Modern Banking

Eine kundenorientierte Zukunft für Banken

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von Adrian Berger, Managing Director Finance & Telecom Solutions, Ergon Informatik

Die moderne Bank von morgen – ist sie rein digital oder spielen Niederlassungen und Berater ­immer noch eine Rolle? Wie werden Kundenbindung und -loyalität sichergestellt? Wie kommt es, dass es neue Fintechs mit einem traditionellen Angebot von Kontoführung und Zahlungen ­schaffen, dass sich ihre Nutzer innerhalb eines Onlineforums 15'000 Mal pro Monat austauschen?

Customer Centricity ist ein häufig verwendetes Schlagwort, um solche Phänomene zu erklären. Es bedeutet, den Kunden und nicht das Produkt in den Mittelpunkt zu stellen. Die Wertschöpfungskette wird so definiert, dass sie beim Kunden beginnt: Erwartungen, Bedürfnisse und Wünsche des Kunden sind der Ausgangspunkt jeglicher Entscheidungsfindung. Richtig umgesetzt ist es viel mehr als eine Marketingstrategie. Sie definiert durch einen ganzheitlichen Ansatz im besten Fall die Vision, Kultur und Strategie des Unternehmens und schliesst alle Bereiche sowie Mitarbeiter lückenlos mit ein.

Um Kundenbedürfnisse vollständig abzudecken, muss das Unternehmen nahtlos im Alltag des Kunden verankert und Dienste jederzeit abrufbar sein. Für viele Kunden, vor allem die neuen Generationen, ist das digitale Leben mittlerweile Wirklichkeit geworden. Entsprechend verändern sich auch Kaufentscheidungen, weg von gewohnten Routinen hin zu spontanen Impulsentscheiden. Der "Moment of Sale" kann jederzeit auftreten – beim Warten, im Bus oder zuhause. Die Fragen von Generationen Y und Z sind berechtigt: weshalb Aufwand betreiben, wenn dieselbe Leistung schneller und bequemer online vom Wohnzimmer bezogen werden kann. Dies erfordert eine konsequente Multi-Channel-Strategie für alle angebotenen Dienste. Der Kunde muss das Unternehmen jederzeit erreichen können, um eine gewünschte Interaktion zu vollenden – und umgekehrt ebenfalls.

"Der Kunde ist König" trägt denselben Grundgedanken, doch wo liegt der Unterschied? In der Allgegenwärtigkeit und in der kompromisslosen Ausgestaltung der Benutzerinteraktion. Denn nicht nur am Bankschalter ist der Kunde König, sondern auf allen Kanälen, jederzeit, überall und mit maximaler Einfachheit, Flexibilität und Effektivität.

Folgende Eigenschaften sind bei der Ausgestaltung von Dienstleistungen erfolgskritisch, um die gewünschte positive Wahrnehmung zu erzielen:

Geschwindigkeit: Eine Dienstleistung soll heute so schnell wie möglich – am liebsten sofort – ausgeführt werden. Es ist unverständlich, warum Zahlungen erst in ein paar Tagen ausgeführt werden sollen. Die Wichtigkeit dieses Aspekts zeigt der Erfolg von Fintechs, die ihren Onboarding-Prozess auf 15 Minuten optimiert haben. Es funktioniert voll automatisiert ohne menschliche Interaktion und ohne unterschriebenes Papier. Entscheidend ist auch die Geschwindigkeit der Kommunikation zwischen dem Kunden und der Bank. Schnelle Hilfeleistung und Beantwortung von Fragen erzeugt Vertrauen in die angebotenen Dienstleistungen.

Transparenz & Ehrlichkeit: Der Kunde erwartet eine offene Präsentation von relevanten Informationen. Preise sollen auf den ersten Blick ersichtlich sein und keine versteckten Kosten beinhalten. Sind entscheidungsrelevante Informationen schlecht zugänglich, unverständlich oder unvollständig zieht der Kunde Sekunden später weiter. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, mündet unmittelbar in einem Abbruch des Interesses. Dies bedeutet nicht, dass alles gratis sein soll, im Gegenteil. Der moderne Kunde ist nach wie vor bereit, für etwas von Wert zu bezahlen und dieser Mehrwert muss transparent offen­gelegt werden.

Benutzerfreundlichkeit: Die Ausgestaltung der Nutzer­interaktion muss kompromisslos auf Einfachheit, Sicherheit und Effektivität ausgerichtet werden. Somit schafft die Bank einen Mehrwert für neue sowie bestehende Kunden. Der Bezug von Dienstleistungen muss ein positives Erlebnis darstellen. Dies gelingt nur, wenn die Customer Journey und User Experience massgeschneidert für die Kernbedürfnisse der Kunden sind.

