Jan Bühlmann, Markting Manager für Challengeaccepted

"Wir wollen die Masse für umweltfreundliche Challenges motivieren"

Uhr | Aktualisiert

Jan Bühlmann vertritt Challengeaccepted in der Öffentlichkeit. Das Start-up will Menschen dazu anregen, mehr für die Umwelt zu tun.

Jan Bühlmann arbeitet als Marketing Manager bei Challengeaccepted (Quelle: Netzmedien)
Jan Bühlmann arbeitet als Marketing Manager bei Challengeaccepted (Quelle: Netzmedien)

Arbeiten Sie gerne im Impact Hub?

Ja, ich finde es sehr angenehm, hier zu arbeiten. Es gibt hier gute Arbeitsbedingungen und man kümmert sich gut um unser Wohl. Es ist sehr inspirierend und man lernt neue Leute kennen mit ähnlichen Visionen. Die Menschen hier sind sehr hilfsbereit. Ich empfinde den Impact Hub wirklich als grosse Unterstützung.

Nehmen Sie auch andere Unterstützungsangebote in Anspruch?

Unser Unternehmen ist aus einem ETH-Seminar heraus entstanden. Dort erhielten wir erste Hilfeleistungen, was die Idee und das Konzept angeht. Dann nahmen wir hier am Social Impact Award teil, der vom Impact Hub vergeben wird. Diesen Award gewannen wir. So nehmen wir seither am Förderprogramm des Impact Hubs teil. In diesem Rahmen haben wir finanzielle Unterstützung, zwei Mentoren von der UBS, Treffen mit dem Leiter des Impact Hubs und können vergünstigt oder gratis an Workshops teilnehmen, die hier wöchentlich stattfinden.

Dann half es Ihnen also, dass Sie einen Start-up-Award gewinnen konnten?

Ja, das hilft uns sehr. Wir konnten nun sogar noch einen zweiten Award gewinnen, nämlich den Innovate 4 Climate Award. Damit bekamen wir einen Mentor sowie eine Verlängerung unserer Mitgliedschaft im Impact Hub um weiter drei bis sechs Monate zugesprochen. Das heisst, wir können während dieser Zeit die Arbeitsplätze hier kostenlos nutzen. Ausser, dass wir uns noch für weitere Awards bewarben, nahmen wir aber keine weiteren Hilfestellungen in Anspruch.

Werden Sie die Infrastruktur im Impact Hub auch danach noch nutzen, wenn Sie dafür zahlen müssen?

Ja, ganz sicher, die Bedingungen hier sind ideal für uns. Der Zeitpunkt wird schon kommen, an dem diese Lösung für uns nicht mehr ideal ist und wir eigene Büros und Meetingräume benötigen. Dies dauert meiner Einschätzung nach aber noch mindestens zwei Jahre.

Wie entstand die Idee für Ihr Start-up?

Die Idee für das Start-up hatte unser CEO Jonas Kohler. Am bereits erwähnten ETH-Seminar hatte er einen Film über den „No Impact Man“ gesehen, ein US-Amerikaner, der mit seiner Familie ein Jahr lang so lebte, dass er seine Umwelt nicht im Geringsten beanspruchte. Später traf er während eines Barbecues einen Freund, der ihm erzählte, dass er gerade eine Wette mit einem Kollegen laufen habe. Bei der Wette ginge es darum, eine Woche lang kein Fleisch zu essen. So kam ihm die Idee, die beiden Punkte zu verknüpfen und eine App zu entwickeln, die eine Breite Masse zu umweltfreundlichen Challenges motivieren soll.

Wie haben Sie diese Idee dann umgesetzt?

Es gibt einen Fachbegriff, der sich Intention-Behavior-Gap nennt. Dieser bezeichnet die Abweichung zwischen guten Vorsätzen und deren Umsetzung. Mit Blick auf unsere Gesellschaft bedeutet dies, dass sich die Menschen zwar der Bedeutung einer umweltfreundlichen Lebensführung bewusst sind, aber oft Mühe haben, diese auch umzusetzen. Man weiss also, dass es nötig ist, tut aber nichts. Unsere Idee war es, diesen Gap mit einer App zu überwinden. Aus drei Gründen: Mit einer App können wir das Ganze spielerisch umsetzen, fast wie ein Game, es gibt die Möglichkeit der sozialen Interaktion, und wir können die Erfolge der Einzelnen darstellen und vergleichbar machen und zwar automatisch. Für den Nutzer wird es, so weit möglich, nicht nötig sein, seine Leistungen selbst zu erfassen.

