Im Gespräch mit Veeam-CEO Ratmir Timashev

"Ab 5 Milliarden könnte ich mir vorstellen, Veeam zu verkaufen"

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Ratmir Timashev, CEO des Softwareherstellers Veeam, hat der Schweiz eine Stippvisite abgestattet. Das Unternehmen verspricht sich einiges von der Cloud. Passend dazu lud Timashev zu einem Gespräch ins Zürcher Clouds ein.

Auch wenn Ratmir Timashev, CEO des Softwareherstellers Veeam, heute in den USA lebt und sein Team in St. Petersburg forscht: Der Hauptsitz des Software-Unternehmens ist in Baar und das nicht nur der niedrigen Steuern, der Landschaft und der guten Luft wegen, wie Timashev betont. Die Bereiche strategisches Management, Planung und die Entwicklung der Produktstrategie sind ebenfalls hierzulande angesiedelt. Seit Juni arbeitet Timashevs Gründungspartner und CTO von Veeam Andrei Baronov von Baar aus. Das Exekutiv-Team sei aber grundsätzlich über die globalen Standorte verteilt. Für Timashev ist es wichtig, dass Veeam als internationale Firma auftritt und als solche wahrgenommen wird. Veeam sei kein nationales Unternehmen mit internationalen Standorten, erklärt er anlässlich eines Hintergrundgesprächs im Zürcher Clouds.

Die frühen Chancen genutzt

Das mag wohl auch an der Geschichte des Unternehmens und seiner Gründer liegen. "Um erfolgreich zu sein, müssen Sie drei Grundsätze erfüllen", sagt der Unternehmer Timashev: "Sie müssen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und ein brillantes Produkt kreieren." Zusätzlich dürften auch glückliche Umstände helfen. So wie in Timashevs Fall: Es ist Anfang der 1990er Jahre. Der junge Ratmir Timashev beginnt nach seinem Physik-Studium eine Doktorarbeit am Moscow Institute of Physics and Technology (MIPT).

Doch es ist wohl weder der richtige Ort und auch nicht die Zeit. Wieso auch? Der eiserne Vorhang ist gefallen, talentierten jungen Menschen aus dem ehemaligen Sowjetreich steht plötzlich nicht mehr die Sowjetunion, sondern die ganze Welt offen. Timashev wird sein Doktorat nie abschliessen. Stattdessen nutzt er die Chance der offenen Grenzen und wechselt in die USA an die Ohio State University. Dort startet er erneut als Doktorand. Er verlässt die Hochschule aber nicht als Wissenschaftler, sondern als Entrepreneur.

Mit seinem Partner Baronov beginnt er 1995 PC-Teile online zu verkaufen. "Wir starteten im gleichen Jahr wie Amazon-Gründer Jeff Bezos mit dem Online-Handel", betont Timashev. Mit ihrer Firma Aelita Software spezialisieren sich die beiden Jungunternehmer auf Lösungen für das Management von Windows basierten Serverumgebungen. Eine erfolgreiche Nische wie sich herausstellt. 2004 kauft Quest (heute Dell) das Unternehmen für 115 Millionen US-Dollar.

"Wir sind Entrepreneure!"

Timashev und Baronov könnten nun als Manager unter dem Dach von Quest einem sicheren Job nachgehen oder sich als gemachte Männer zur Ruhe setzen. Stattdessen verlassen sie Quest und starten das nächste Unternehmen: Veeam. „Einige Menschen wurden als Manager geboren, andere als Unternehmer“, erklärt Timashev seine Motivation und stellt klar: "Wir sind Entrepreneure!"

Timashev und Baronov sehen Potenzial in dem neuen Produkt VMware. Wie bei Windows Server analysieren sie die Lücken bei VMwares Virtualisierungstechnik und beginnen anschliessend die passenden Produkte zu entwickeln. Zwei Jahre programmieren sie um 2008 ihr erstes Produkt auf den Markt zu bringen, ein Monitoring- und Reporting-Werkzeug für VMware. Dann lancieren sie eine Back-up-Lösung für VMware. Das bringt den durchschlagenden Erfolg.

Der Markt für Datenmanagement-Lösungen habe ein Volumen von 16 Milliarden, erklärt Timashev. Die Sparte Back-up und Recovery wachse jährlich um 9 Prozent. 90 Prozent des Umsatzes von Veeam stammt aus dem Geschäft mit seinem Back-up-Produkt für virtuelle Maschinen. Aufgrund des Wachstums musste sich Veeam reorganisieren.

Die Schweiz ist wirtschftlich wichtig für Veeam

2010 fiel der Entscheid, das Headquarter in der Schweiz aufzubauen. Die Schweiz erschien uns aus mehreren Gründen attraktiv. So seien die Zeitzone günstig und die Lage der Schweiz in der Mitte Europas für die Logistik gut. Die Schweiz verfüge zudem über gut ausgebildete Fachkräfte. Mit konkreten Zahlen zum Geschäftsverlauf hält sich Timashev, wie viele andere Geschäftsführer internationaler IT-Firmen, zurück. Die Schweiz sei aber auch wirtschaftlich bedeutend für Veeam. Rund 20 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen im DACH-Raum. Timashev taxiert den Umsatz in der Schweiz auf 3 – 5 Prozent. "Das ist ein guter Wert", wie der Geschäftsführer betont.

