Partner-Post Dossier in Kooperation mit eHealth Suisse

Austauschformate: Fundament für ­interoperable Gesundheitsdaten

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von Isabelle Gassmann und Patrick Jolo, eHealth Suisse

Austauschformate ermöglichen die strukturierte, standardisierte und automatisierte Verarbeitung von Gesundheitsdaten – im EPD und darüber hinaus. Sie sind eine zentrale Voraussetzung für ­Interoperabilität und moderne, digital gestützte Prozesse im Gesundheitswesen.

Isabelle Gassmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin Kommunikation, und Patrick Jolo, wissenschaftlicher Mitarbeiter Austauschformate, eHealth Suisse. (Source: zVg)
Isabelle Gassmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin Kommunikation, und Patrick Jolo, wissenschaftlicher Mitarbeiter Austauschformate, eHealth Suisse. (Source: zVg)

Ein Austauschformat definiert, wie medizinische Informationen strukturiert, codiert und übertragen werden, damit sie maschinenlesbar und systemübergreifend nutzbar sind. Entscheidend ist, dass Daten nicht nur digital verfügbar, sondern auch automatisiert gelesen und verarbeitet werden können.

Ein Medikationsplan als PDF ist für Menschen verständlich, für Systeme jedoch kaum nutzbar. Wird derselbe Plan im HL7-FHIR-Format übermittelt, kann er automatisch analysiert werden, etwa zur Wechselwirkungsprüfung oder Entscheidungsunterstützung. Genau hier liegt der Kernnutzen: Nur wenn Computer Informationen verstehen und untereinander austauschen können, lassen sich zeitaufwendige manuelle Tätigkeiten automatisieren, Fehler vermeiden und Effizienz im Gesamtsystem steigern.

Im Zeitalter der Mobilität und der freien Arztwahl finden sich Gesundheitsinformationen einer Person, wie etwa Laborwerte, Diagnosen oder Behandlungsberichte, oft verstreut über diverse Systeme. Austauschformate sind entscheidend, um diese Daten effizient zusammenzuführen und autorisierten Fachpersonen eine vollständige Sicht auf die Patientengeschichte zu ermöglichen – eine zentrale Grundlage für fundierte Behandlungsentscheide.

Einsatz im EPD und darüber hinaus

Mit dem elektronischen Patientendossier (EPD) gibt es in der Schweiz erstmals einen einheitlichen, rechtlich geregelten Kommunikationskanal für behandlungsrelevante Gesundheitsinformationen. Bisher tauschen viele Leistungserbringer ihre Daten vor allem über PDFs aus – für die automatisierte Nutzung durch Computer sind diese jedoch kaum geeignet. Mit den gesetzlich verankerten Austauschformaten (etwa für Medikationspläne, Impfungen oder Allergien) stehen zunehmend strukturierte, interaktive Formate bereit, die eine automatisierte Verarbeitung erlauben. Diese sind im Anhang 4 der EPD-Verordnung festgelegt und auch ausserhalb des EPD nutzbar. 

Austauschformate sind damit nicht nur Grundlage für das EPD, sondern auch zentrale Bausteine für nutzerzentrierte, moderne digitale Anwendungen im Gesundheitswesen. Damit sie wirken, müssen Primärsysteme in Praxen, Spitälern oder Apotheken die Formate unterstützen. Nur wenn alle Systeme dieselben Standards verwenden, gelingt der interoperable Datenaustausch.

Technische Standards und nationale Umsetzung

Die Schweiz setzt bei E-Health auf internationale Standards wie HL7 FHIR; nationale Profile (z. B. Medikationsplan, Impfungen, IPS) werden von eHealth Suisse entwickelt. Seit 2025 koordiniert ehealthstandards.ch deren Einsatz. «Es gibt diverse Standards, die unterschiedliche Aspekte abdecken – für ein digital vernetztes Gesundheitswesen müssen diese Standards aufeinander abgestimmt sein», sagt Adrian Schmid. Marc Oertle ergänzt: «Erst wenn Daten auch strukturiert ausgetauscht werden, entsteht echter Mehrwert für die Versorgung.»

Baustein nationaler Digitalstrategien

Programme wie DigiSanté und der damit geförderte Gesundheitsdatenraum Schweiz (SwissHDS) setzen auf interoperable Austauschformate. Nur standardisierte Daten erlauben sektorenübergreifende Prozesse, digitale Behördenleistungen oder datenbasierte Versorgungsmodelle. Zugleich schaffen sie die Basis für innovative Lösungen wie patientennahe Apps, KI-gestützte Analysen oder eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Public Health.


