Interview mit Tim Brown, CEO, Magnolia

Warum Tim Brown Start-ups liebt

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Im Frühjahr 2019 hat Tim Brown das Steuer beim CMS-Anbieter Magnolia übernommen. Weshalb er zum Basler Unternehmen wechselte, was er mit Magnolia vorhat und wie er über seinen vorherigen Arbeitgeber denkt, verrät der neue CEO im Gespräch.

Tim Brown, CEO, Magnolia. (Source: zVg)
Tim Brown, CEO, Magnolia. (Source: zVg)

Sie haben Anfang des Jahres das Steuer bei Magnolia als CEO übernommen. Wie ist es Ihnen seither ergangen?

Tim Brown: Es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Der Kern eines jeden grossen Unternehmens sind seine Mitarbeiter und seine Kultur. Magnolia ist erfrischend, weil es ein Team von engagierten Fachleuten hat, die sich wirklich darum kümmern, wie wir unseren Kunden zum Erfolg verhelfen können. In einer Branche, die von aggressiven, amerikanischen Softwaregiganten dominiert wird, die sich ausschliesslich auf die Steigerung ihres eigenen Wachstums konzentrieren, ist das selten.

Wie gefällt Ihnen die Stadt Basel, in der Magnolia zuhause ist?

Ich bin von Basel begeistert. Ich habe diese Kombination von Mehrsprachigkeit, positivem Denken und einer nach aussen gerichteten Unternehmenskultur noch nie erlebt, wie sie hier herrscht. Ich finde es auch immer noch erstaunlich, dass man in Basel wirklich wählen kann, ob man auf Schweizerdeutsch, Französisch oder Englisch sprechen oder zwischen allen drei Sprachen wechseln will! Und diese Kultur wird durch einen hochqualifizierten und sehr erfahrenen Pool von Softwareingenieuren und -architekten abgerundet.

Wie lautet Ihr Fazit nach den ersten Monaten als CEO?

Ich schätze, mein Fazit ist die Notwendigkeit einer klaren Fokussierung auf einen definierten Teil des Marktes, in dem man führend sein kann und eine langfristige, stabile Produkt- und Geschäftsstrategie hat, um dies zu erreichen. Wir könnten wohl eine beliebige Anzahl von Softwareprodukten entwickeln, um Marketingspezialisten bei der Webseiten-Erstellung zu unterstützen. Aber wir müssen uns auf das konzentrieren, worin wir am besten sind und wo wir einen "unfairen" Vorteil gegenüber unseren Mitbewerbern haben. Zum Beispiel durch unser Expertenwissen, unsere einzigartigen Softwarearchitekturen oder dergleichen.

Was sind die grössten Herausforderungen, vor denen ein ­Entwickler eines Content Management Systems (CMS) wie ­Magnolia heute steht?

Die erste Herausforderung besteht meiner Meinung nach darin, sich darauf zu konzentrieren, ein Produkt zu liefern, das die aktuellen und künftigen Bedürfnisse der Kunden bestmöglich erfüllt. Die Nutzung der neuesten trendigen Fähigkeiten oder Technologien kann das ermöglichen. Aber ebenso können diese Trends auch eine Ablenkung sein, die zwar das Ego stärkt, aber nicht wirklich Kundenprobleme löst.

Und die zweite Herausforderung?

Die zweite Herausforderung ist die Skalierung unserer Teams. Wir rekrutieren nur die Besten, und per Definition sind diese knapp, und viele Unternehmen mit grösseren Geldbeuteln jagen hinter ihnen her. Was wir bieten, sind eine fantastische, kollegiale Kultur und enorm bereichernde Aufgaben. Aber die Suche nach den passenden Leuten ist vor allem in der Software- und Data-Science-Branche immer noch schwierig.

Wie wollen Sie diese Herausforderungen meistern?

