"Was wäre, wenn ..."

Drei Zukunftsszenarien für die Blockchain

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von Nicola Schlup, Managing Director, Nexum

Von der "Lösung für ein Problem, das keines ist", bis hin zur "Lösung all unserer digitalen Probleme" kann die Blockchain-Technologie in Zukunft alles sein. Doch was sind mögliche Szenarien und was bedeuten sie für Unternehmen und die Gesellschaft? Auf welche Veränderungen müssen wir uns einstellen? Wir wagen einen Blick in die ungewisse Zukunft der Blockchain.

Szenario 1: Die Blockchain entpuppt sich als unökonomische ­Utopie ohne sinnvolle Verwendung abseits der Nische

Einem datensammelnden Unternehmen zu vertrauen, ist weiterhin bequemer, als das eigene Vertrauen einer Technologie zu schenken, die zu Abstrichen in der Benutzerfreundlichkeit führt. Trotz wiederkehrenden und mitunter ausufernden Datenskandalen ist der gerne propagierte Nutzen, dem User die Kontrolle über seine Daten "zurückzugeben", für den durchschnittlichen Anwender kaum greifbar. Dazu kommt, dass die Skalierbarkeit der Blockchain-Technologie zu gering und die Betriebskosten für einen flächendeckenden Einsatz unverhältnismässig hoch sind. Auch das Dilemma, dass dezentralisierte Dienste und auf Schlüssel basierte Sicherheitsmechanismen zu Abstrichen in der Benutzerfreundlichkeit führen, konnte die anfänglich verheis­sungsvolle Technologie bisher nicht lösen.

Einige wenige Blockchains überleben nur dank des steigenden Bedarfs an Kapital abseits der traditionellen Risikokapitalvergabe wie etwa über Venture Capitalists. Initial Coin Offerings (ICO) sind dafür das Mittel der Wahl, doch auch da nur für Kleinunternehmen und Start-ups, die früher in Crowdinvesting über Plattformen wie Companisto ihr Glück versuchten. Einst verheissungsvolle Blockchain-Vorhaben mit Utility-Tokens sind Projekten mit Equity-Tokens gewichen, die ähnlich wie Aktienanteile funktionieren, aufgrund des geringen Marktvolumens aber starken Schwankungen unterworfen sind. Von den anfänglichen Blockchain-Projekten sind nur noch wenige übrig, die von ihrer ursprünglichen Finanzierungsrunde zehren.

Szenario 2: Die Blockchain wird zum Unternehmenskonnektor und beglaubigtem Transfermedium für digitale und physische Werte

Für den Konsumenten bietet die Blockchain nur wenige direkt sichtbare Vorteile. Anders sieht es im B2B-Bereich aus. Unternehmen ermöglicht die Blockchain eine neutrale Schnittstelle zur Übertragung von Werten mit Drittfirmen und öffentlicher Datenverifikation. Der Siegeszug der Cloud, die damit verbundene Transformation klassischer IT-Abteilungen und der Wegfall einer eigenen Serverinfrastruktur begünstigen die Integration der Blockchain. Ob Daten und Services in der Cloud oder Blockchain liegen und operieren, spielt in einer Welt standardisierter Schnittstellen aus technologischer Sicht keine Rolle mehr. Ausser den hohen IT-Kosten war es insbesondere die fehlende Dynamik, die diesen Trend beschleunigte.

Banken und Versicherungen schliessen ihre Systeme vermehrt einer Blockchain an, wobei sie sorgfältig abwägen, welche Daten über eine Blockchain übertragen werden – "so viel wie nötig und so wenig wie möglich", lautet hier die Devise. Durch auf der Blockchain gespeicherte Hashwerte von Daten wird die Datenintegrität unternehmensübergreifend sichergestellt.

Versicherungen erhalten dadurch die Möglichkeit, untereinander Informationen auszutauschen, abzugleichen, zu verifizieren und interne Prozesse zu beschleunigen. Banken nutzen die zugrundeliegende Technologie für den Geldtransfer, setzen dabei aber auf eine eigens für Banken betriebene Blockchain, die nicht dezentral betrieben, sondern, ganz klassisch zentral und privat verwaltet wird.

Auch die Behörden nutzen die Technologie und verlagern die elektronische Verwaltung, wie etwa öffentliche Grundbücher, zunehmend auf die Blockchain. Ein Präzedenzfall zur Rechtsauslegung der Schriftlichkeit hat den Grundstein dazu gelegt. Die Behörden statten ihre Bürger mit einer elektronischen Identität auf Basis der Blockchain aus, wodurch die Steuerzahler von schnelleren und bequemeren behördlichen Abläufen profitieren. Die Schweiz gehört als Blockchain-Pionierin somit zu den ersten Ländern, die den Wandel zur Krypto-Nation vollzieht. Dabei hat sie insbesondere während der nationalen Abstimmungskampagnen mit zahlreichen Angriffen auf die genutzte Blockchain zu kämpfen.

Szenario 3: Die Blockchain ersetzt das Internet, wie wir es kennen

Mit zunehmender Datenflut, beinahe täglich neuen Missbrauchsskandalen von Datenkraken wie Facebook und Co. sowie einer stetig grösser werdenden Masse an Fake News waren die Zeiten des Internets, wie wir es kannten, gezählt. Vertrauen wurde als Währung in der digitalen Welt immer wertvoller, und Grossunternehmen taten sich zunehmend schwer, dieses Vertrauen zu gewinnen und zu halten.

Die Blockchain löste dieses Problem, indem mittels Algorithmen Transparenz und Vertrauen in einer digitalen Welt geschaffen wurden, die mit der Zeit immer mehr Vertrauen einbüsste. Die zeitgleich stattfindende Relevanzminderung von Websites und anderen Inhaltsvisualisierungen, angetrieben von Voice Agents, Chatbots und künstlicher Intelligenz, bedingte eine neue Form der Qualitätskontrolle digitaler Inhalte. Inhaltsaggregatoren wie Voice Agents bezogen fortan ihre Informationen nur noch aus auf der Blockchain verifizierten Newsquellen. Dank eines globalen Bewertungssystems auf der Blockchain und der zunehmend wichtig werdenden Online-Reputation verringerte sich die Gefahr von Falschinformationen. Die Schwarm­intelligenz erreichte die Blockchain und machte sie zum neuen Standard für verifizierte Inhalte.

Als Nebeneffekt reduziert die Blockchain, aufgrund der dezentralen Serverarchitektur und fortgeschrittenen Verbreitung, die Gefahr eines globalen Netzausfalls auf ein Minimum. Die Kosten eines koordinierten Angriffs auf eine der mittlerweile vielen verfügbaren Blockchains und ihren Nodes stehen in vielen Fällen in keinem Verhältnis zum erzielbaren Nutzen.

Szenarien und ihre Genauigkeit

Zukunftsszenarien haben eines gemeinsam: So wie sie formuliert sind, treten sie meist nie ein. Doch das Denken in Szenarien hilft uns dabei, den Einfluss einer Veränderung in all seinen Dimensionen und Facetten besser zu erfassen und diesen für das eigene berufliche wie auch private Umfeld weiterzudenken. So haben die vergangenen technologischen Meilensteine gezeigt, dass Veränderung uns zwar später, dafür aber stärker als erwartet trifft. Oder hätten Sie vor zehn Jahren geglaubt, dass dank des Smartphone-Siegeszugs der Grossteil der Fussgänger im Jahr 2018 den Blick lieber auf das Display in der Hand als auf den Gehweg unter den Füssen richtet?

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