Wie funktioniert nun diese App?

Challenge Accepted ist eine App, mit der man andere Leute herausfordern kann, an einer Challenge teilzunehmen. Die Wettbewerbe haben immer einen Sustainability-Hintergrund. Man könnte etwa seine Kollegen dazu einladen, eine Woche lang mit dem Velo zur Arbeit zu fahren. So sparen dann alle zusammen CO2.

Wie sieht Ihr Finanzierungsmodell aus?

Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt zwei Ansätze. Zum einen wollen wir Werbung innerhalb der App schalten, die auf die jeweiligen Challenges der User zugeschnitten ist. Während einer Fair-Trade-Coffee-Challenge würde dann etwa für Max-Havelaar-Kaffee geworben. Zum anderen wollen wir grössere Challenges in Kooperation mit NGOs oder Firmen veranstalten, die dann die Challenge auch sponsern. Für alle Unternehmen mit einem Interesse an Umweltfreundlichkeit ist dies eine gute Möglichkeit, um Werbung zu machen, die sich absetzt. So könnte die EWZ etwa eine Challenge sponsern, bei der es darum geht, eine Woche lang möglichst wenig Energie zu verbrauchen.

Die Challenges sind also von Ihnen bereits vordesignt, oder kann man auch eigene Challenges machen?

Unser Ziel ist es, beides anzubieten. Vorerst werden wir aber nur mit vorgegebenen Herausforderungen starten. Irgendwann sollen die User dann auch ihre eigenen Challenges gestalten können. Die Schwierigkeit dabei wird dieselbe sein, die uns auch momentan noch fordert, nämlich die Vergleichbarkeit von verschiedenen Leistungen innerhalb einer Challenge zu gewährleisten. Die Frage ist also, was wir jeweils messen wollen. Das bedeutet, dass wir für jede Challenge eine Standard-Messmethode wählen müssen. Solange wir die Challenges selbst gestalten, ist das natürlich einfacher und wir können die Nachhaltigkeit selbst quantifizieren.

Sollen die Challenges auch untereinander vergleichbar sein?

Ja, das wäre schon das Ziel. Wir haben uns kürzlich entschieden, die Challenges in drei Kategorien einzuteilen. Diese lauten Green Lifestyle Challenges, Social Karma Challenges und Health Challenges. Wie wir die Challenges innerhalb einer Kategorie vergleichbar machen wollen, gilt es noch zu definieren.

Gab es jetzt in Ihrer Anfangsphase bereits grössere Herausforderungen zu meistern oder Probleme zu überwinden?

Nein, eigentlich nichts Grösseres. Als IT-Unternehmen haben wir den Vorteil, dass wir nicht auf grosse Investitionen angewiesen sind. Das macht uns flexibel. Momentan investieren wir hauptsächlich unsere Zeit in das Unternehmen. Zudem hatten wir bereits das Glück, einen Contest zu gewinnen, was uns auch sehr geholfen hat. Die minimalen Ausgaben, die wir für die Server haben, werden in diesem Rahmen auch bezahlt.

In welcher Phase befindet sich die App?

Die App ist in der Entwicklungsphase. Unser Ziel ist es, bis Ende September einen Prototyp fertigzustellen, der es uns ermöglicht, eine erste öffentliche Challenge zu starten.

Entspricht dies Ihrem Zeitplan, oder gibt es den gar nicht?

Das entspricht unserem Plan. Wir legten schon vor drei Monaten fest, dass wir den Prototyp bis Ende September fertig haben wollen. Vor allem auch, weil alle in unserem Team noch viel anderes zu tun haben und sich nicht immer am selben Ort befinden, ist für uns ein langfristiger Zeitplan sehr wichtig, um uns zu koordinieren.

Ist es eine grosse Herausforderung für Sie, Ihre Arbeitsprozesse zu organisieren?

