Digitalisierung ist Chefsache

«Das Bankgeschäft wird nie ganz online stattfinden – der Mix der Kanäle ist entscheidend»

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Wer an Business Innovation denkt, dem kommt früher oder später Zühlke in den Sinn. Seit Juli hat das Unternehmen, das auch stark in der Finanzindustrie verankert ist, mit Nicolas Durville einen neuen CEO. Im Gespräch erklärt er gemeinsam mit Heinz Rudin, Director Business Development Banking bei Zühlke, wie Banken von Zühlke profitieren können.

Nicolas Durville, CEO, Zühlke und Heinz Rudin, Director Business Development Banking, Zühlke
Nicolas Durville, CEO, Zühlke und Heinz Rudin, Director Business Development Banking, Zühlke

Zühlke feiert dieses Jahr das 50-jährige Jubiläum. Wie unterscheidet sich das damals von Gerry Zühlke gegründete Unternehmen von der heutigen Zühlke ?

Nicolas Durville : Wir waren 1968 eine sehr kleine Firma. Gerry Zühlke führte sie als Patron und brachte sich inhaltlich stark ein. Damals gab es auch Software im heutigen Sinne noch nicht. Die Firma wuchs dann stark im Bereich der Produktentwicklung und in den letzten 20 Jahren in der Softwareentwicklung. Heute sind wir mit über 1000 Mitarbeitenden an 14 Standorten in 8 Ländern erfolgreich unterwegs.

Sie sind seit Juli 2018 Zühlke-CEO. Wie möchten Sie das Unternehmen prägen ?

Durville : Unsere Strategie mit dem Ziel, Partner für Business Innovation zu sein, setzen wir weiter fort. Natürlich will ich Akzente setzen, gerade beim Banking. Ich will erstens die Beratung ausbauen, damit wir dem Kunden bei der digitalen Innovation früh zur Seite stehen können. Zweitens will ich unsere internationale Expansion vorantreiben. Und drittens soll Zühlke Unternehmen dabei unterstützen, physische Produkte und digitale Lösungen zu verschmelzen. Servitization, das ist der Trend.

Was verstehen Sie unter diesem Begriff ?

Durville : Unternehmen wollen heute nicht mehr nur ein Produkt anbieten, sondern es in eine Dienstleistung verwandeln und so eine Gesamtlösung ermöglichen. Über ein Produkt alleine kann man sich kaum mehr differenzieren.

Zühlke will also zum Berater werden. Wo erreichen Sie mit dieser Strategie die Kunden ?

Durville : Dort, wo Business, Technologie und das Endkundenerlebnis in der Praxis aufeinandertreffen. Was wir nicht machen, ist klassische Beratung für die Unternehmensstrategie oder für Reorganisationen. Wenn der Kunde merkt, dass er sich verändern muss, und Technologie als Enabler für diese Veränderung erkennt, dann kommen wir ins Spiel.

Der Kunde denkt also an Technologie und kommt automatisch zu Ihnen ?

Durville : Er muss nicht zwingend an Technologie denken, aber er muss erkannt haben, dass Technologie ihm einen kompetitiven Vorteil verschaffen kann, und er muss bereit sein, sich zu verändern. Wir definieren dann Strategien, die technologisch umsetzbar sind. Beispiele dafür sind der Aufbau von Innovation Labs, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle mit künstlicher Intelligenz oder die Optimierung von Customer Journeys.

Heinz Rudin : Wir schärfen die Ideen des Kunden, holen über einen Prototyp erste Kundentests und -feedbacks ein und sammeln dann möglichst schnell erste Erfahrungen auf dem Markt.

Wie will Zühlke Finanzdienstleister auf dem Weg zum digitalen Unternehmen unterstützen?

Durville : Finanzdienstleistungen sind im Umbruch. Es ist enorm viel Energie im Markt, aber auch viel Verunsicherung. Unser Anspruch ist es, den Kunden Orientierung zu geben und sie für die Zukunft fit und erfolgreich zu machen. Wir wollen sie dabei unterstützen, dass sie von Anfang an auf die richtigen Ideen setzen, und sie bis zur Realisierung begleiten. Unsere Kernkompetenz ist die Verbindung von Business und Technologie, sodass die Endkunden von der Lösung begeistert sind. Die Branchen-Expertise kommt dabei häufig von unseren Kunden, da dies ihre Kernkompetenz ist und sie ihr Geschäft am besten kennen. Mit ihnen zusammen entwickeln wir dann die entsprechenden Produkte.

Zühlke soll Unternehmen dabei unterstützen, physische Produkte und digitale Lösungen zu verschmelzen. Servitization, das ist der Trend. (Durville)

Banken zu digitalisieren, das versprechen viele Anbieter. Wie holen Sie Banken zu sich ins Boot?

Rudin : Traditionell als Technologiehersteller, der Projekte in Zeit und Budget umsetzt. Heute kommen Banken direkt auf uns zu, damit wir sie bei der Realisierung von Initiativen unterstützen. Vor allem dann, wenn die Kunden erkannt haben, dass Technologie ihnen einen kompetitiven Vorteil verschafft und sie bereit sind, sich zu verändern. In einem Fall hatten wir eine Anfrage von einer Bank, sie bei der Entwicklung in eine datengesteuerte Organisation zu unterstützen. Die Disziplinen Data Governance und Data Management sowie die Datenplattform als Werkzeug für das Datenmanagement sind dabei wichtige Aspekte.

