Interview mit Sandro Köchli

"Es ist fast nicht möglich, eine Oracle-Datenbank korrekt zu lizenzieren"

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Fast alle grossen Schweizer Firmen nutzen Oracle-Datenbanken. Viele CIOs wollen nun aber aus dem geschlossenen ­Ökosystem ausbrechen, sagt Sandro Köchli. Die Redaktion hat den Mitgründer und Verwaltungsrat des Open-Source-Dienstleisters Adfinis Sygroup gefragt, wie ein solcher Wechsel der Datenbank genau abläuft.

Viele Firmen wollen aus geschlossenen Ökosystemen ausbrechen. Sind Open-Source-Datenbanken endlich Enterprise-ready?

Sandro Köchli: Open-Source-Datenbanken hatten früher den Ruf, nicht Enterprise-ready zu sein. Das ist heute aber nicht mehr so. Die Community zielt heute bewusst auf den Enterprise-Markt ab und baut eigene, offene Ökosysteme. Unternehmen wie Crunchy Data und Splendid Data bieten ein Bündel von Enterprise-Diensten rund um PostgreSQL im Abo an. Inklusive SLAs, 24/7-Support und eigenen Postgres-Paketen für alle relevanten Linux-Distributionen. Also alles, was auch Oracle anbietet – nur massiv günstiger.

Wie komplex ist eine Migration von Oracle auf Postgres?

Das kommt auf die Applikation an. Bei simplen Anwendungen ist die Migration sehr einfach. Komplexere Projekte erfordern mehr Arbeit, aber auch sie lassen sich migrieren.

Wie genau läuft eine Migration ab?

Adfinis macht zuerst ein kostenloses Assessment und eine Risikoanalyse. Wir sagen dem Kunden, was möglich ist, und wie viel Zeit er braucht. Dann garantieren wir einen Fixpreis. Die Investitionskosten für die Migration sind massiv tiefer als die Lizenzkosten für Oracle. Es lohnt sich finanziell meist schon nach 3 bis 6 Monaten.

Wie gross ist die Nachfrage nach solchen Datenbankmigrationen?

Sie nimmt stark zu. Fast alle grossen Schweizer Firmen nutzen Oracle-Datenbanken. Viele CIOs wollen aus dem geschlossenen Ökosystem ausbrechen. Sie haben genug von Oracles Lizenzpolitik und experimentieren nun mit Technologien, die keinen Lock-in generieren.

Zum Beispiel?

Die Post. Sie hat ihren Servicekatalog für Datenbanken erweitert und setzt nun für neue Projekte auch auf Maria­DB, Postgres oder MongoDB. Viele andere Unternehmen werden diesem Beispiel folgen. In einem zweiten Schritt überlegen sich die Firmen dann oft, welche vorhandenen Applikationen sie auch noch migrieren können.

Geht es Unternehmen dabei vor allem um Kosteneinsparungen?

Nicht nur, aber sie sind wichtig. Wenn die interne IT Oracle-­Datenbanken zu massiv höheren Preisen anbietet als Postgres, vereinfacht das natürlich die Entscheidung. Ein Projektleiter kann damit oft Projekte realisieren, die sonst gar nicht möglich wären. Es geht den Unternehmen aber auch um Zukunftssicherheit. Wer auf offene Datenbanken setzt, bleibt frei. Oracle versucht, das Gegenteil zu er­reichen.

Viele Unternehmen setzen aber weiterhin auf proprietäre Anbieter und scheinen mit dem Lock-in gar kein Problem zu haben.

Ich höre im Markt genau das Gegenteil. Oracle etwa findet immer wieder Wege, um die Preise seiner Datenbanken zu erhöhen. Das können die Kunden doch nicht gut finden. Dazu kommt, dass es fast nicht möglich ist, eine Oracle-Datenbank korrekt zu lizenzieren.

Wie meinen Sie das?

Es gibt wohl kaum ein anderes Lizenzsystem in der Branche, das so kompliziert ist wie das von Oracle. Das Unternehmen ändert seine Bedingungen oft und kommuniziert die Änderungen gegenüber den Kunden nur halbherzig. Auch bei der Ausgestaltung der Verträge gibt es kaum Spielraum. Dahinter steckt Kalkül. Oracle macht mit Wartungsgebühren und Strafzahlungen nach Lizenz-Audits einen signifikanten Teil seines Umsatzes.

Schickt Adfinis also Kundendaten in die Niederlande?

Nein, natürlich nicht. Splendid Data erhält von uns nur Code und ein Datenmodell.

Wie teilen sich Adfinis und Splendid Data die Arbeit auf?

Adfinis ist an der Front beim Kunden tätig und leitet die Projekte. Wir sind für die Architektur, die Operations und die Integration verantwortlich. Splendid Data vollzieht dann die Migration.

Greift die Open-Source-Welt auch Microsoft an?

Microsoft hat sich gewandelt und bietet auf Azure mehrere offene Datenbanken an. Der Konzern ist nicht mehr das Feindbild der Open-Source-Gemeinde. Sie attackiert im Markt für Datenbanken vor allem Oracle. Nicht ausschliesslich mit Open-Source-Lösungen, sondern auch mit MS SQL, das nicht offen und auch nicht billig ist. Trotzdem sehen wir Microsoft als Verbündeten, der nicht aktiv gegen die Open-Source-Datenbanken kämpft, sondern unsere Akivitäten unterstützt.

Gibt es weitere Gründe, auf offene Datenbanken zu setzen?

Eine Oracle-Datenbank lässt sich nur schwer in Virtualisierungsumgebungen und der Cloud nutzen. Bei offenen Datenbanken ist das kein Problem - im Gegenteil. Alle grossen Cloud-Anbieter haben vollständige Serviceangebote, die kaum Wünsche offen lassen.

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