Dossier Work Automation

Schlüsselfaktor Work Automation

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von Martin Spengler, Domain Lead Work Automation, Appway

Die digitale Transformation entwickelt sich zusehends zu einem Dauerzustand, in dem heutige Dienstleistungsunternehmen regelrecht gefangen sind. Work Automation bietet neue Ansätze und Impulse, um in einem Zustand fortwährender Veränderung zu bestehen.

Martin Spengler, Domain Lead Work Automation, Appway. (Quelle: Appway)
Martin Spengler, Domain Lead Work Automation, Appway. (Quelle: Appway)

Ist heute von digitaler Transformation die Rede, wird diese – gerade im Dienstleistungssektor – gerne noch mit computergestütztem Geschäftsprozessmanagement oder aber digitalen Angeboten und Interaktionsformen gleichgesetzt. Nach wie vor ist die Idee der "Transformation in ein modernes Unternehmen", die nun endlich auch im digitalen Zeitalter angekommen ist, vorherrschend. Onlinedienstleistungen und digitale Vertriebskanäle stehen im Vordergrund der Bemühungen genauso wie Social-Media-Auftritte und Mobile-Applikationen.

Dabei wird ausser Acht gelassen, dass der digitalen Transformation eine sehr viel umfassendere Idee zugrunde liegt, die weit über den profanen Einsatz moderner Technologien hinausgeht: Im Kern der digitalen Transformation liegt die Einsicht, dass durch den Eintritt ins digitale Zeitalter eine Situation entstanden ist, in der stabile Zustände und Organisationsformen nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme darstellen. Unsere Realität ist geprägt von einer immer schneller werdenden Abfolge von Technologieinnovationen und deren Assimilation durch die Gesellschaft.

Will ein Unternehmen in diesem sich kontinuierlich verändernden Umfeld auch längerfristig bestehen, darf es die digitale Technologie nicht mehr nur als Mittel zum Zweck betrachten, sondern als Voraussetzung, diese Veränderung überhaupt bewältigen zu können. Die digitale Transformation ist für ein Unternehmen nicht mehr ein einmaliger Schritt, um letztlich wieder in eine Phase der Stabilität zu gelangen, sondern ein andauernder Zustand der Veränderung, dessen Ende heute weniger denn je absehbar ist.

Industrialisierung als Auslaufmodell im Dienstleistungssektor

Die heutige Dienstleistungsindustrie ist allerdings nach wie vor stark von der Idee stabiler und strukturierter Prozesse geprägt, die dank Standardisierung positive Skaleneffekte hervorrufen würden. Gerne wird in diesem Zusammenhang auch von einer Industrialisierung gesprochen und Analogien zur Fertigungs­industrie gezogen, wo hochoptimierte Herstellungsprozesse und Produktionsstrassen ein wesentlicher Aspekt des Erfolgs waren. Dabei gerät der Umstand in Vergessenheit, dass die klassische Fliessbandproduktion in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Blütezeit hatte und zunehmend durch Just-in-Time-Ansätze (JIT) verdrängt wurde.

Besteht der Nutzen der Fliessbandverarbeitung im Sinne von Henry Ford in erster Linie aus den damit realisierbaren Skaleneffekten, versucht die JIT-Produktion aus­ser der reinen Prozesseffizienz auch Flexibilität zu bieten. Es kann kurzfristig auf sich ändernde Bedingungen und Anforderungen reagiert werden – und dies ohne den Gesamtablauf nachhaltig zu stören. Standardisierte Geschäftsprozesse haben in der Dienstleistungsindustrie unbestritten ihren Platz und werden diesen auch weiterhin haben. Auch in dieser Branche findet jedoch zusehends ein Umdenken statt, da nur selten die notwendigen "Stückzahlen" erreicht werden, welche die klassische Prozessimplementation zum Erfolgsmodell machen.

Reine Geschäftsprozesslösungen im traditionellen Sinne bieten in der Regel schlicht nicht die notwendige Flexibilität, um schnell und häufig Änderungen am Prozess vornehmen zu können. Aber genau dies ist erforderlich, um in einem andauernden Zustand der digitalen Transformation bestehen zu können: Prozesse müssen unkompliziert den sich laufend ändernden Anforderungen angepasst werden können und ein hoher Grad der Individualisierung muss möglich sein. Dies jedoch ohne dass die Kosten explodieren. Und trotzdem muss auch sichergestellt werden, dass die steigende Anzahl von Regeln und Regulatorien jederzeit eingehalten werden.

