"Die Zukunft gehört den Webanwendungen"
Ralph Goedecke, seit Juli Vorstand der ARP-Gruppe, denkt im Gespräch über die Zukunft des B2B-Geschäfts mit ICT-Produkten nach. Er erklärt, weshalb die Shops intelligenter werden müssen, warum die Mitarbeiter das höchste Gut sind und ein selbst entwickeltes Front-End besser ist als eine Standardlösung.

Herr Goedecke, Sie sind nun gut ein Vierteljahr Vorstand der ARP-Gruppe – was ist gut gelaufen in dieser Zeit?
Sehr gut gelaufen ist die Entwicklung der gesamten Gruppe. Wir konnten deutlich stärker wachsen als der Markt insgesamt, und das in allen Zielmärkten. Das gilt aber nicht erst für die Zeit, seit der ich Vorstand bin, sondern schon seit jeher. Ich freue mich auch über die internationale Expansion, die wir vorantreiben. Wir wollen neben der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und den Niederlanden auch in weitere europäische Länder expandieren. Schön ist auch, dass wir den Standort Schweiz, wo sich ja die Firmenzentrale befindet, weiter ausbauen konnten und auch weiterhin ausbauen werden. Generell wachsen wir an allen Standorten und stellen neue Mitarbeiter ein.
Was ist weniger gut gelaufen?
Ich habe es noch nicht geschafft, aus dem 24-Stunden-Tag endlich einen 48-Stunden-Tag zu machen. Das ist insofern unangenehm, als ich noch nicht die Zeit gefunden habe, alle Standorte persönlich kennenzulernen. Das Büro in Taiwan mit acht Mitarbeitern beispielsweise konnte ich bisher noch nicht besuchen.
Und von den Prozessen her?
Da sind wir sehr gut aufgestellt, was aber nicht heissen will, es gäbe keine Chancen.
Wie sind Sie organisiert?
Die Schweizer Zentralbereiche stellen intern Leistungen zur Verfügung – die Ländergesellschaften konzentrieren sich auf den Vertrieb. Die Logistik läuft über unsere Partner in der Distribution oder über eigene Lager.
Wie sieht Ihre E-Commerce-Infrastruktur aus?
Unsere Systemlandschaft befindet sich gerade im Wandel. Als ERP betreiben wir ein SAP-System für alle Back-End-Prozesse. Die einzige Ausnahme ist der Vertrieb. Dort migrieren wir gerade zu einer Microsoft-Lösung. Auf der Seite des E-Commerce entwickeln wir eine eigene Plattform.
Warum denn das?
Die zentrale Frage ist, wie wir uns am Markt differenzieren können. Auf der einen Seite gibt es die Back-End-Prozesse – dort pflegen wir einen Ansatz gemäss Best Practice. In diesem Bereich müssen und können wir von optimierten Prozessen profitieren, die uns Standardsoftware bietet. Aber in Richtung Kundschaft zählen Alleinstellungsmerkmale. Und Alleinstellungsmerkmale und Standardsoftware beissen sich bis zu einem gewissen Grad. Das sage ich aus der Position einer Firma heraus, die jahrelang ihre Shop-Standardlösung durch Eigenentwicklungen modifiziert hat, damit sie so funktioniert, wie sie es heute tut. Mit der neuen Lösung wollen wir das Front-End gleich von Anfang an so gestalten können, dass es unseren Vorstellungen und vor allem denen unserer Kunden entspricht. Im E-Commerce-Front-End handelt man sich mit proprietären Lösungen auch keine übermässigen Wartungskosten ein. Die notwendigen Updates halten sich selbst über die Ländergrenzen hinweg in Grenzen.
Das Front-End entwickeln Sie mit Bordmitteln?
Ja, aber wir bedienen uns schon einer Plattform, die bereits Bibliotheken mit vorgefertigten Funktionen bietet. Wir arbeiten also nicht auf der grünen Wiese oder nur mit einer Programmiersprache ausgerüstet. Die Plattformen sind sehr modular und die Richtung, in die wir gehen, kann man unter dem Stichwort Personalisierung zusammenfassen. Die Welt wird immer komplexer, das Sortiment immer grösser. Das erschwert die Orientierung für unsere Kunden. Unsere Aufgabe sehen wir darin, den Kunden eine Übersicht über den ganzen IT-Dschungel zu geben. Das heisst: Der einzelne Kunde erhält nur noch die Funktionen, die er braucht, und das geht nur mit modularem Aufbau und einem ausgefeilten Berechtigungskonzept. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Intelligenz des Systems. Die Lösung soll so weit mitdenken, dass sie die Komplexität im Front-End senkt.
