Prozessoptimierung

Erfolgsfaktoren effizienter Leistungserbringung auf dem Patientenpfad

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von Florian Milde, Business Unit Leiter Noser Health, Noser Engineering

Digitale Lösungen im ambulanten wie stationären Umfeld versprechen Effizienzsteigerung in der Leistungserbringung. Doch um das Potenzial der Digitalisierung vollumfänglich auszuschöpfen, muss im Prozessdenken aller Akteure angesetzt werden.

Der Wunsch von Klinikleitern und Chefärzten ist gross, die Möglich­keiten der Digitalisierung nutzbar zu machen. Der Vergleich mit anderen Branchen zeigt auf, was möglich ist und für Spitäler machbar sein könnte. Mit dem Ziel vor Augen, die Effizienz zu steigern, Medienbrüche zu vermeiden, Kosten zu senken und die Qualität der erbrachten Leistungen zu erhöhen, weckt das Potenzial neuer digitaler Technologien und Applikationen Begehrlichkeiten. Anbieter und Lösungen mit dem entsprechenden Angebot sind schnell gefunden. Um die Erfolgsaussichten eines Projektportfolios und die resultierenden Integrationsprojekte bereits im Vorfeld zu maximieren, ist eine prozesszentrierte Analyse entlang des Patientenpfads und eine daraus resultierende Priorisierung des identifizierten Potenzials mittels bewährter Methoden ein Erfolgsgarant.

Potenzial entlang des Patientenpfads ­identifizieren

Das Erbringen medizinscher und pflegerischer Leistungen ist das Kerngeschäft jeder Gesundheitseinrichtung. Diese Prozesse müssen kontinuierlich auf Qualität und Effizienz ausgerichtet werden und sich am aktuellen Stand der Technik orientieren. Neben dieser Spital-Kernkompetenz gilt es, mittels übergeordneter Digitalisierungsstrategie laufend weitere Services entlang des Behandlungspfads optimal zu integrieren. Empfang, Administration, Raumpflege, Hotellerie, Rechnungswesen – ein modernes Tooling durchdringt all diese Bereiche und schafft die Voraussetzung für ein exzellentes und effizientes Erbringen von Leistungen am Patienten. Neben der medizinischen Leistungserbringung als Kernprozess beeinflusst die Digitalisierungsstrategie eines Spitals massgeblich die Arbeitsplatzattraktivität für Ärzte und Pflegende und kann zum Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb um begehrte Talente werden. Speziell die Voraussetzungen für Forschung und Lehre und die Verfügbarkeit von Datenkohorten als Grundlage für Studien spielen hier vermehrt eine entscheidende Rolle. Ein Blick auf den Patienten zeigt, dass sein Leidensweg lange vor dem Spitalbesuch beginnt und mit dem Austritt in den seltensten Fällen abgeschlossen wird. Dem Ein-, Aus- und Übertritt des Patienten und der Wegleitung vor Ort muss deshalb ein spezielles Augenmerk in der Digitalisierungsstrategie gewidmet werden. Dabei kann der Patient mit seinen Kundenbedürfnissen und Erwartungen umfassend, aber auch differenziert bedient werden. Die Portale, Apps und Webseiten zum Patienten stehen als digitale Visitenkarte für den Patienten als Mensch zur Verfügung. Damit sendet eine Gesundheitseinrichtung eine moderne und menschliche Botschaft und steuert ihre Wahrnehmung im Markt proaktiv.

Die Applikationslandschaft beherrschen

Potenzial für Effizienzsteigerung liegt in vielen Bereichen. Ausgehend von der bestehenden Applikationslandschaft gilt es herauszufinden, für wen und wo Effizienz verloren geht oder Quellen für Fehler oder Qualitätseinbussen zu orten sind.

Sind die vorhandenen Tools und Applikationen den verschiedenen Nutzerrollen bekannt und werden sie korrekt benutzt? Wird in den richtigen Systemen gearbeitet und sind sie optimal für die jeweilige Klinik konfiguriert? Gibt es Doppelspurigkeiten im Tooling, die zu Inkonsistenzen in der Datenqualität führen? Werden Updates der verfügbaren Systeme konsequent ausgerollt und über alle Nutzergruppen geschult? – Eine Einsicht in das Nutzungsverhalten kann hier Aufschluss geben.

