über alle Geräte ein ähnliches Bedienerlebnis liefern. "Die Software soll für dich arbeiten", fasste Belfiore zusammen.

In der Outlook App soll künftig der gesamte Umfang der Word-Formatierungen verfügbar sein, war der Demo zu entnehmen. Microsoft arbeitet an weiteren Universal-Apps, die zu einem integralen Bestandteil der Windows-10-Erfahrung werden sollen. Belfiore zeigte beispielsweise eine People App zur Verwaltung der sozialen Netzwerke, eine Musik-App, mit der bald auch Musik über Onedrive gestreamt werden können soll, und eine Maps-App.

Internet Explorer adé?

Mit dem gestrigen Event hat Microsoft wohl auch seinen Internet Explorer zu Grabe getragen. Kein Wort verloren die Referenten über den Browser. Dafür wurde dessen Nachfolger, der die Projektbezeichnung Spartan trägt, näher vorgestellt. Dieser soll demnächst auch auf dem Phone in einer Testversion verfügbar sein.

Mit drei neuen Features soll er die Nutzer überzeugen. Als erstes zeigte Belfiore die Notizfunktion. Dabei können direkt Notizen auf Webseiten eingefügt werden. Dies sowohl mit einem Eingabestift, der Hand bei Touch-Displays oder auch der Tastatur am PC. Anschliessend lässt sich das so bearbeitete Dokument auch mit anderen teilen.

Mit dem neuen Reading-Mode werden Texte von Webseiten aufbereitet und in einem buchähnlichen Leseerlebnis präsentiert. Diese so bearbeiten Seiten lassen sich auch abspeichern und in einer Reading-List lokal verwalten. Zuletzt wurde auch Cortana mit in den Browser integriert. Belfiore zeigte, wie Cortana auf einer Restaurant-Webseite den Anfahrtsweg automatisch berechnete, das Menu auffand und mit Informationen zu unbekannten Gemüsesorten half.

Gaming auf nächste Ebene gehoben

Phil Spencer, Corporate Vice President der Microsoft Studios und Leiter des Xbox-Teams, zeigte auf, welchen Stellenwert Microsoft dem Thema Gaming künftig geben will. Mit dem Schlagwort "Personal Gaming" fasste Spencer die Ambitionen von Microsoft zusammen. Das Spielen soll zu einer "sozialen Aktivität werden", welches von Windows 10 unterstützt wird. Daher hat Microsoft mit seiner Universal Xbox App das soziale und interaktive Erlebnis in den Mittelpunkt gestellt. So lassen sich Spiele-Fortschritte und besondere Momente schnell mit Freunden teilen.

Auch ermöglicht die App das plattformübergreifende Spielen. Zum einen betrifft dies Multiplayer Games. So können verschiedene Gerätetypen auf eine Spielsession zugreifen und interagieren. Zusätzlich sollen sich bereits auf der Xbox One erworbene Spiele auf beliebige Windows-10-Geräte streamen lassen. Mit diesen Features will Microsoft den "Gamer in das Zentrum stellen und alles auf ihn ausrichten", so Spencer weiter.

Ausserdem ging Spencer noch auf das neue DirectX 12 ein. Dieses soll die Performance von Spielen deutlich steigern, auch auf älteren Geräten. Im Vergleich zur Vorgängerversion soll DirectX 12 nur noch halb so viel Strom verbrauchen, was besonders Spielen auf mobilen Geräten zu Gute kommen soll. Die Neuentwicklungen seien im Gaming-Bereich aber bei weitem noch nicht abgeschlossen. Weitere Ankündigungen sollen später im Jahr auf einer Gamer-Entwicklerkonferenz folgen.

Digitales Whiteboard Surface Hub

Microsoft präsentierte des Weiteren mit dem Surface Hub das erste Gerät, das speziell für Windows 10 entworfen wurde. Dabei handelt es sich um einen 84 Zoll grossen Bildschirm, der mit Kameras, Touch-Funktion, Mikrofonen und vielem mehr ausgestattet ist. Er soll Meetings "revolutionieren und beschleunigen", versprach Microsoft während der Präsentation.

