Interview mit Felix Harder, Teamleiter Projekte Rheinhäfen, Geschäftsführer, Rheinports

Wie sich die Schweizerischen Rheinhäfen für die Zukunft rüsten

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An die 30 Digitalprojekte stehen bei den Schweizerischen Rheinhäfen an, verrät Felix Harder, Teamleiter Projekte bei den Schweizerischen Rheinhäfen und Geschäftsführer von Rheinports im Interview. Dabei will er verstärkt auf das Internet of Things setzen. Edge Computing ist dagegen kein Thema – vorerst.

Felix Harder, Teamleiter Projekte Rheinhäfen, Geschäftsführer, Rheinports. (Source: fotozone)
Felix Harder, Teamleiter Projekte Rheinhäfen, Geschäftsführer, Rheinports. (Source: fotozone)

Beim Wort "Schifffahrt" denke ich spontan an nostalgische ­Hafenstimmungen, in denen Digitalisierung schlicht nicht vorkommt. Wie viele gänzlich unvernetzte Schiffe laufen bei Ihnen noch ein?

Felix Harder: Die Binnenschifffahrt ist in digitaler Aufbruchstimmung. Aktuell gibt es 27 digitalisierte Pilotprojekte über automatische Schifffahrt bis Landzentralen, welche die Binnenschiffe steuern. Gänzlich unvernetzte Schiffe in der Berufsschifffahrt gibt es eigentlich keine mehr! Allerdings ist der Grad der Vernetzung sehr unterschiedlich. Alle Schiffe der Berufsschifffahrt haben etwa einen AIS-Transponder, kurz für "Automatic Information System", an Bord, mit dem sowohl die aktuelle Position des Schiffs wie auch weitere Daten übermittelt werden. Sie geben Auskunft über den Standort, Status, Schiffsname, die Flagge, Länge und Breite sowie auf freiwilliger Basis den Zielort. Die nostalgische Hafenstimmung ist manchmal, etwa in den frühen Morgenstunden, immer noch greifbar, finde ich, auch wenn die digitale Transformation voll im Gange ist.

Wie sind die Schweizerischen Rheinhäfen IT-technisch ausgerüstet?

Die IT der Schweizerischen Rheinhäfen entspricht dem aktuellen Stand der Technik. Wir setzen hauptsächlich virtualisierte Systeme ein, die sich bei uns im Haus befinden. Zudem legen wir grossen Wert auf die IT-Sicherheit. In den vergangenen Jahren wurde viel in diesen Bereich investiert, um die Sicherheit und den Betrieb zu gewährleisten.

Laut früheren Medienberichten befinden sich die Rheinhäfen mitten in der digitalen Transformation. Welche IT-Projekte ­stehen an?

Das kann ich bestätigen. In den kommenden drei Jahren stehen etwa 30 Digitalisierungsprojekte an. Diese reichen, um nur einige zu nennen, von der automatischen Rechnungseingangsverarbeitung in einem On-Premises-S/4-Hana, einem SAP-basierten Dossiermanagement unter anderem für Personalakten und Verträge mit Workflows und automatisierter Dokumentenerstellung, über eine Plattform für geografische Informationssysteme (GIS) für den gesamten land- und wasserseitigen Hafenperimeter (Port-Manager) oder eine Plattform zur Integration von Unternehmensanwendungen (EAI) zum dienstleistungsorientierten Schnittstellenmanagement. Darüber hinaus engagieren wir uns in EU-Projekten, etwa RIS-Comex oder Novimove, und in Gremien, etwa Cesni und DG Move, um auch bei der Definierung von Standards mitwirken zu können. Wir sind der Überzeugung, dass wir die Digitalisierung aktiv mitgestalten müssen, damit wir nachhaltig den Standort sichern und die Binnenschifffahrt unterstützen können.

Wo stehen die Schweizerischen Rheinhäfen bezüglich IoT-­Technologien?

Die Schweizerischen Rheinhäfen verfügen momentan noch über keine eigenen Sensorplattformen, vielleicht mit Ausnahme von AIS. Wir nutzen jedoch Sensoren für die Überwachung, die uns von Dritten zur Verfügung gestellt werden. Es ist absehbar, dass die Schweizerischen Rheinhäfen, land- wie wasserseitig, zukünftig auch vermehrt auf Internet of Things setzen. Dabei werden verschiedenste Technologien und Sensortypen zum Einsatz kommen, wie etwa optische Sensoren mit OCR-Erkennung – Optical Character Recognition – von Containernummern und Ähnlichem, Pegelstände oder Flussgeschwindigkeiten sowie landseitige Informationsgewinnung bezüglich der Verkehrssituation im Hafenperimeter.