Die erste Methode besteht einfach darin, alles, was wir tun, ständig zu überprüfen. Herauszufinden, ob unser Produkt die Probleme von Vermarktern und Content-Redakteuren wirksam lösen kann. Wir tun dies auf der Grundlage von direktem Feedback. Die zweite Methode besteht darin, dass wir unsere Entwicklungsteams auf Basel, Ho-Chi-Minh-Stadt und Madrid verteilen. So können wir auf eine Reihe von Qualifikationspools zurückgreifen und sicherstellen, dass wir allen unseren Mitarbeitern eine attraktive Entlöhnung und interessante Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

Was macht ein gutes Content-Management-System heute aus?

Flexibilität, Offenheit und Geschwindigkeit. Der Funktionsumfang ist in gewisser Weise zweitrangig. Entscheidend ist, wie gut es das CMS den Kunden ermöglicht, ein vernetztes Ökosystem aus digitalen Plattformen aufzubauen. Nur so können sie aussergewöhnliche, personalisierte Erlebnisse auf allen Geräten und im Tempo des digitalen Zeitalters bieten.

Im April 2019 kündigten Sie an, Magnolia auf der ganzen Welt ­bekannter zu machen. Wie wollen Sie das erreichen? Und waren Sie erfolgreich?

Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir erfolgreich waren. So hat sich beispielsweise unser Bekanntheitsgrad im Zielmarkt Nordamerika in den letzten sechs Monaten verdoppelt. Unabhängige Analysten haben das ermittelt. Wir haben auch eine beträchtliche Anzahl gros­ser neuer Partner auf der ganzen Welt gewonnen, mit denen wir zusammenarbeiten.

Wie geht es weiter?

Wir stehen am Anfang eines mehrjährigen Prozesses, um den gewünschten Bekanntheitsgrad zu erreichen. Aber die ersten Anzeichen sind gut. Wir werden unsere Präsenz bei den wichtigsten Branchenveranstaltungen und -konferenzen weiter ausbauen, unsere eigenen Schulungsveranstaltungen durchführen und sicherstellen, dass die grossen Branchenanalysten von unseren Fähigkeiten wissen.

Was passiert in Ihrem Markt gerade?

Der wichtigste Einzeltrend ist, dass immer mehr Unternehmen davon absehen, einen grossen Anbieter zu wählen, der ihnen eine ganze Palette von Plattformen zur Verfügung stellt. Stattdessen bauen Firmen eine "Digital Experience Suite" aus einer kleinen Anzahl von Best-of-Breed-Anbietern wie Magnolia zusammen. Dies ist eine grundlegende Veränderung – aber aus zahlreichen Kosten-, Geschwindigkeits- und Leistungsüberlegungen völlig richtig. Und auch die grossen Branchenanalysten wie Forrester und Gartner raten nun Unternehmen, diesen Weg zu gehen.

Wie wollen Sie sich von Ihren Mitbewerbern differenzieren?

Wir sind der flexibelste, schnellste, benutzerfreundlichste und am einfachsten zu integrierende Content Hub. Um diesen herum kann der Kunde schnell alle Plattformen zusammenstellen, die er benötigt, um ein beeindruckendes digitales Kundenerlebnis zu bieten. Wir haben immer wieder bewiesen, dass wir eine schnellere Projektlaufzeit und Time-to-Value bieten als jeder andere Wettbewerber.

Wie viel entwickelt Magnolia in der Schweiz? Wie viel wird im Ausland gemacht?

Wir haben wie bereits erwähnt ein verteiltes Produktentwicklungsteam. Basel spielt eine wichtige Rolle; das tun aber auch unsere Experten in den anderen Entwicklungsbüros. Die Integration zwischen den Teams ist sehr eng – alle Büros tragen zu allen Projekten bei, was durch den intensiven Einsatz von Videokonferenzen und neueste agile Entwicklungsansätze möglich ist.

Möchten Sie an der Unternehmensstruktur von Magnolia etwas ändern?

Nein. Wir entwickeln uns schrittweise weiter, aber insgesamt funktioniert die Struktur sehr gut mit klar definierten Kernfunktionen und fünf autonomen regionalen Vertriebs- und Marketingteams in Basel, Madrid, London, Singapur und New York. Diese bringen das Unternehmen wirtschaftlich voran.