"Viele Systeme können FHIR-Daten zwar darstellen, aber nicht verarbeiten"


Standardisierte Formate zum Austausch von Gesundheitsdaten gibt es zwar, doch nicht alle IT-Lösungen sind dafür bereit. Patrick Jolo, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei eHealth Suisse, sagt im Interview, was die Einführung erschwert und wie Patienten von Austauschstandards ­profitieren können. Interview: René Jaun

Was sind die grössten Hürden bei der flächendeckenden Einführung von Austauschformaten wie HL7 FHIR in der Schweiz? 

Patrick Jolo: Das Interesse an FHIR ist da, doch Hersteller und Spitäler haben unterschiedliche Erwartungen: Hersteller sehen eine fehlende Nachfrage, Spitäler erwarten eigeninitiativ angebotene Lösungen. Viele Systeme können FHIR-Daten zwar darstellen, aber nicht automatisiert verarbeiten oder in Primärsysteme integrieren. Dadurch bleibt die Interoperabilität eingeschränkt. Zudem ist HL7 V2 weit verbreitet und deckt viele Anforderungen ab, auch wenn es für den institutionsübergreifenden Austausch nicht ausreicht – wofür FHIR eigentlich entwickelt wurde.

Wie gut ist das elektronische Patientendossier (EPD) mit strukturierten Austauschformaten kompatibel – und wo sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten?

Das EPD ist sehr gut mit Austauschformaten kompatibel, was im Anhang 4 der EPDV-EDI verbindlich festgelegt ist. Nach Übergangsfristen müssen Formate korrekt umgesetzt und maschinenlesbare Codes verständlich darstellbar sein. Für den Austausch strukturierter Daten eignet sich das EPD besonders gut. Wünschenswert wären bessere Visualisierungen, etwa grafische Darstellungen von Laborwerten, um Entwicklungen für Patientinnen und Patienten leichter verständlich zu machen.

Warum müssen internationale Datenstandards für die Schweiz überhaupt angepasst werden? Und was sind dabei die grössten Herausforderungen?

FHIR folgt einer 80-20-Regel. Rund 80 Prozent der typischen Anwendungsfälle werden durch den internationalen Standard abgedeckt. Die restlichen 20 Prozent erfordern nationale Anpassungen, etwa nationale Terminologien, Mehrsprachigkeit, länderspezifische Daten wie AHV-Nummer oder Heimatort sowie Gesetze und regulatorische Vorgaben, die in den Austauschformaten berücksichtigt werden müssen.

Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich da, wenn es um standardisierte Gesundheitsdatenformate geht?

Die Schweiz hat international anerkannte Austauschformate, doch deren praktische Umsetzung hinkt hinterher. Mit Initiativen wie Digisanté und dem Gesundheitsdatenraum Schweiz (SwissHDS) gibt es jedoch gute Chancen, den Rückstand aufzuholen und FHIR landesweit zu etablieren.

Welche Bedeutung messen Sie dem Netzwerk ehealthstandards.ch bei – gerade im Hinblick auf die Förderung der Interoperabilität?

Früher arbeiteten sieben Standardisierungsorganisationen parallel ohne Abstimmung. Mit ehealthstandards.ch werden sie erstmals koordiniert. Dadurch lassen sich Doppelarbeit und widersprüchliche Ansätze vermeiden. Das Netzwerk legt die Basis für abgestimmte Standards, unterstützt eHealth Suisse und Digisanté und kann eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Interoperabilität einnehmen.

Wie können Patientinnen und Patienten heute oder in naher Zukunft ganz praktisch von Austauschformaten profitieren?

Schon heute profitieren Patientinnen und Patienten, etwa durch standardisierte Medikationspläne im HL7-FHIR-Format, die Wechselwirkungsprüfungen und Entscheidungsunterstützungen erlauben. So werden Fehler reduziert und die Therapiesicherheit verbessert. Auch Behandlungswechsel und Notfälle werden durch den schnellen Zugriff auf strukturierte Daten erleichtert. Künftig könnten Gesundheitsanwendungen umfassende Übersichten bieten, Risiken frühzeitig erkennen und KI-gestützt Warnhinweise oder Unterstützung bei chronischen Krankheiten liefern.

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