Experten sagen, dass der Gütertransport dank intelligenter Technologien nachhaltiger werde. Was bedeutet das für den Schiffsverkehr?

Dem können wir definitiv zustimmen. Wir sind davon überzeugt, dass das Potenzial entlang der gesamten Lieferkette erst mit der Vernetzung ohne Technologie-, Medien- oder Organisationsbrüche richtig zum Tragen kommen wird. Aus diesem Grund haben die Schweizerischen Rheinhäfen frühzeitig damit begonnen, in digitale Infrastruktur zu investieren. Hierfür wurde gemeinsam mit dem "Port de Mulhouse-Rhin" die Rheinports GmbH gegründet. Das Rheinports Information System – kurz RPIS – ist zentrales Element zur Gestaltung der digitalen Transformation. Rheinports hat mit dem RPIS das weltweit erste Port-Community-System für Binnenhäfen eingeführt. Es deckt bereits die Abwicklung von Containerschiffen an zahlreichen Binnenhäfen am Oberrhein ab. Ab 2023 werden wesentliche Zollprozesse – DaziT-Integration – für die Binnenschifffahrt in der Schweiz über das RPIS abgewickelt. Es ist das Ziel, das System gemeinsam mit Partnern und Anwendern kontinuierlich zu erweitern, sodass es zu einem Standard am Rhein und weiteren Verkehrswegen in Europa wird. Zusätzlich, um den Umfang der Thematik noch etwas besser greifbar zu machen, werden aktuell diverse Projekte im Bereich "GreenPorts" lanciert, die zum Beispiel den Einsatz von Brennstoffzellen auf Binnenschiffen prüft. Der Plan ist, bis 2050 nahezu emissionsfreie Binnenschiffe auf den Wasserstrassen zu haben.

Vor ein paar Jahren zeigte ein IT-Spezialist, wie leicht ein Unbefugter auf die Steuerungssysteme einer Yacht zugreifen könnte. Wie steht es heute um die Cybersicherheit von IoT am Hafen und auf Schiffen?

Die Infrastruktur des Hafens wird überwacht und durch entsprechende Systeme geschützt. Der Schutz wird auch zyklisch hinterfragt und durch Penetration-Tests getestet. Mögliche Massnahmen werden anschlies­send umgesetzt. Durch diesen Prozess stellen die Schweizerischen Rheinhäfen die Cybersicherheit im Hafen sicher.

Nicht selten werden IoT-Geräte wegen veralteter Firmware zum ­Sicherheitsrisiko. Wie lösen Sie dieses Problem?

Systeme werden regelmässig auf Aktualisierungen überprüft und falls vorhanden, werden diese zeitnah eingespielt. Gibt es keinen Patch für eine bekannte Sicherheitslücke, wird das System so weit wie möglich eingeschränkt, beziehungsweise abgeschottet, um eine Infizierung zu vermeiden. Dadurch minimieren die Schweizerischen Rheinhäfen die Sicherheitsrisiken, wenn eine bekannte Sicherheitslücke nicht geschlossen oder aktiv ausgenutzt wird.

Welchen Stellenwert hat das Thema Edge Computing für die Schweizerischen Rheinhäfen?

Edge Computing ist für die Schweizerischen Rheinhäfen aktuell kein Thema. Wir verfügen über einen internen Serverraum, in dem die Systeme zentral gehostet werden. Mit Voranschreiten der digitalen Transformation wird die Strategie bezüglich Edge Computing, insbesondere im Bereich der mobilen Sensorplattformen, den Anforderungen des Marktes gegebenenfalls angepasst.

Was ist Ihre Vision für die Schweizerischen Rheinhäfen in zehn Jahren?

Die Schweizerischen Rheinhäfen haben ihre Prozesse weitestgehend automatisiert und physische Ablagen vollständig durch intelligente Systeme abgelöst. Dadurch hat eine starke Reduktion von redundanten Informationen und Systemen stattgefunden. Wir stellen einen digitalen Hub inmitten des Rhein-Alpen- sowie des Knotenpunkts des North-Sea-Mediterranean-Korridors und einer EU-Aus­sengrenze dar und bilden dabei ein regionales Herz der internationalen Logistikkette. Die Kooperation mit den regionalen Behörden sowie Infrastrukturbereitstellern und dem Energiesektor wird zentral sein. Schliesslich soll die Binnenschifffahrt in allen digitalen Fortschritten als nachhaltiger Verkehrsträger mithalten.

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