20 Jahre Netzwoche

2013 - Skandal in Toblerone-Form

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Das IT-Jahr 2013 steht im Schatten des Spionageprogramms Prism. Durch die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden geraten nicht nur Geheimdienste, sondern auch Tech-Konzerne ins Zwielicht. Schweizer Cloud-Anbieter können indes hoffen - vorübergehend.

(Source: Netzmedien)
(Source: Netzmedien)

Die Bombe platzt am 6. Juni: Der britische "Guardian" und die US-amerikanische "Washington Post" veröffentlichen interne Dokumente, die sie vom ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden bekommen haben. Die Dokumente enthüllen zunächst, dass der Mobilfunkanbieter Verizon täglich Millionen von Kundendaten an den US-Auslandsgeheimdienst NSA weitergibt. Doch das ist erst der Anfang. Tags darauf berichten die Zeitungen über ein streng geheimes Überwachungsprogramm mit dem Codenamen Prism. Das Ausmass der Affäre kommt erst nach und nach ans Licht. Doch schon am zweiten Tag der Enthüllungen heisst es: Nicht nur Mobilfunkanbieter wie Verizon haben sich anzapfen lassen, sondern auch die Tech-Giganten. Google, Apple, Facebook, Microsoft sowie fünf weitere Internetkonzerne hätten vom Programm gewusst und den Geheimdiensten Nutzerdaten ausgehändigt.

Die betroffenen Unternehmen bestreiten die Vorwürfe. Doch einige Monate später äussert sich der Justiziar der NSA, Rajesh De, in einer Regierungsanhörung in Washington. Auf die Frage, ob Google & Co. von Prism gewusst haben, sagt er: Ja. Die "Datensammlung war ein rechtlicher Prozess, zu dem die Unternehmen verpflichtet wurden." Darüber seien die Firmen informiert worden. Es steht also Aussage gegen Aussage: GAFAM gegen die NSA - was für ein Glaubwürdigkeitswettbewerb, kommentiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Swissness soll das Cloud-Geschäft ankurbeln

Der Schnüffelskandal treibt auch die Marktforscher um. Sie sehen für US-amerikanische Cloud-Anbieter düstere Zeiten aufkommen. Aufgrund von Prism drohen den IT-Dienstleistern Einnahmeverluste von bis zu 180 Milliarden US-Dollar, wie Forrester-Analyst James Staten prognostiziert.

Schweizer Cloud-Anbieter wittern derweil ihre Chance. Denn wo die einen verlieren, profitieren die anderen. Und Schweizer Rechenzentren sind geradezu prädestiniert, sich als "sichere Häfen" zu profilieren und Unternehmen aus aller Welt Zuflucht zu bieten. Dementsprechend setzen Cloud-Provider wie Wuala, Artmotion, ­DSwiss und auch die Swisscom auf Swissness und sehen sich damit gut aufgestellt.

Doch im Herbst folgt die Ernüchterung: "Die Schweiz profitiert kaum von Prism", titelt die Netzwoche damals. Kunden von US-Hostern verlagern ihre Daten nicht im grossen Stil in die Schweiz. Auswirkungen zeigt der Schnüffelskandal dennoch: Die Leute seien sensibler, was Datensicherheit und Datenschutz angehe, sagt Michael Eichenberger, Geschäftsführer des Berner SaaS-Anbieters Stepping Stone.

Datenschutzdebatten nehmen Fahrt auf

Tatsächlich löst die Affäre auch in der Schweiz eine Debatte über Datenschutz und die Grenzen von Spionagetätigkeiten aus. Die Regierung startet eine Untersuchung zu angeblichen US-Spionageaktivitäten in der Schweiz. Gab es eine Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der NSA? Verteidigungsminister Ueli Maurer sagt: Nein, die Schweizer Regierung sei nie in Kontakt mit der NSA gestanden.

Kurz darauf kündigt Maurer im Interview mit der "Schweiz am Sonntag" eine neue Technologie an, die die Schweiz gegen US-Schnüffler schützen soll. Er nennt zwar keine Details, verspricht aber zusätzliche Sicherheit. Und auf die Frage, ob ihn die Meldung überrascht habe, dass die Amerikaner das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört haben sollen, zeigt sich der Bundespräsident abgebrüht. Er verneint und sagt: "Technisch sind solche Abhöraktionen möglich, und von Frau Merkel sind natürlich interessante Informationen zu erwarten. Die Medienberichte machen uns nun bewusst, was für Möglichkeiten die Geheimdienste heute haben - und dass offenbar jeder, der interessant ist, damit rechnen muss, abgehört zu werden."

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