Wie muss ich diese Intelligenz verstehen?
Das fängt schon bei der Suche an. Ich muss in der Lage sein, zu sagen, wer sucht und was er sucht. Ich muss bestimmte Dinge für den Kunden vordenken, hier gibt es verschiedene Techniken wie Data Mining, Ähnlichkeitssuche und Ähnliches.
Ist es bezüglich Datenschutz eine grosse Sache, aus der Schweiz heraus E-Commerce für verschiedene europäische Länder zu betreiben?
Das funktioniert sehr gut, weil wir auch im Rechenzentrum sehr international aufgestellt sind. Wir lösen das länderspezifisch. Die Anforderungen hierzu kommen aus den Ländergesellschaften, die die Vorgaben dort gut kennen.
Heute gilt Multichannel als zukunftsweisendes Konzept für den E-Commerce. Planen Sie etwas in dieser Richtung?
Nicht im Sinne von lokalen Shops. Es wird zunächst bei dem einen Computermarkt in Rotkreuz bleiben, den wir heute betreiben. Der hat einen historischen Hintergrund und er läuft auch sehr gut. Sein Vorteil ist die Nähe zum Hauptlager. Deshalb steht dort jedem Kunden ein grosses Sortiment zur Verfügung. Wir wollen das aber nicht weiter ausbauen, weil wir den Schwerpunkt im B2B-Geschäft haben. Unsere grosse Stärke ist ja die persönliche Betreuung unserer B2B-Kunden. Wir können ihnen Systemanbindungen bieten bis hin zu Shop-Integration, EDI und so weiter. Und hierfür brauchen wir keinen Laden. Da stehen vielmehr schlanke Beschaffungsprozesse bei unseren Kunden im Vordergrund.
Wie weit fragt Ihre Kundschaft nach mobilen E-Commerce-Lösungen?
Wir spüren eine deutliche Nachfrage nach mobilen Lösungen. Wir haben auch kürzlich eine iPhone-App lanciert. Zuvor hatten wir uns aber sehr genau gefragt, was wir mit einer solchen App genau erreichen wollen, und welchen Mehrwert wir der Kundschaft damit bieten können. Im ersten Schritt haben wir uns für eine App für die Tonerbeschaffung entschieden. Jemand, der Toner braucht, kann mit seinem iPhone zu seinem Drucker gehen. Dort gibt er den Hersteller und den Typ ein und erhält dann eine Liste mit Tonern, die zum Drucker passen. Er sieht die für ihn gültigen Preise und kann direkt vom iPhone aus bestellen.
Und die Kundschaft hat das gut angenommen?
Das kann ich noch nicht genau sagen. Wir haben die App erst vor eineinhalb Monaten live geschaltet und fangen gerade an, sie zu vermarkten. Aber wir haben erste Testkunden, die schon erfolgreich damit arbeiten.
Wie sieht Ihre Strategie für die Zukunft aus – App oder Webanwendung?
Das ist eine gute Frage. Wenn ich das aus Sicht eines ITlers betrachte, der ich im Herzen auch immer noch bin, dann bin ich gegenüber proprietären Apps grundsätzlich etwas gespalten. Mit dem Web haben wir ja eine Infrastruktur geschaffen, die uns von Sachzwängen wie Hardware und Betriebssystem weitgehend befreit hat. Wir konnten endlich Applikationen entwickeln, die fast auf jedem System laufen. In dieser Hinsicht sind Apps ein Schritt zurück in Richtung proprietärer Anwendungen. Und damit fragt man sich natürlich gleich wieder, welche der Plattformen und Anwendungen sich in Zukunft durchsetzen werden. Ich glaube, wenn die Anzahl der zu unterstützenden mobilen Plattformen weiter steigt, werden Apps rasch ein Problem. Die Entwicklung und die Pflege werden einfach zu teuer. Deshalb bin ich nach wie vor überzeugt, dass die Zukunft den Webanwendungen gehört. Ich glaube auch, dass uns hier die Entwicklung hin zum Tablet entgegenkommt. Für deren vergleichsweise grosse Bildschirme lassen sich bedienerfreundliche Webanwendungen deutlich einfacher schreiben als für Smartphones.
Planen Sie denn schon etwas Richtung mobile Site?
Wir denken in Richtung einer mobiloptimierten Weblösung. Aber wir behalten die anderen Plattformen auch im Auge. Wenn wir also Handlungsbedarf sehen, beispielsweise unsere Toner-App für Android anzubieten, werden wir das tun. Wir werden aber sicher nicht grundsätzlich auf alle Plattformen springen.
