Forschung & Lehre

App schätzt Kohlenhydratgehalt

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Wäre es nicht toll, wenn eine App den Kohlenhydratgehalt von Mahlzeiten messen könnte? ­Stavroula Mougiakakou von der Universität Bern will genau das ermöglichen. Die Redaktion hat bei ihr nachgefragt, wie die Entwicklung voranschreitet.

Die GoCARB-App soll das Leben von Menschen mit Diabetes erleichtern.
Die GoCARB-App soll das Leben von Menschen mit Diabetes erleichtern.

Menschen, die wegen einer Diabetes-Erkrankung Insulin spritzen müssen, kennen die Situation: Sie müssen den Kohlenhydratgehalt jedes Gerichts schätzen, um die benötigte Insulindosis herauszufinden. Dabei spielen auch das Glukose-Level vor der Mahlzeit und die Insulinsensitivität des Körpers eine Rolle. Da wäre es doch ideal, wenn eine App zumindest einen Teil dieser Arbeit verrichten könnte. Stavroula Mougiakakou, die Leiterin der Diabetes Technology Research Group am ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern, will genau das ermöglichen.

Mougiakakou koordinierte das Projekt GoCARB, das Ende 2015 seinen Abschluss fand. Eines der Ergebnisse der Forschungsko­operationen, welche die EU mit 942 000 Euro unterstützte, ist die App GoCARB. Wie diese funktioniert, erklärt Mougiakakou im Magazin «Unipress» der Uni Bern gleich selbst: Der Nutzer legt ein Referenzobjekt in Kreditkartengrösse neben seine Mahlzeit und fotografiert diese mit einem Smartphone aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. Die App kann so die Nahrungsmittel erkennen und Form und Volumen abschätzen. Anschlies­send gleicht die Software die Daten mit der US-amerikanischen Nährwertdatentabelle ab und berechnet den Kohlenhydrat­gehalt der Mahlzeit.

«Das war für viele Science-Fiction»

Die Entwicklung der App begann, als die Uni Bern Mougiakakou 2008 als Assistenzprofessorin im Fach Diabetes-Technologie an das ARTORG Center for Biomedical Engineering berief. «Aufgrund meiner Expertise in Machine Learning und der Analyse von Bildern – und durch Gespräche mit meinen klinischen Partnern – wurde uns bewusst, dass eine technische Lösung wie GoCARB Diabetikern helfen könnte», sagt Mougiakakou.

An der Entwicklung beteiligt waren ausser der Uni Bern auch die Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin und Metabolismus des Berner Inselspitals. Aus der Privatwirtschaft beteiligten sich zwei Länderstandorte von Roche Diabetes Care. Wissenschaftler, Ingenieure und Ärzte aus elf Ländern arbeiteten an drei Standorten an dem Projekt.

«Die grösste Hürde war es, Überzeugungsarbeit bei Ärzten und Kollegen zu leisten», sagt Mougiakakou heute. «Dass sich so etwas verwirklichen lässt, war für viele Science-Fiction.» Eine weitere grosse Herausforderung sei die Sicherung der finan­ziellen Mittel gewesen. «Und es war auch nicht einfach, gute Forscher auf diesem Gebiet nach Bern zu holen.»

Bald schon im App-Store?

Die Uni Bern hat die App mittlerweile in einer klinischen Studie geprüft, in Kooperation mit dem Inselspital. Die Studie sei erfolgreich gewesen, sagt Mougiakakou.

«Wir versuchen nun, die Feedbacks der User in unsere Applikation zu integrieren und das Programm weiterzuentwickeln.» Mougiakakou hofft, dass Nutzer die Software bald aus dem App-Store herunterladen können. Dass das heute noch nicht möglich sei, habe mehrere Gründe. «Die Prozesse für die definitive Einführung solcher Programme sind langwierig und ressourcenintensiv», sagt Mougiakakou. Es sei zudem eine Frage von Zeit und Geld.

Mougiakakou betont, dass die GoCARB-App kein Blutzuckermessgerät sei, sondern nur die Kohlenhydratzufuhr schätze. Die Software könne bestehende Produkte nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen. Auf die Frage, ob es auch Mitbewerber gebe, antwortet Mougiakakou, dass das Marktumfeld sehr dynamisch sei. «Es gibt weltweit einige Forscherteams, die an ähnlichen Apps arbeiten.»

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