Kommentare und Notizen lassen sich über den Schirm einfügen. Nach Ende des Meetings, welches auch über Skype for Business remote abgehalten werden kann, geht eine Kopie der bearbeiteten Materialien an alle Nutzer.

Microsoft geht aufs Holo-Deck

Die ganz grosse Überraschung hatte Alex Kipman, aus dem Bereich Outstanding Technical Leadership, im Gepäck. Er stellte eine Hologrammbrille namens Hololens vor. Mit dieser soll die digitale Welt Eingang in die reale Welt halten. Die Bilder der Präsentation waren beeindruckend. Frei schwebende digitale Modelle erfüllten den Raum in den Produktdemos. Kipman schwärmte von der Brille als Revolution für Architekten, Designer, Ärzte oder auch Gamer.

Dabei verfolgt Microsoft einen komplett anderen Ansatz als beispielsweise die Entwickler von Oculus Rift. Die Gläser der Brille sind durchsichtig, womit es zu einer Verschmelzung der digitalen mit der realen Welt kommen soll. Das Schlagwort war "unlock the screen". Microsoft sei es gelungen, "Science Fiction in Science Fact" zu verwandeln, betonte Kipman.

Die Brille soll mehrere Terabyte von Informationen verarbeiten können. Die Interaktion mit den Hologrammen ist über Gesten-, Sprach und Augensteuerung möglich, so Kipman. Die anwesenden Journalisten konnten nach der Präsentation Erfahrungen mit der Brille sammeln, die ersten Erfahrungsberichte dürften daher bald das Netz fluten.

Auch lud Microsoft Entwickler aus der gesamten Welt dazu ein, an der Weiterentwicklung der Technologie mitzuarbeiten. Noch in der Lebensspanne von Windows 10 soll die Brille als Produkt auf den Markt kommen, versprach Kipman.

Das letzte Windows?

Erst ganz zum Schluss der Veranstaltung trat CEO Nadella für wenige Minuten auf die Bühne. In seiner Präsentation betonte er noch einmal die "cloud first, mobile first"-Strategie des Unternehmens. Der Kunde stehe bei Microsoft im Mittelpunkt aller Entwicklungen und Überlegungen, daher auch die ausgiebige Testphase mit Windows 10.

Nadella sprach auch von Windows 10 als ein "As-a-Service"-Dienst. Daher vermutet das Portal Heise, dass Windows 10 das letzte Release sein könnte und Windows sich zu einem Abo-Dienst wandeln könnte. Auf Nachfrage von PC-Gamer stellte Myerson aber klar, dass Microsoft diesen Weg nicht gehen wolle. Vielmehr wolle Microsoft damit ausdrücken, dass künftig vermehrt kleinere Updates eingespielt werden sollen, anstelle grosser Service-Pakete wie in der Vergangenheit.

Die Entwicklung von Windows 10 habe alle Beteiligten mit viel Passion vorangetrieben, so Nadella. Seiner Präsentation war zu entnehmen, dass Microsoft mit dem neuen Betriebssystem den ganz grossen Wurf landen will. Das Produkt und der damit verbundene Mehrwert für den Kunden standen bei allen Präsentationen stets im Mittelpunkt. Auch neue Windows Smartphones wurden nur am Rande erwähnt.

Nadella schloss seine Präsentation mit den Worten: "Wir wollen Windows 10 zu dem meistgeliebten Windows-Release machen." Dies war das Ende eines höhepunktreichen Events. In den nächsten Wochen und Monaten werden weitere Test-Versionen von Windows 10 folgen. Das Unternehmen hält daran fest, das fertige Produkt in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt zu bringen, genauere Angaben gab es an dem Event aber noch nicht zu erfahren.

Ex-CEO Steve Ballmer zeigte sich auf Twitter begeistert, was von ihm aber auch nicht anders zu erwarten war.