Kollaboration anstelle von Automation

Hier bieten unserer Ansicht nach die Konzepte und Ideen hinter der sogenannten Work Automation eine vielversprechende Alternative. Wobei der Begriff Work Automation etwas irreführend ist, da dessen klassische Interpretation im Sinne der industriellen Fliessbandproduktion und der Geisterschichten zunehmend an Bedeutung verliert.

Ersetzt wird diese mit einer neuen Form der Automatisierung, die einen kollaborativen Ansatz zwischen Mensch und Maschine verfolgt: Dank intelligenter und – im Idealfall – adaptiver, das heisst lernfähiger Algorithmen, ist die Maschine in der Lage, Fakten und Zusammenhänge automatisch und kontinuierlich aus Daten zu extrahieren. Entsprechend aufbereitet, erlaubt dies dem Menschen, schnellere, fundiertere und vor allem nachhaltigere Entscheide zu treffen – und dies ohne sich mit den Details der Informationsbeschaffung herumschlagen zu müssen. Das Entscheiden rückt also wieder ins Zentrum der menschlichen Tätigkeiten, wogegen die reine Informationsbeschaffung und -aufbereitung zunehmend den Maschinen überlassen wird.

Ein für uns zentraler Aspekt von Work Automation ist, dass sich gerade in der heutigen Realität kaum eine Organisation allein mittels klassischem Business Process Management (BPM) abbilden lässt. Genauso wenig wie mittels eines Ansatzes, der rein auf Case Management (CM) beruht – einem zu BPM komplementären Konzept, das im Zusammenhang mit Work Automation häufig ins Feld geführt wird. Unserer Überzeugung nach haben beide Ideen ihre Berechtigung und durchaus ihre Erfolge vorzuweisen. Wirklich erfolgreich dürften auf lange Sicht hinaus aber nur Konzepte sein, welche die komplementären Ansätze von BPM (Fokus auf die strukturierte Ablaufsteuerung) und CM (Fokus auf die Daten) miteinander verbinden und es erlauben, sich beinahe beliebig zwischen den beiden Polen BPM und CM hin- und herzubewegen.

Bei Appway haben wir diese Idee unter dem Begriff "Process Spectrum" zusammengefasst und zu einem unserer Arbeit zugrunde liegenden Paradigma erhoben: Nur Lösungsansätze, die es erlauben, sich nahezu uneingeschränkt entlang dieses Spektrums zu bewegen, bieten die notwendige Flexibilität, um in einem sich stetig verändernden Umfeld auch auf weite Sicht hinaus bestehen zu können.

Erfahrungsbasierte Assistenzsysteme helfen, Entscheidungen zu treffen

Das Process Spectrum ist jedoch nur die halbe Miete auf dem Weg zur neuen Form von Work Automation, wie wir sie verstehen. Während dieses in erster Linie der Modellierung und Steuerung einer Organisation dient, kommt der Datenerfassung und -analyse eine immer wichtigere Rolle zu: Durch die konsequente Auswertung der anfallenden Daten – insbesondere auch aus dem Prozessspektrum – wird es in Zukunft möglich sein, Muster und Gemeinsamkeiten innerhalb und zwischen Geschäftsvorfällen zu erkennen und in verfeinerte Modelle einfliessen zu lassen. Diese wiederum werden als Grundlage für "intelligente" Assistenzsysteme dienen, die uns dem Ideal der oben skizzierten Kollaboration zwischen Mensch und Maschine Schritt für Schritt näherbringen werden.

Damit einher geht auch ein Wechsel vom expliziten Knowledge Engineering hin zum impliziten Knowledge Discovery: Die Systeme lernen die wesentlichen Aspekte der kollektiven Intelligenz innerhalb einer Organisation durch Beobachtung der Individuen, die diese Organisation ausmachen. Und sie werden Trends und Veränderungen innerhalb dieser kollektiven Intelligenz zu einem Zeitpunkt ausmachen und aufgreifen, an dem wir heute die Entwicklung in der Regel noch nicht einmal erahnen, geschweige denn greifbar machen können.

Was uns zurück  zur eingangs gemachten Beobachtung führt, dass heutzutage eine Organisation mehr denn je in der Lage sein muss, Änderungen in ihrem Marktumfeld (oder auch der Gesellschaft) frühzeitig zu erkennen und in ihren Abläufen widerzuspiegeln. Daher wird sich Work Automation unserer Überzeugung nach als Schlüsselfaktor für die anhaltende digitale Transformation erweisen, wie wir sie heute beobachten.

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