Im Moment funktioniert das ganz gut, obwohl ein paar unseres Teams auch öfters in Deutschland unterwegs sind. Wir versuchen, unsere Arbeitsweise möglichst simpel zu halten. Wir brauchen daher auch noch keine Tools für die Zusammenarbeit über Distanz, ausser Skype. Je grösser wir werden, desto interessanter oder nötiger werden aber professionelle Tools. Wichtig ist für uns, dass wir uns sehen können, notfalls nur per Videoübertragung, um Missverständnisse möglichst zu vermeiden.

Hat sich Ihr Team seit dem Start vergrössert?

Ja, es befindet sich in stetigem Wandel. An der ETH waren wir fünf. Von diesen sind momentan nur noch zwei dabei. Zwei weitere sind noch im Ausland und stossen vielleicht wieder dazu. Ich selbst arbeite jetzt seit zwei Monaten als Marketing-Manager für das Start-up. Innerhalb des letzten Monats entstand zudem ein Team von vier Entwicklern, die sich um die komplette Programmierung kümmern.

Arbeiten Sie mit Grossunternehmen zusammen?

Noch nicht. Das wird sich aber bald ändern. Mein Ziel für die nächsten Wochen ist es, grosse Partner zu finden, um erste grössere Projekte nach der Lancierung starten zu können. Jetzt haben wir auch erste funktionierende Prototypen, die wir den Firmen zeigen können. Die Rolle der Grossunternehmen sehen wir vor allem im Sponsoring von Projekten. Wir stellen die Infrastruktur zur Verfügung und sie können diese mit Inhalten, oder genauer Challenges, befüllen. Das könnte man auch Content-Marketing nennen.

Richtet sich Ihr Angebot an bestimmte Arten von Unternehmen und Branchen, oder soll Ihr Produkt grundsätzlich für alle interessant sein?

Unsere Partner sollten schon von einem gewissen Sustainability-Gedanken getragen sein. Also eine Kooperation mit Waffenproduzenten etwa käme für uns nicht infrage. Das wäre sowohl für uns als auch für den Waffenproduzenten nicht von Interesse.

Ist das so? Haben nicht alle Firmen das Bedürfnis, sich als gut und nachhaltig zu präsentieren?

Das stimmt schon. Aber bei uns müssten sie auch etwas Nachhaltiges tun und nicht nur davon sprechen. Das ist nicht ganz dasselbe wie ein Plakat, auf das man theoretisch jedes illusorische Bild abdrucken kann. Was zählt, sind Taten.

Wäre es für Sie vorstellbar, mit McDonald’s oder Coca Cola zusammenzuarbeiten?

Mittelfristig ist das sowieso kein Thema, weil wir erst einmal kleinere Projekte in Angriff nehmen. Mit solch grossen Projekten würden wir uns am Anfang wohl übernehmen. Bis wir eine Grösse erreicht haben, mit der unser Angebot auch für globale Unternehmen interessant wird, müssen wir uns aber schon Gedanken machen, wie wir unserem Vorsatz, etwas Nachhaltiges zu leisten, wirklich treu bleiben können. Unsere App soll nicht einfach für die Selbstdarstellung von Firmen missbraucht werden können. Das würde auch unserer Glaubwürdigkeit schaden.

Das hört sich nach einer anspruchsvollen Gratwanderung zwischen der Einnahmequelle Marketing und Ihrem persönlichen Unternehmensleitbild an …

Das wird bestimmt anspruchsvoll. Letztlich liegt die Entscheidung darüber, ob wir eine Kooperation eingehen wollen oder ob wir eine Challenge durchführen, bei uns. Zudem wird es vor allem am Anfang so laufen, dass wir auf die Firmen zugehen und nicht umgekehrt. Ein interessanter Partner für uns wäre dann etwa Alnatura.

Dann basiert Ihr Konzept längerfristig also schon auch darauf, grosse Firmen als Partner zu haben?

Wir sind ganz klar auf Kunden oder Sponsoren angewiesen. Diese müssen aber nicht gross sein. Kleine regionale Firmen sind für uns genauso interessant. Für uns ist es wichtig, eine gute Bandbreite zwischen grossen und kleineren Challenges zu finden.

Gibt es Konkurrenten für Sie?