Die Kraft der Gemeinschaft gilt es zu nutzen

Positive Erlebnisse führen zu begeisterten Kunden, und begeisterte Kunden sind gleichzeitig der stärkste Kanal zur Neukundenakquise. Sie empfehlen Dienste oder Produkte aktiv in ihrem Umfeld, tauschen sich online in Diskussionsforen aus und geben positive Rückmeldungen auf digitalen Kanälen sowie sozialen Medien. Diese gelten oftmals als fundierte und vertrauensvolle Empfehlungen aus erster Hand – für Unternehmen unbezahlbar.

Der Kunde wird also neu zum "Verkaufsberater", den man als Unternehmen identifizieren und befähigen möchte, was man als Customer Empowerment bezeichnet. Erfolgskritisch ist hierbei die Bereitschaft eines Unternehmens, sich kontinuierlich an die Bedürfnisse seiner Kunden anzupassen. Ein offensichtlicher und altmodischer Ansatz? Erstaunlicherweise wird er oft übersehen, insbesondere im sich rasant wandelnden digitalen Umfeld. Kunden können durch Feedback und Empfehlungen über einzelne Angebote – gar über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens – aktiv mitbestimmen.

Fintechs nutzen die enge Kundenkommunikation via Forum als wichtigen Bestandteil ihres Geschäftsmodells und legen die künftige Entwicklung der Firma sozusagen in die Hände der Kunden: "Wir lassen die Bank durch unsere Kunden bauen." Entsprechend werden Entwicklungspläne maximal transparent und Nutzer können mitbestimmen. Mitbestimmen heisst, neue Vorschläge einbringen, für neue Features abstimmen usw. Als Ergebnis fühlt sich der Kunde gehört, ernstgenommen und geschätzt, was in der Konsequenz Vertrauen und Loyalität aufbaut und im Idealfall nachhaltig bindet.

Loyalität ist für die längerfristige Kundenbindung zentral. Diese ist bei neuen Generationen schwer zu erreichen, da dieser Kundengruppe auch eine opportunistische Entscheidungsfindung nachgesagt wird. Modern Banking kann helfen: Wer mit einem guten, authentischen und bequemen Angebot gewinnt, schafft nicht nur loyale Nutzer, sondern auch überzeugte Botschafter.

Ein Geschäftsmodell im Wandel

Fintechs haben zweifellos eine träge, nach innen gerichtete Industrie modernisiert und in Bewegung gebracht, aber ein entscheidender Aspekt der alten Welt bleibt vorhanden. Noch ist unklar, was das bisherige Geschäftsmodell ersetzen wird; es steht seit Beginn des modernen Bankings relativ unangefochten da. Es ist jedoch klar, dass mehr als zuvor der Schlüssel zum nachhaltigen Kundenerfolg Vertrauen in die Bank ist. Traditionell eine der Stärken der Schweizer Banken. Ein Wert, der im Vergleich zu Neueinsteigern noch Vorteile bringt, doch das künftige Banking kann nicht nur mit Tradition und erfolgreicher Vergangenheit bestehen, es muss diese Werte in die Zukunft transformieren. Vertrauen in eine Bank wird auch stark mit Sicherheit verbunden, digital wie monetär. Die IT-Sicherheit soll auf höchstem Niveau und zugleich nicht spürbar sein. Letztlich bleibt der Geschäftszweck von künftigen Banken nach wie vor die sichere und intelligente Verwaltung und Aufbewahrung von Vermögenswerten.

Durch Initiativen wie Open Banking und offene Schnittstellen (APIs) kann eine Bank mithilfe von Drittanbietern und einem Partner-Ökosystem wachsenden Kundenwünschen bestmöglich nachkommen. Dies ermöglicht einfachen Zugang zu innovativen und kundenzentrierten Dienstleistungen und kann letztlich auch zu neuen Ertragsquellen führen. Die moderne Bank benötigt also ein Geschäftsmodell, das konsequent auf Agilität und Wandelbarkeit ausgerichtet ist.

In einer zunehmend digitalen Welt stellt sich auch die Frage nach der Zukunft der Bankniederlassungen. Die Wichtigkeit von Kundennähe bleibt primär bei lokal verankerten Banken bestehen, denn diese verleihen Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Der persönliche Kontakt für umfassende Themen wie ein Hauskauf oder die komplexe Finanzberatung generieren nach wie vor einen Mehrwert für den Kunden. Sofern eine qualitativ hochwertige Dienstleistung erfolgt, ist der Kunde gerne bereit, entsprechend zu zahlen. Kurzum: Modernes Banking ist maximal kundenorientiert und kombiniert lokale und digitale Nähe erfolgreich.

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