Das Stethoskop

Das Ländle kann digitale Gesundheit

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von Jürg Lindenmann, Geschäftsführer, Health-IT

Unser Nachbar zeigt uns mit seinem elektronischen Gesundheitsdossier, wie man Digitalisierung im Gesundheitswesen umsetzt.

Jürg Lindenmann, Geschäftsführer, Health-IT. (Source: zVg)
Jürg Lindenmann, Geschäftsführer, Health-IT. (Source: zVg)

Am 1. Januar 2023 sind im Fürstentum Liechtenstein, eineinhalb Jahre nach der Verabschiedung des Gesetzes über das elektronische Gesundheitsdossier (EGDG), 40 000 Dossiers onlinegegangen. Ohne grosses mediales Brimborium und ohne, dass es in der Schweiz gross bemerkt wurde. Seither können alle Krankenversicherten im Fürstentum Liechtenstein ohne speziellen Onboarding-Prozess davon Gebrauch machen. Denn die staatliche E-ID wird bereits von zwei Dritteln der Bevölkerung genutzt und ist mit dem Gesundheitsdossier verknüpft. Und das zu im Verhältnis zur Dossierzahl überschaubaren Kosten. Ab Juli 2023 stellen alle Leistungserbringer die im Gesetz definierten medizinischen Daten in jene Dossiers ein, die nicht durch einen Widerruf (bis dato nur rund 500 Personen) von ihren Inhabern gesperrt wurden, beziehungsweise werden. Im Gegensatz dazu ist es den meisten Leistungserbringern in der Schweiz exakt drei Jahre nach Einführung des EPD noch immer nicht möglich, die medizinischen Berichte des Autors in sein mühsam erkämpftes EPD hoch­zuladen.

Erfolgsfaktoren

Was sind die Gründe, warum das Fürstentum Liechtenstein dies besser hinbekommt? Das wird offensichtlich, wenn man sich das Gesetz (LR-Nr 815.1) und die Verordnung (LR-Nr 815.11) zu Gemüte führt (www.gesetze.li/konso/­2021213000).

  1. Es werden alle Gesundheitsdienstleister verpflichtet, ­Daten ins elektronische Gesundheitsdossier (EGDG) ­einzustellen.
  2. Alle Versicherten erhalten, basierend auf einer eindeutigen sektoriellen Identifikationsnummer, ein Dossier und können bei Bedarf und einfach durch Widerruf auf eine ­Befüllung ­ihres EGDG mit medizinischen Daten verzichten.
  3. Die Hoheit über die Daten bleibt allein beim Dossier­inhaber.
  4. Das Gesetz definiert, welche Daten ins Dossier einzustellen sind, lässt aber bewusst Freiräume zu, dass die Interessengruppen (wie z. B. die Liechtensteinische Ärztekammer) selbst definieren können, welche Daten sinnvollerweise in ­einem Dossier abgelegt werden sollen.
  5. Es werden kaum technische Vorgaben für die Umsetzung gemacht, ausser dass natürlich an den Datenschutz und an die IT-Sicherheit höchste Ansprüche gestellt werden.
  6. Die Finanzierung erfolgt staatlich und wird nicht den Leistungserbringern zusätzlich zum Aufwand, der mit dem Einstellen der Daten verbunden ist, mit einem «konstruierten» Nutzen für sie aufs Auge gedrückt; lediglich für eine optionale integrierte Anbindung eigener Primärsysteme müssen die Leistungserbringer selbst aufkommen. 
  7. Es wird auf komplexe Konzepte wie Gesundheitsfachpersonen und auf ein monströses, kostenintensives Zertifizierungssystem (TOZ) verzichtet.

Die erfolgreiche technische Umsetzung erfordert unter solchen Rahmenbedingungen lediglich noch professionelles Projekt­management, einen guten Lösungspartner und den Einbezug der Akteure.

Das geht bei uns nicht oder Management by Erfa-Gruppe

In der Schweiz gibt es tausend Gründe, Ausreden, Erklärungen und vor allem aber die kollektive Verantwortungslosigkeit, die dafür herhalten müssen, warum das mit dem EPD nicht funktioniert hat. Behörden gehen bei Problemen oft nach dem Motto vor, erst einmal eine Arbeitsgruppe oder ein Gremium zu gründen, in dem sich dann ausgiebig Experten, meist fern von praktischem Wissen und Erfahrung, bis ins Detail mit Randproblemen beschäftigen. Das nun offensichtliche Fiasko des EPD wird weiterhin mit demselben Mix aus Gremien, Lobbyverbänden und Arbeitsgruppen bekämpft, die bereits am vorigen Ergebnis mitgewerkelt haben.
Es ist erstaunlich, dass noch niemand aus diesen EPD-Gremien nach Vaduz gepilgert ist, um zu erfahren, wie man es besser machen könnte. Dazu passt auch exemplarisch, dass kürzlich eines dieser Gremien eine geplante Vorstellung des EGDG aus zeitlichen Gründen wieder aus dem Programm geworfen hat.

Fazit

Die geplante Revision des EPD kann nur gelingen, wenn die Bereitschaft dazu da ist, aus diesem Gewirr von Überheblichkeit, fehlendem Praxisbezug, Lobbyismus und Beratungsresistenz auszubrechen und die positiven Erfahrungen des EGDG im Fürstentum Liechtenstein zu adaptieren. Im Ländle hätte man bestimmt nichts dagegen, wenn das EGDG kopiert würde. Vielleicht wird es dann dem Autor noch vor der Pensionierung gelingen, seine medizinischen Berichte im EPD vorzufinden.

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