"Wild Card" von Daniel Liebhart

Der denkende Laden

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Einkaufen ohne Personal und Kasse im Lebensmittelgeschäft ist erst der Anfang. Die nächste Generation von Shops wird uns ganz neue Einkaufserlebnisse bescheren. Nichts wird mehr sein wie zuvor.

(Source: Nmedia / Fotolia.com)
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Wir kaufen gerne ein. Knapp die Hälfte unseres Geldes geben wir für den privaten Konsum aus. Im vergangenen Jahr waren das 371,4 Milliarden Franken, also etwas mehr als 42 500 Franken pro Kopf. Wiederum etwa die Hälfte davon lassen wir gemäss der Haushaltserhebung des BFS in den mehr als 50'000 Einzelhandelsgeschäften und in den über 20'000 Gastronomiebetrieben der Schweiz liegen. Einkaufen und Essen ist Teil unseres Alltags. Und genau das verändert sich gerade sehr stark. Veränderungen prägten zwar diese Geschäfte und Betriebe schon immer, wie etwa die CRIF-Studie zum Ladensterben oder der Marktspiegel von "Gastro Suisse" zeigen. Was uns jedoch jetzt bevorsteht, geht weit über das Übliche hinaus.

Das überschätzte Onlinegeschäft

"E-Commerce ist nicht die Kirsche auf der Torte. E-Commerce ist die Torte", soll Jean-Paul Agon, ehemaliger CEO und heutiger VRP von L’Oréal, am Internet World Congress 2017 gesagt haben. Er nahm an, dass das Onlinegeschäft den traditionellen Einzelhandel schnell verdrängen werde. Heute, rund fünf Jahre später, sieht die Realität anders aus. Mit einem Umsatzanteil von 12 Prozent am Detailhandel in der Schweiz und knapp 5 Prozent an unseren gesamten Ausgaben für Konsumgüter ist der Onlinehandel auch 2022 nach wie vor eine Nische. Auch wenn der Onlinehandel gegenüber dem stationären Handel stärker wächst, wird das wohl auf absehbare Zeit noch so bleiben.

Der Laden von morgen

Unsere Ladengeschäfte werden flexibler, einfacher und nachhaltiger sein und uns damit ganz neue Einkaufserlebnisse bescheren. Wie etwa ein Laden, der rund um die Uhr geöffnet ist und der ohne Personal und Kasse auskommt. Der Mini-Supermarkt "Voi Cube" von Migros in Grenchen etwa lässt sich per Smartphone öffnen und das Gekaufte wird per Self-Check-out bezahlt. Und das rund um die Uhr. Rewe, die Nummer zwei im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland, geht sogar noch weiter. So fehlt im Tiny-Store die Self-Check-out-Kasse, da die Waren gleich bei der Entnahme aus dem Regal mit dem Handy gescannt werden. Mit dem Snack Mobil, einem kleinen autonomen Fahrzeug, kommt der Laden sogar zum Kunden gefahren.

In der Gastronomie zeichnen sich ähnliche Entwicklungen ab. Burger King stellte vor zwei Jahren sein "Restaurant of Tomorrow" vor. Es kommt ohne Bedienung und mit einer 60 Prozent kleineren Fläche aus. Die Bestellung erfolgt per Smartphone und die Lieferung wird über Fliessbänder zu Entnahmestellen transportiert, die sich sowohl für den stationären als auch für den Drive-in-Betrieb eignen. Das "Mobile-Focused-Restaurant" ist rund um die Uhr geöffnet.

Diese Entwicklungen werden sich in absehbarer Zeit auch in anderen Ladentypen durchsetzen. Wer möchte nicht ein Ladengeschäft, das rund um die Uhr geöffnet ist und erst noch dahin kommt, wo man sich gerade befindet? Und das auch noch einen kleineren ökologischen Fussabdruck hinterlässt als ein konventioneller Laden?

Doch es geht sogar noch einen Schritt weiter. So bieten das Amsterdamer Modelabel "The Fabricant" oder das Label "Tribute Brand" Kleider an, die statt aus Stoff nur aus Pixeln bestehen. Diese Kleider sind nur in limitierter Auflage erhältlich, teilweise sogar nur als Einzelstücke. "Digital Fashion" heisst dieser Trend. Der entsprechende Laden würde dann aus einer hochauflösenden 3-D-Kamera und einem lebensgrossen Bildschirm bestehen.

"Rekonfiguration des Charakters des Raumes durch digitale Technologie" nennen die Herausgeber des Magazins "Interactions" diese Entwicklungen in ihrer aktuellen Ausgabe. Da kommt was auf uns zu!

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