Wie sieht Ihre strategische Vision für das Unternehmen aus?

Wir glauben, dass wir die Chance haben, ein führendes Unternehmen in einem neuen, gewaltigen Markt zu werden, zu dem sich der CMS-Markt gerade entwickelt: Digitale Kundenerfahrung. Das ist ein Multi-Milliarden-Dollar-Markt und unsere Produktstrategie in Kombination mit unseren etablierten Vertriebs- und Marketing-Teams gibt uns einen echten Vorteil gegenüber den zwar grösseren, aber auch langsameren Legacy-Suite-Playern. Die Zeit wird zeigen, wie gross wir werden können.

Bevor Sie bei Magnolia anfingen, waren Sie Group Vice President, Product Management bei Oracle. Was hat Sie dazu bewogen, in ein viel kleineres Unternehmen zu wechseln?

Vor meiner Tätigkeit bei Oracle war ich CEO von zwei weiteren wachstumsstarken und sehr erfolgreichen Marketing-Software-Unternehmen. Bei Oracle langweilten mich der Mangel an Dynamik und die Firmenbürokratie. Deshalb begann ich, eine kleine Anzahl von Start-up-Teams zu beraten. Ich arbeitete sechs Monate lang mit Magnolia zusammen und liebte die Arbeit mit dem Team, schätzte das solide Produkt, das es entwickelt hatte, und die Unternehmenskultur. Die Stelle als CEO wurde frei und ich stürzte mich natürlich auf diese Gelegenheit, als sie mir angeboten wurde.

Wie ist das Leben bei Magnolia im Vergleich mit dem US-Unternehmen Oracle?

Ha! Es könnte nicht unterschiedlicher sein. Ich schätze, ob man gerne in grossen Konzernen oder in kleinen, wachstumsstarken Unternehmen arbeitet, ist Teil der eigenen DNA. Sie können sich wohl denken, wie ich ticke. Ich persönlich liebe, was ein Start-up bietet: ständig neue Herausforderungen, Erfolgserlebnisse und die totale Kontrolle über das eigene Schicksal.

Wie beeinflusst der technologische Wandel Ihr Geschäft?

Tiefgreifend. Zum Beispiel bedeutete die Einführung einer immer grösser werdenden Zahl von Endgeräten wie Handys und Smartwatches, dass wir unseren Fokus grundlegend von reinen Website-Inhalten, wie noch vor zehn Jahren, auf konsistente "Omnichannel"-Erlebnisse über alle Kanäle und Geräte hinweg verlagern mussten.

Wer sind Ihre wichtigsten Kunden?

Wir haben weltweit rund 350 Kunden, die meisten davon in den Bereichen Einzelhandel, Finanzen, Reisen und Medien. Namen, die Sie wahrscheinlich kennen werden, sind New York Times, Allianz, Tesco, Virgin Holidays, Fendi, Atlassian und Bechtle.

Was steht auf der Agenda von Magnolia für dieses und das kommende Jahr?

Wir werden eine Reihe von Integrationen mit zugehörigen Softwareplattformen auf den Markt bringen. Diese machen Integrationen in Systeme so schnell und einfach wie menschenmöglich. Wir wollen dies in den kommenden zwölf Monaten abschliessen, aber daneben auch unsere Kernfunktionalität ausbauen. So wollen wir nicht nur das Content Management, sondern auch die Personalisierung und das Testen des Contents mit der neuesten künstlichen Intelligenz und Machine-Learning-Techniken ermög­lichen.

Wo möchten Sie Ihren persönlichen Schwerpunkt setzen?

Ich bin erst seit sechs Monaten dabei, will also zunächst mal mehr vom Gleichen! Ich werde mich weiterhin darauf konzentrieren, wie wir den besten "Omnichannel Content Hub" der Welt mit erweiterter Personalisierungsfunktionalität aufbauen. Und parallel dazu will ich natürlich, dass unsere Fähigkeiten weltweit bekannter werden, sodass immer mehr globale Partner und Kunden uns wählen können, wenn wir der richtige Begleiter für sie sind.

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