Auch das Nutzen von Applikationen, die nicht durch die Spital-IT zur Verfügung gestellt werden, kann sichtbar gemacht werden und muss in die Digitalisierungsstrategie einfliessen. Die Kommunikation beispielsweise über Chats auf privaten Smartphones und das Teilen von patientenbezogenen Text- und Bildnachrichten verletzen Datenschutzrichtlinien. Werden regulatorische Vorgaben nicht eingehalten, kann das weitreichende Konsequenzen für den Einzelnen, aber auch die Institution als Ganzes haben. Zum Einhalten der regulatorischen Rahmenbedingungen sind professionelle Kommunikationstools verfügbar und können vom Spital bereitgestellt werden.

In der heterogenen Spital-IT-Welt spielt die Integration von Applikationsschnittstellen eine Schlüsselrolle. Mit Standards wie Digital Imaging and Communications in Medicine (DICOM) und Fast Healthcare Interoperability Resources (FHIR) ist die Grundlage für den Datenaustausch gelegt. Leider fehlt diese weitestgehend auf semantischer Ebene, sodass die Prozessinteroperabilität zwischen den Systemen nicht automatisch gegeben ist. Wo Prozesseschritte automatisiert und der Datenaustausch zwischen Systemen digitalisiert werden, ist vertieftes Fach- und Applikationswissen eine entscheidende Voraussetzung.

Prozesse digital neu denken

Um sich das Potenzial der Digitalisierung vollumfänglich zunutze zu machen, bedarf es allerdings der Arbeit an den Prozessen selbst. Bestehende Prozesse werden nicht digitalisiert, sondern neu gestaltet, bevor auf Applikationsebene nach Lösungen gesucht wird. Dabei ist dieses Vorgehen iterativ und benötigt Zeit, um die beste Lösung zu finden. Tools und Methoden zur Workflow-Automatisierung verlagern bestehende Arbeitsschritte ins Rechenzentrum. So verschwinden bestehende Aufgaben bei etablierten Rollen und neue entstehen in neu zu schaffenden Bereichen.

Moderne Tools bringen oft inhärente optimierte Prozesse mit sich, an denen sich ein Spital neu ausrichten sollte. Die aufwändige Konfiguration von Applikationen auf bestehende Prozesse und Systemlandschaften kann den Applikationsunterhalt erschweren und kostentreibende Abhängigkeiten in bestehende Systeme schaffen. Das Change Management nimmt deshalb eine entscheidende Rolle ein. Im heterogenen Spitalumfeld werden Applikationen in verschiedenen Kliniken, Stationen und Ambulatorien eingesetzt. Diese weisen unterschiedliche medizinische Ausrichtungen und folglich differenzierte Bedürfnisse auf. Hier steht die Harmonisierung der Prozesse im Einklang mit der Digitalisierung als Hauptherausforderung an erster Stelle.

Den Wandel herbeiführen

Um ein modernes Image sowie Effizienzsteigerung durch Digitalisierung herbeizuführen, ist deshalb beim Patientenpfad als übergreifendem Prozess anzusetzen. Sind die Kernprozesse und Schlüsselrollen identifiziert, werden bestehende IT-Mittel auf diese projiziert. Metriken und Baselines werden definiert und erhoben. Ein fokussiertes Vorgehen entlang bewährter Methoden hilft dabei, die Grundlagen für einen Wandel wo möglich quantitativ, wo hilfreich qualitativ zu erfassen. So wird Verbesserung sichtbar, messbar und Effizienz- wie auch Qualitätsprobleme können identifiziert und Lösungen gefunden werden.

Der Markt an digitalen Tools im Spitalumfeld ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. Ein Blick in den Katalog der verschiedenen Anbieter eröffnet neue Perspektiven und bietet Lösungsansätze für bekannte, aber auch bisher unbekannte Probleme. Dabei sollte aber der Blick aufs Wesentliche nicht verloren gehen. Ein übergeordnetes Denken hilft dabei, die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu fällen und nicht durch die Verfügbarkeit aktueller Lösungen und Technologien abgelenkt zu werden. Apps sind beispielsweise eine Erscheinung unserer Zeit. Sie dominieren heute als Projektionsfläche von Lösungen für Probleme jeder Art. Mit Augmented Reality, künstlicher Intelligenz und Voice Control hat bereits eine neue Generation von Technologien den Siegeszug angetreten und die technologischen Innovationszyklen werden immer kürzer. Wer Lösungen zu Problemen sucht und in Apps denkt, läuft daher Gefahr, das wahre Potenzial der Digitalisierung zu verpassen.

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