Ein weiteres Reizthema sind ja Social Media – was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Dafür haben wir eine Strategie und seit kurzem auch schon einen dedizierten Social Media Manager bei uns am Standort Rotkreuz. Er hat im Moment zwei Aufgaben: Zum einen kümmert er sich um die Bedienung der unterschiedlichen Plattformen. Damit wollen wir ARP für bestehende und potenzielle Kundschaft greifbarer machen. Zum anderen geht es auch darum, über diese neuen Kanäle potenzielle neue Mitarbeiter anzusprechen. Wir wollen ja wachsen, und hierfür brauchen wir die richtigen Menschen an Bord. Social Media sind in dieser Hinsicht eine ausgezeichnete Visitenkarte. Und sie sind eine viel authentischere Visitenkarte als Marketing und PR. Deshalb ist es wichtig, dass sich unsere Mitarbeiter mit Social Media beschäftigen und in der Lage sind, nach aussen ein authentisches Bild von uns zu vermitteln.
Wie authentisch darf das Bild denn wirklich sein – Stichwort Social-Media-Richtlinie?
Diese Richtlinien sind bei uns gerade noch in Arbeit, deshalb kann ich noch nicht viel Konkretes dazu sagen. Aber bei uns ist der Dialog zwischen den Menschen ein wichtiges Element der Firmenphilosophie. Deshalb wollen wir auch in den Social Media nichts steuern. Diese Plattformen sollen nicht zum Absetzen von Marketingbotschaften genutzt werden, sondern um mit Kunden oder potenziellen Mitarbeitern in den Dialog zu treten.
Also vor allem als Feedback-Kanal?
Ja, und wir haben auch keine Angst davor, dass hier etwas losgetreten werden könnte, was uns nicht gefällt. Wir sind froh, wenn Themen, die uns wichtig sind, und Entwicklungen bei ARP oder am Markt diskutiert werden. Es ist doch eine alte Weisheit: Über uns gesprochen wird so oder so – jetzt haben wir bloss die Wahl, am Gespräch teilzunehmen oder eben nicht. Ich bevorzuge Ersteres.
Wirken sich die verstärkten Direktvermarktungsaktivitäten der Hersteller auf Ihre Geschäfte aus?
Wir spüren hier keinen negativen Einfluss. Das sehen wir an unserem profitablen Wachstumskurs. Wir pflegen ein sehr partnerschaftliches Verhältnis zu unseren Lieferanten und Herstellern – in guten und in schwierigen Zeiten. Und zu einer partnerschaftlichen Beziehung gehören auch gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen. Und das ist zwischen uns und unseren Partnern gegeben.
Wie kommen Sie mit dem Währungschaos zurecht?
Wir haben momentan in der Schweiz keine alarmierende Situation. Und wir sehen insbesondere keinen Grund, Produkte jetzt woanders zu sourcen. Das wäre auch genau das Falsche für die Schweiz, für unsere Partner in der Distribution und die Hersteller. Wir müssen vielmehr darauf achten, dass wir gerade jetzt die Binnennachfrage stärken und somit unseren Teil beitragen, die Situation zu entspannen.
Wo liegen bei Ihnen die grossen Brocken, die es in Zukunft zu stemmen gilt?
Die eine Aufgabe ist sicher, den Onlineshop zu vereinfachen und zu personalisieren. Wie schon erwähnt: Wir brauchen einfach mehr Intelligenz im Shop. Die Zeit, die ein Nutzer auf einer Onlineplattform zu verbringen bereit ist, wird immer kürzer. Wir müssen in der Lage sein, ihm auch künftig das Ergebnis zu liefern bezüglich Geschwindigkeit, Qualität und Zeitaufwand, das er erwartet. Auch eine wichtige Aufgabe ist die weitere Entwicklung des Geschäfts mit den öffentlichen Verwaltungen, das wir in einem Unternehmensbereich fokussieren. Aber etwas vom Wichtigsten überhaupt ist die Gewinnung neuer, motivierter und qualifizierter Mitarbeiter. Unser Geschäftsmodell funktioniert durch die Menschen im Unternehmen. Unsere Mitarbeiter sind die Basis unseres Erfolgs und unser höchstes Gut. Es macht grossen Spass, mit so wundervollen Kollegen zusammenarbeiten zu dürfen. Neue Mitarbeiter zu finden, die diesen ARP-Spirit teilen und leben, ist mit Sicherheit eine der wichtigsten Herausforderungen in der Zukunft.
Und wie sieht es bei Ihrem IT-Personal aus?
Wir haben ausgezeichnete Leute, und das Schöne ist: Ausgezeichnete Leute ziehen ebensolche an. Darauf setzen wir. Ich bin überzeugt, dass persönliche Empfehlung die beste Art der Mitarbeitergewinnung ist.

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