X-Days 2015

"Wir müssen CEOs nicht mehr ins Silicon Valley schicken"

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Rollkoffer statt Rucksack: In Interlaken haben sich 450 Entscheider aus der Schweizer Wirtschaft zu den X-Days getroffen. Die Besucher suchten nach Ideen und Ansätzen, wie sie die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft für ihr Unternehmen nutzen können.

Gut 450 Entscheider aus der Wirtschaft trafen sich an den X-Days in Interlaken. (Quelle: Netzmedien)
Gut 450 Entscheider aus der Wirtschaft trafen sich an den X-Days in Interlaken. (Quelle: Netzmedien)

Gut 450 Business-Entscheider haben sich diese Woche in Interlaken zu den X-Days getroffen. Die Veranstalterin NZZ Konferenzen und ihre Keypartner Microsoft, EMC, Canon, Post und Swisscom hatten für dieses Jahr das Konzept überarbeitet.

Statt den Event für 1000 Besucher auszurichten, gab es Raum für die Hälfte. Ausserdem wurde das Referateprogramm überholt. Statt Produkte und konkrete Lösungen vorzustellen, präsentierten die Redner Ideen und zeigten die Folgen der digitalen Transformation auf.

Das neue Programm müsse sich aber noch weiterentwickeln, erklärte Microsofts Schweiz-Chefin Petra Jenner gegenüber Medienvertretern am ersten Tag des Events. Ein Prozess der zwei bis drei Jahre benötigen werde. Mit den neuen X-Days wolle man zeigen, dass es ein Event für die C-Level-Entscheider der Schweiz ist. Den Einwand, dass die X-Days nur mehr ein weiterer Füller im ohnehin schon vollen Terminkalender der Schweizer ICT-Branche ist, wollten die Veranstalter nicht gelten lassen.

Die Veranstalter brauchen den Event auch als Plattform, um potenzielle Kunden anzusprechen. Eine Verkaufsveranstaltung sollen die X-Days aber nicht mehr sein. Stattdessen sollen den Gästen Ideen vorgestellt und Impulse gegeben werden, wie sie mit der Digitalisierung umgehen können.

Auch KMU arbeiten an der Digitalisierung

Digitalisierung stehe heute auch bei KMU oben auf der Agenda, sagte Robert Gebel, Head of Business Development Swisscom Enterprise Customers. Die Digitalisierung sei aber ein Prozess der einem Top-Down-Ansatz folgen müsse. Viele europäische Unternehmen würden deshalb in nächster Zeit einen Chief Digital Officer.

Der grosse Vorteil der X-Days läge darin, dass Unternehmen ihre CEOs nicht mehr extra ins Silicon Valley schicken müssten, führte Jenner den Gedankengang Gebels fort. "Wir können die wichtigen Speaker nach Interlaken holen. Warum in die USA fliegen, wenn wir die guten Leute hier vor Ort haben?" Firmen könnten die Entscheider ebenso gut nach Interlaken entsenden.

Top-Redner

Das Programm war auch hochkarätig besetzt. Chris Anderson, CEO des Drohnenherstellers 3D Robotics, Jeremiah Owyang, Gründer von Crowd Companies, David Rose, Wissenschaflter am MIT oder Morten Lund, Mitgründer von Skype und Investor. Mit Dorian Selz, von Squirro und Manuel Grenacher von Mila waren die Schweizer Referenten in der Unterzahl.

Obwohl sich die Referate von einander unterschieden, schälten sich zwei Trends heraus, welche die Wirtschaft und die Gesellschaft in den kommenden Jahren immer stärker bewegen werden: Mobile und Collaborative Economy. Während der Mobile-Trend in den Köpfen der meisten angekommen sein dürfte, ist das Collaborative Economy verhältnismässig jung.

Collaborative Economy in der Schweiz

Uber und Airbnb sind zwar geläufige Begriffe. Doch waren das Unternehmen aus dem Silicon Valley, die halt ihr Ding machen. Grenacher konnte anhand eines konkreten Beispiels aufzeigen, wie sich der Collaboration-Ansatz auch in der Schweiz in Geschäftsmodelle wandeln lässt. Gemeinsam mit Swisscom hat sein Unternehmen Mila die Community Swisscom Friends ins Leben gerufen. Eine Art Nachbarschaftshilfe für technische Probleme. Wenn das neue Smartphone nicht richtig funktioniert, kann man auf der Webseite nach anderen Community-Mitgliedern suchen, die in der Nähe wohnen und einem zu Hause helfen können. Für Swisscom ein Zugewinn. Schafft das Konzept doch eine gewisse Nähe zum Kunden. Swisscom spart zudem noch Service-Mitarbeiter.

Der Vorteil der Collaborative Economy für Unternehmen betrifft auch andere Bereiche. Oft lassen sich erstaunlich viele Leute von einer Idee begeistern und treten einer Community bei. Dadurch lasse sich das Konzept rasch und kostengünstig skalieren. 1000 Helfer, die gegen einen Obulus, Ruhm und Ehre für einen arbeiten, oder 1000 Servicetechniker, die man anstellen müsste. Die Rechnung scheint da schnell gemacht. Der US-Unternehmer Jeremiah Owyang verdeutlichte den Einfluss dieses neuen Geschäftsmodells auch anhand von Zahlen.

Die Hospitality-Plattform Airbnb sei erst fünf Jahre alt, bietet selbst kein einziges Bett an und hat einen Wert von 13 Milliarden US-Dollar. Dabei sei es nur eine App, betonte Owyang. Inzwischen arbeiten nicht nur Privatleute für ein Start-up, wie etwa private Fahrer für den Taxidienst Uber. Das Konzept hat sich längst auf B2B-Ebene ausgedehnt. In den Staaten kooperiert die Bekleidungskette Gap mit lokalen Fahrradservices, damit ihre Mitarbeiter im Sommer mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen können.

Collaborative Economy auf B2B-Ebene

Im Winter können wiederum die Mitarbeiter des Fahrradverleihs für Gap arbeiten. Die X-Days boten in den Knowledge-Sessions auch Gelegenheit sich vertieft mit den Referaten auseinanderzusetzen. Owyang versuchte dabei die Teilnehmer dazu zu bringen eigene Lösungsansätze auszuarbeiten. In Brainstormings sollten die Zuhörer sich etwa überlegen, welche zusätzlichen Services sie für Ihre Kunden anbieten könnten. Oder wie sie einen Marktplatz aufbauen können. Swisscom könnte etwa einen Marktplatz für gebrauchte Smartphones aufbauen, war ein Ergebnis der Übung.

In welche Zukunft die präsentierten Ideen führen könnten, verdeutlichte Tech Guru Loïc Le Meur. Menschen arbeiten, weil es ihnen Freude bereitet. "Wir werden hunderte Millionen von Freelancern sehen", prophezeite er.

Gutes Feedback

Die Besucher schätzten die Ausrichtung der neuen X-Days. In den vergangen Jahren seien die X-Days zu einer Art Techmesse wie die Orbit oder Cebit verkommen. Den Veranstaltern sei es dieses Jahr gelungen, den Besuchern Ideen mit auf den Weg zu geben.

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