Ja die gibt es. Einer kommt etwa aus Österreich und nennt sich Begood.at. Sie gewannen einen österreichischen Impact Hub Award. Wir lernten sie schliesslich an einem Workshop für die Gewinner aller Contests in Wien kennen. Zwischen unseren Konzepten gibt es aber entscheidende Unterschiede, sodass wir uns auch von der regionalen Ausrichtung unterscheiden. Erstens setzt Begood.at auf eine webbasierte Lösung und wir auf eine App. Zweitens geht es bei den Konkurrenten nicht um Community, sondern um ihre persönlichen Leistungen. Drittens bieten sie kein automatisches Tracking der Leistungen, sondern man muss sie manuell eingeben.

Sehen Sie bereits Standortvorteile und -nachteile der Schweiz?

Ein grosser Vorteil ist sicher das gute Netzwerk an kompetenten Leuten, das sich rund um die ETH und die Universitäten hier bildet. Das bedeutet, dass es hier viele gute Ideen und super fähiges Personal gibt. Auch eine Firma zu gründen ist hier in der Schweiz verhältnismässig einfach. Das wird uns übrigens auch bald beschäftigen. Ein weiterer Vorteil speziell am Standort Zürich ist, dass hier sehr viele Ressourcen für Start-ups vorhanden sind, die sich noch dazu auf viel weniger Unternehmen verteilen als etwa in Deutschland. Dort wäre unsere Chance, den Award zu gewinnen, allein aufgrund der viel grösseren Teilnehmerzahl einiges kleiner gewesen. Ein Nachteil sind die hohen Kosten, die einem Start-up das Leben schwer machen können. Man muss immer gut mit dem Geld haushalten. Zürich ist momentan eine teure, wenn nicht die teuerste Stadt der Welt. Was das betrifft wäre Berlin etwa ein besserer Standort.

Kann es nicht schwierig sein für Start-ups, diese gut ausgebildeten Fachkräfte anzuwerben?

Doch, dieses Problem sehe ich auch. Einerseits kostet eine gut ausgebildete Schweizer Arbeitskraft relativ viel. Das kann sich ein Start-up nicht unbedingt leisten. Andererseits leben viele gut Ausgebildete hier in einer Komfortzone mit gutem Lohn und sicherem Arbeitsplatz. Dies wollen viele nicht einfach für ein abenteuerliches Projekt aufs Spiel setzen. Von meinen Kollegen im Wirtschaftsstudium kenne ich niemanden, der vorhat, nach dem Studium etwas anzureissen oder bei einem Start-up zu arbeiten. Die meisten suchen sich einen attraktiven Job bei Banken oder Versicherungen.

Was könnte der Grund für dieses Verhalten sein?

Grundsätzlich liegt es sicher am Komfort, den wir hier haben. Weiter sind Unternehmer sehr problemorientiert. Unser Markt ist aber sehr gesättigt, was wichtige Problemlösungen angeht. Das mindert vielleicht ebenfalls die Motivation, etwas Neues anzureissen. Bei einem Start-up zu arbeiten ist zudem mit vielen Unsicherheiten und grossen Herausforderungen verbunden, die auch zum Teil sehr bedrohlich sein können. Das ist ganz einfach nicht jedermanns Sache. Auch die hohe Scheiterrate der Start-ups kann abschreckend wirken.

Das lässt vermuten, dass die Schweiz gar nicht so innovativ ist, wie man immer sagt …

Das ist schwierig zu sagen. Ich sehe, dass Innovation in der Schweiz zum grössten Teil in extremen Nischen entsteht. Das können etwa irgendwelche sehr spezifischen Flugzeugteile sein. Erfindungen in solchen Spezialgebieten gibt es natürlich viele im Umfeld der ETH und von anderen Bildungsinstituten.

Mussten Sie bereits Investoren suchen?

Nein, momentan brauchen wir keine Investoren, und ich sehe im Moment auch nicht, dass wir bald oder überhaupt welche brauchen werden.

Das könnte sich ändern, wenn Sie global werden wollt. Haben Sie dieses Ziel?

Ja, das wäre schon toll. Aber wir starten mal klein. Wir promoten unsere App vorerst nur in Zürich und wollen sie zuerst hier etablieren. Downloaden lässt sie sich dann bereits schweizweit. Alles andere ist noch nicht wirklich absehbar. So können wir unser Produkt auch genügend testen und verbessern. Erst dann kommt es infrage, die App zu skalieren.

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