Tim Berners-Lee an der BCW19

Der Vater des Webs stellt seine Vision für ein besseres Internet vor

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Ein Neustart für das Internet, so lautet das erklärte Ziel von Tim Berners-Lee. Der Erfinder des World Wide Web stellte dazu an der Bosch Connected World das Projekt "Solid" vor. Besucher erfuhren ausserdem, wie Sensoren, künstliche Intelligenz und die Cloud der Mobilität und der Landwirtschaft auf die Sprünge helfen sollen.

Tim Berners-Lee will mit Dezentralisierung und Datenkontrolle die Ideale des WWW wiederbeleben. (Source: Netzmedien)
Tim Berners-Lee will mit Dezentralisierung und Datenkontrolle die Ideale des WWW wiederbeleben. (Source: Netzmedien)

In Berlin ist Boschs Konferenz rund um das Internet der Dinge (IoT) zu Ende gegangen. (Lesen Sie hier alles über Tag 1). Kurz bevor sich die Besucher der "Connected World" auf den Nachhauseweg machten, betrat noch eine echte IT-Legende die Bühne des Events. Sir Tim Berners-Lee, der vor 30 Jahren das World Wide Web erfunden hatte, berichtete dem Publikum aus den Anfangstagen von HTML, Browsern und WWW. Das Internet habe damals zwar schon existiert, es habe aber keine Möglichkeit gegeben, darüber auf einfache Weise Informationen zu teilen. Diese Möglichkeit habe Berners-Lee seinem Team am Cern geben wollen. "Vague, but exciting" (Vage, aber aufregend), habe das Urteil seines damaligen Chefs gelautet.

Berners-Lee machte keinen Hehl aus seinem Stolz auf die Erfindung des World Wide Web. Er sagte aber auch, dass die Euphorie aus der Frühzeit des Webs mittlerweile verflogen sei. Spreche er heute mit Menschen auf der Strasse, hätten diese starke Bedenken gegenüber dem Internet. Sie fühlten sich manipuliert durch Werbung, abgelenkt durch Social Media, von Fake News belogen und mit Clickbait-Inhalten in die Irre geführt. "In gewisser Weise ist das ganze Ding kaputt", sagte der Erfinder über seinen Wurf.

Mariya Gabriel, EU-Kommissarin für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, verkündete ein 9 Milliarden Euro schweres Programm für KI, Cybersecurity, High-Performance Computing und Fachkräfte. (Source: Netzmedien)

Mit Daten-Pods zu einem besseren Web

Wie werden wir fertig mit der zunehmenden Komplexität des Webs und unbeabsichtigten Konsequenzen? Wer soll das Web regulieren? Wie stellen wir die ursprüngliche Idee dahinter - Menschen zusammenzubringen - wieder ins Zentrum? Laut Tim Berners-Lee lautet die Antwort "SoLiD" (Social Linked Data). Dabei handle es sich um das Projekt eines dezentralen "Web 3.0", mit dem die notwendige Kurskorrektur vollzogen und das Internet wieder auf die richtige Bahn gebracht werden soll.

Solid soll laut Berners-Lee den Nutzern des Webs die Kontrolle über ihre Daten zurückgeben. Persönliche Informationen würden dabei in sogenannten "Pods" gespeichert. Anwendungen, die von Solid authentifiziert werden, dürften Daten aus den Pods nur dann anfordern, wenn der Benutzer der Anwendung eine Berechtigung erteile. Auch sei es möglich, persönliche Informationen unter mehreren Pods zu verteilen und so nur teilweise an Web-Plattformen freizugeben. Das Konzept eigne sich auch für Internet-der-Dinge- oder Smart-Home-Netze sowie künstliche Intelligenz (KI). Die Prinzipien des Web 3.0 stellte Berners-Lee kürzlich zum 30. Geburtstag des WWW vor.

Markus Heyn mit einer mobilen Ladestation für E-Autos und einem elektrisch betriebenen Jaguar. (Source: Netzmedien)

IoT für den Verkehr von morgen

Was lief sonst noch am zweiten Tag der Connected World? Die Keynotes am Morgen standen ganz im Zeichen neuer Formen der Mobilität. Das Auto, jahrzehntelang ein Symbol für Freiheit und Wachstum, zeige immer stärker seine Schattenseiten, sagte Markus Heyn, Mitglied der Geschäftsführung von Bosch. Städte kämpften mit einer immer grösseren Zahl an Fahrzeugen, Staus verursachten hohe Kosten für die Wirtschaft und senkten die Lebensqualität.

Die Lösung für diese Probleme laute "Mobility-as-a-Service". Das Auto werde darin mit Technologie und Dienstleistungen Teil eines Ökosystems, sagte Heyn. Möglich werde dies durch Vernetzung, Personalisierung, Automatisierung und Elektrifizierung. Wie dies in der Praxis aussehen könne, illustrierte Heyn anhand verschiedener Bosch-Lösungen. Assistenten sollen bei der Suche nach Parkplätzen und Ladestationen sowie beim Einparken helfen. Fahrzeugdaten sollen laufend ausgewertet und für die Verhinderung von Problemen verwendet werden. Fahrerlose Shuttles könnten Passagiere dereinst ohne Stress und auf smarten Routen ans Ziel bringen.

Eine Reihe von Partnerfirmen aus der IT zeigten an der Connected World ihre IoT-Lösungen. (Source: Netzmedien)

Landwirtschaft unter Zugzwang

Dem Thema IoT in der Landwirtschaft war eine der Breakout Sessions gewidmet. Vertreter von Yara International (Dünger), CNH Industrial (Landmaschinen), Tine (Milchprodukte) und Bonduelle (Gemüse) stellten Plattformen vor, mit denen sich Daten von Traktoren, Ställen oder Smartphones in der Cloud auswerten lassen. Die Angebote sollen Bauern ermöglichen, Digitalisierung und Automatisierung auf relativ unkomplizierte Weise umzusetzen. So könnten Konzepte wie Predictive Maintenance, autonome Fahrzeuge und KI auch im Agrarsektor zum Einsatz kommen. Technische Unterstützung erhalten die Betreiber dabei von Microsoft, IBM oder AWS.

Dies sei auch dringend nötig, sagte Stefan Ferber, CEO von Bosch Software Innovations. Die wachsende Weltbevölkerung und steigende Anforderungen der Konsumenten riefen nach einer höheren Lebensmittelproduktion. Gleichzeitig stehe der Landwirtschaft immer weniger Platz zur Verfügung und es müsse mit Rücksicht auf die Umwelt nachhaltig gearbeitet werden. Das IoT könne mithelfen, den Output und die Rentabilität der Bauern zu steigern. Bosch, in diesem Sektor bislang wenig präsent, habe dazu rund 200 Projekte gestartet.

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