Timashev will mit Veeam wachsen und die Nummer eins im Geschäft mit Datenmanagement werden. Dies sei ein BHAG (Big Hairy Audacious Goal), eine kühne, visionäre Absicht, sagt Timashev. "Wir haben das Ziel klar vor Augen, nur den Weg dorthin sehen wir noch nicht ganz."

Im Herbst letzten Jahres ging das Unternehmen den ersten Schritt. Mit der Lösung Availability Suite v8. Mit der Availability Suite v8 will Veeam die von ihm sogenannte Verfügbarkeitslücke (Availability Gap) adressieren. Darunter versteht das Unternehmen die Diskrepanz zwischen den Anforderungen an das moderne Rechenzentrum und den bisherigen Back-up-Lösungen. Diese leiden laut Veeam unter unzureichenden Wiederherstellungszeiten (Recovey Time Objectives -RTO), geringen Wiederherstellungspunkten (Recovery Point Objectives RPO), hohen Fehlerraten der Back-ups und eingeschränkten Zugriff auf die Daten.

"Wir sind das disruptive Element"

Den Hinweis, dass Mitbewerber aus dem Datamanagement und Storage-Umfeld vergleichbare Lösungen hätten, wischt Timashev vom Tisch: Die Lösungen anderer Hersteller wie Commvault, HP oder Symantec seien Legacy-Produkte. Veeam nutze hingegen aktuelle Softwaretechnik. Auf dem Konferenztisch steht ein Festnetztelefon.

Timashev hält sein Smartphone dagegen um zu verdeutlichen, was er mit Legacy-Produkten meint. Die anderen Hersteller würden ihren Kunden immer noch ein Telefon mit Wählscheibe anbieten. Nur hätten sie heute zusätzlich ein Smartphone daran befestigt. Der Unterbau bleibe aber der alte. Veeam würde seinen Kunden hingegen nicht nur ein Smartphone, sondern ein iPhone anbieten. "Veeam ist das disruptive Element auf dem Markt für Availability und Back-up", sagt Timashev.

Ein Problem sei, dass viele Kunden an alten Marken hängen würden. Schön sei aber, dass viele frühere Storage-Verantwortliche in den IT-Abteilungen heute VM-Admins seien. Diese sogenannten Core-Customers verstünden die Themen Virtualisierung, Cloud und moderne IT-Ansätze. An Nichtkunden gewandt sagt Timashev: "Bitte installieren Sie unsere Lösung und probieren Sie diese aus." Bei Veeam würde die Installation und Einrichtung der Lösung einige Stunden benötigen. "Bei den Mitbewerbern brauchen Sie Tage und müssen zusätzlich noch Consultants hinzuziehen", sagt er. Timashev wird sehr leidenschaftlich, wenn er über seine Firma spricht. Ob er sich dennoch vorstellen kann Veeam zu verkaufen? Timashev überlegt nicht lange, bevor er sagt: "Ab 5 Milliarden Dollar oder mehr könnte ich mir vorstellen, Veeam zu verkaufen."

Wachstum mit Partnern

Bis es vielleicht soweit sein könnte, will Timashev mit Veeam Gas geben. 30 Prozent Wachstum pro Jahr ist ein Ziel. Hierfür ist das Unternehmen auf die Unterstützung durch ein breites Partnernetzwerk angewiesen. In der Schweiz zählt das Softwarehaus 5000 Kunden. Diese betreut Veeam mit Hilfe von 750 Partnern im Fachhandel, Distributoren miteingerechnet. Von den 750 Fachhändlern erwirtschaften 200 rund 90 Prozent des Umsatzes im Schweizgeschäft. Willkommen seien kleine und grosse Fachhändler, Generalisten und Spezialisten gleichermassen. Auf eine Sache legt das Unternehmen wert: "Wir wünschen uns Partner, die ihren Kunden wirklich helfen wollen." Timashev betont, dass insbesondere die neue Komponente Cloud Connect aus der Availability Suite v8 spezifisch für Partner gedacht sei. Mit der Software können laut Hersteller Back-ups von einer On-Premise-Umgebung in die Cloud gespiegelt werden.

Mit dieser Lösung konnte Veeam inzwischen mehrere Partner in der Schweiz gewinnen, darunter auch den Schweizer Back-up-Dienstleister Mount10. Er gilt derzeit als der grösste Cloud-Connect-Partner hierzulande. Laut der Website von Mount10 können Kunden und Partner seit Juni das Produkt Veeam@Mount10 in die Veeam-Umgebung in ihrem Unternehmen einbinden.

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