Durville: Banken kommen zu uns, wenn sie sich in einem Bereich differenzieren wollen und ein standardisiertes Produkt nicht reicht, oder wenn es eine massgeschneiderte Lösung braucht. Core-Banking-Hersteller erfüllen in den meisten Fällen die Vorgaben im Beratungsgeschäft an der Kundenfront der Banken noch nicht, und FinTech-Unternehmen decken nur Teilbereiche ab.

Wie können Banken die digitale Transformation in der Finanzbranche überstehen?

Durville: Ich bin grundsätzlich positiv gestimmt, was die Zukunft der Banken anbelangt. Es werden sicher neue Player auf den Markt kommen, aber Banken wird es auch in Zukunft brauchen. Man muss dies allerdings differenziert betrachten. Für kleine und teilweise auch mittelgrosse Privatbanken wird es schwierig werden, denn dort steigen die Investitionsvolumen für die Digitalisierung – dies zusätzlich zu den hohen Ausgaben für die Umsetzung der regulatorischen Vorgaben. Grössere Privatbanken haben bessere Karten, wenn sie die Vorteile von digitaler Beratung nutzen, eine Omni-Channel-Strategie fahren und vom Kunden her denken. Ganz online wird das Bankgeschäft nie stattfinden – der Mix der Kanäle ist entscheidend.

Welche Fragen müssen sich Banken stellen, um heutige und zukünftige Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen? Wie können sie ihre Kunden stärker in den Mittelpunkt stellen?

Rudin: Eines ist klar : Digitale Services mit Bots und Robo-Advisors können dem Kunden einen Mehrwert bieten. Data Driven Banking kann bei der Entwicklung neuer Produkte, die auf den Kunden zugeschnitten sind, helfen. Beim operativen Geschäft können Kooperationen, Standardisierung und Automatisierung Kosten senken. Ausserdem muss man Open Banking vorantreiben und seine Schnittstellen für andere Dienstleister öffnen.

Open Banking muss man vorantreiben und seine Schnittstellen für andere Dienstleister öffnen. (Rudin)

Durville: Der kulturelle Aspekt bleibt eine Herausforderung. Veränderung und Innovation sind bei den Banken immer noch ein Kraftakt. Das hängt mit ihrem Geschäftsmodell zusammen, das auf Stabilität und Verlässlichkeit beruht. Banken haben keine Fail-Fast-Kultur, denn ihr Angebot muss funktionieren und den regulatorischen Anforderungen genügen. Ausserdem ist die Branche personell relativ stark geschlossen. Banken sollten sich also überlegen, wie sie Leute von aussen anziehen und eine Umgebung schaffen können, in der das Fehlermachen erlaubt ist und als Chance gesehen wird. Das klingt relativ einfach, aber in der Realität gibt es hier leider viele interne Widerstände.

Welche digitalen Produkte hat Zühlke für Banken entwickelt ?

Rudin : Wir haben für die Bank Julius Bär eine digitale Beratungsplattform entwickelt, um die Arbeitsprozesse des Kundenberaters zu vereinfachen. Ausserdem haben wir Produkte wie ein vernetztes Sparkässeli – das Digipigi für die Credit Suisse –, den Daten-Safe für die Firma DSwiss, der bei vielen Schweizer Banken als Zusatzservice im E-Banking im Einsatz ist, oder das Onlineportal « Hypoplace » für die Hypothekenbörse AG entwickelt. Auch im Back-End-Bereich sind wir unterwegs und haben Finanzdienstleistern dabei geholfen, ihre grossen Systeme abzulösen.

Wird es Zühlke in 50 Jahren noch geben, und wie wird das Unternehmen dann aussehen?

Durville: Wenn wir weiterhin unsere Kunden in den Mittelpunkt stellen und die besten Talente gewinnen und entwickeln, wird es uns auch in 50 Jahren noch geben. Zühlke wird natürlich anders aussehen : Mitarbeiterzahlen im fünfstelligen Bereich, stärker international positioniert und in den wichtigsten Märkten präsent. Unsere Herausforderung wird darin bestehen, die Zühlke-DNA und -Werte trotz der internationalen Expansion zu bewahren. Uns treibt Innovation an, « empowering ideas ». Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das unseren Kunden auch in Zukunft bieten können.

Digitale Fitness

Auf einer Skala von 1 bis 10, als wie « digital fit » bezeichnen Sie...

9 | sich selbst?
6 | die Schweiz?
6 | die Finanzbranche?
9 | Zühlke?

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Über Zühlke

Zühlke wurde 1968 von Gerry Zühlke in Zürich gegründet, mit Fokus auf Produktinnovation. Fünf Jahre später wurde das Angebot um Softwareentwicklung erweitert, und 1980 kamen die Management-Consulting-Dienstleistungen dazu. Seit 2011 ebnet die Zühlke Ventures  AG Hightech-Start-ups den Weg zum Markterfolg. Im Jahr 2000 zog sich der Firmengründer aus dem Geschäft zurück. Seither ist die Zühlke Gruppe im Besitz von Partnern, die alle operativ im Unternehmen tätig sind. Mit Tochtergesellschaften in der Schweiz, Deutschland, Grossbritannien, Österreich, Serbien, Singapur, Hongkong und Bulgarien erzielte die Gruppe 2017 mit 960 Mitarbeitenden einen Umsatz von 154 Millionen Schweizer Franken. ( Quelle : Zühlke )

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