Neue Partnerschaft

Abacus geht mit Ninjas auf Aufholjagd

Uhr | Aktualisiert
von Coen Kaat

Die Digitalisierung ist in der Schweiz nicht so weit fortgeschritten, wie Abacus das gern hätte. Was in Deutschland standardisiert ist, geschieht hier noch manuell. Das soll sich nun ändern.

"Ich war noch nie so nervös vor einer Pressekonferenz wie heute." Mit diesen Worten eröffnet Claudio Hintermann, CEO von Abacus Research, die Medienkonferenz im Hotel Widder in Zürich. Denn das St. Galler Softwareunternehmen sagt den unstrukturierten Daten im Schweizer Zahlungsverkehr endgültig den Kampf an.

Das Prinzip des papierlosen Büros sei in der Schweiz nicht ganz angekommen. Der Schriftverkehr zwischen Kunden, Lieferanten, Banken und dem Buchhalter verlaufe zwar zu einem grossen Teil über PDFs. "Das sind aber einfach Eins-zu-eins-Kopien von gedruckten Briefen und Texten", sagt Hintermann.

Das führt gemäss dem CEO zu einer Flut von unstrukturierten Daten. Also Daten, die nicht für Datenbanken erfassbar sind. Der Grund: In der Schweiz gibt es keinen Standard, der dies regeln könnte.

Nach deutschem Vorbild

"Wir sind auf Aufholjagd mit Deutschland", sagt Hintermann. Dort sieht es nämlich anders aus. Im Nachbarland setzt man auf den Standard "ZUGFeRD". Das Akronym steht für Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland. Abacus will diesen Standard nun in die Schweiz bringen.

Ihr Ansatz kombiniert dabei deutsches und Schweizer Recht. Der Standard kommt aus Deutschland. In der Schweiz ist bei Rechnungen jedoch noch eine qualifizierte Signatur nötig. Diese liefert Abacus. Das Strukturieren übernimmt die Plattform Abapay, die Abacus im Dezember lanciert hat.

Mit der Plattform können Nutzer ihre Rechnungen als PDF/A-Dateien verschicken. Diese enthalten die benötigten Daten bereits in strukturierter XML-Form. Zudem wird automatisch ein orangefarbener Einzahlungsschein mit ESR-Referenznummer generiert. Empfänger, die mit den strukturierten Daten nichts anzufangen wissen, können die Rechnung so klassisch per Einzahlungsschein bezahlen.

Die Plattform lässt sich zudem direkt mit Treuhändern verknüpfen. So werden die Buchungsinformationen direkt an diese übermittelt. Dabei erhält das Softwareunternehmen Unterstützung von drei grossen Treuhandunternehmen: BDO, OBT und PWC.

Neues Portal für jedermann

Das Softwareunternehmen steht damit jedoch vor einem Problem: Einen Standard kann nur etablieren, wer Masse hat. "Und die haben wir nicht", sagt Hintermann. Abacus gelte als der Rolls-Royce in der Branche. Kostspielig.

Das Unternehmen präsentierte daher nun seinen "Volkswagen", die Lösung für jedermann. Sie heisst Abaninja. Das Onlineportal soll es auch Schweizer Kleinstunternehmen, Start-ups und Vereinen ermöglichen, Rechnungen nach dem "ZUGFeRD"-Standard zu erstellen und zu verschicken.

Der Nutzer kann das Design der Rechnungen anpassen. Auch das eigene Logo kann er auf der Rechnung platzieren. Ausser der konventionellen Bezahlmethode per Einzahlungsschein unterstützt Abaninja auch Zahlungsmöglichkeiten wie Paypal, Twint, Paymit oder Bitcoin-Zahlungen. Zudem verfügt das Portal über Schnittstellen zu Onlineshops, Mailchimp und Abaclik, der mobilen Lösung von Abacus.

Partnerschaft mit Raiffeisen

Ein zentrales Dashboard versorgt den Kunden mit allen nötigen Informationen. Hier sieht er etwa, ob der Empfänger die Rechnungen angesehen und ob er sie bezahlt hat. Letzteres funktioniere vorläufig jedoch nur, wenn der Anwender ein Kunde der Raiffeisenbank sei. Nicht-Raiffeisen-Kunden müssten die Daten manuell eingeben. Die Bank des Rechnungsempfängers spiele keine Rolle.

Hierfür ist Abacus eine strategische Partnerschaft mit der Raiffeisenbank eingegangen. "Für mich ist es natürlich eine grosse Genugtuung, dass sich da zwei Ostschweizer Firmen gefunden haben", sagte Hintermann – selbst Ostschweizer.

Das Ziel sei, künftig mehr Banken einzubinden. "Wir sehen da aber den Handlungsbedarf bei den Banken", sagt Hintermann. Ohne einen Standard müsste Abacus für jede Bank einen eigenen Zugang kreieren. "Sobald wir eine Standardschnittstelle von den Banken erhalten, bauen wir sie sofort ein", sagt der CEO.

In zwei Ausführungen erhältlich

Das Portal integriert zudem eine einfache Artikel- und Kundenverwaltung. Dies erleichtert es dem Anwender, Rechnungen zu erstellen. Kundendaten und Artikelinformationen können so schnell ausgewählt und der Rechnung hinzugefügt werden. Das System kann ausserdem automatisch Mahnungen verschicken, wenn Kunden ihre Rechnungen nicht bezahlen.

Um möglichst viele Anwender zu erreichen, bietet Abacus das Portal kostenlos an. In der Version können die Nutzer bis zu 500 Rechnungen pro Jahr verschicken.

Wer mehr will, muss für die Pro-Version zahlen. Diese kostet 8 Franken pro Monat für einen Benutzer. Jeder weitere ist kostenlos. Mit der bezahlten Version lassen sich bis zu 2000 Rechnungen pro Jahr verschicken. Zudem bietet sie weitere Funktionen wie Serienfakturierung und Kreditorenverwaltung.

Anfang Juni beginnt für Abaninja die Beta-Phase. Ab Ende September wird die Lösung für alle verfügbar sein. Zu diesem Zeitpunkt wird die Abapay-Plattform zu einem Teil der Pro-Version von Abaninja.

Hintermann sei sich bewusst, dass die neue Lösung das bestehende Geschäft zu einem Teil kannibalisieren werde. Bisher zahlende Kunden könnten nun auf das kostenlose Portal umsteigen. Er vermutet daher, dass Abacus in dem Bereich künftig weniger verdienen werde. „Aber so bleiben wir relevant“, sagt er. Und nur die, die relevant sind, werden die Digitalisierung überleben.

"Die Schweiz ist wie das gallische Dorf"

Die Schweiz hinkt auch bei anderen Standards dem Ausland hinterher. Das gesamte europäische Ausland und einige Länder ausserhalb setzten bei Bilanzen und Erfolgsrechnung auf den XBRL-Standard – Extensible Business Reporting Language. Die auf XML basierende Sprache setzt die relevanten Zahlen vor dem elektronischen Weiterversand in eine für die Banken maschinenlesbare Struktur.

"Die Schweiz ist aber wie das gallische Dorf aus Asterix und Obelix", sagt Hintermann. Auch hier setzen viele noch auf die gute alte Handarbeit und tippen alles von Hand ab. Das kostet viel Geld. "Die Digitalisierung habe ich mir ein wenig anders vorgestellt."

Die 2017er-Version ihrer Finanzsoftware wird deshalb den XBRL-Standard unterstützen. "Dann haben wir es endlich geschafft, dass die Schweizer so weit sind wie die Deutschen."

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