Energieeffizienz

Warum Rechenzentren mehr als nur den PUE-Wert nutzen sollten

Uhr

Ein neues Label soll die Energieeffizienz von Rechenzentren auf den Prüfstand stellen. Dahinter steht die Non-Profit-Organisation Swiss Datacenter Efficiency Association (SDEA). Was das Label den Betreibern bringen soll, erklärt Babak Falsafi, Professor an der School of Computer and Communication Sciences an der EPFL und Präsident der SDEA.

Babak Falsafi, Professor an der School of Computer and Communication Sciences an der EPFL, Gründer des industriell-akademischen Konsortiums Ecocloud und Präsident der SDEA. (Source: zVg)
Babak Falsafi, Professor an der School of Computer and Communication Sciences an der EPFL, Gründer des industriell-akademischen Konsortiums Ecocloud und Präsident der SDEA. (Source: zVg)

Welche Herausforderungen sehen Sie am Rechenzentrumsmarkt?

Babak Falsafi: Der Bedarf an Rechenleistung wächst weiterhin exponentiell an. So wird etwa künstliche Intelligenz heute in verschiedensten Branchen und Industrien eingesetzt, was sehr rechenintensiv ist. Da KI-basierte Entscheidungsprozesse oft zeitkritisch sind, müssen diese Systeme nah beim Kunden und den Daten sein, was zu neuartigen Edge-Datacentern führt. Trotz des wachsenden Bedarfs an Rechenleistung hat sich die Leistungssteigerung der eingesetzten CPU- und Arbeitsspeicher-Technologien in den letzten 50 Jahren stark verlangsamt und kommt vielleicht bald zu einem Ende. Um mit der Nachfrage Schritt zu halten, wird daher die Anzahl Rechenzentren weiterhin deutlich zunehmen und damit auch die Anzahl Server, Speichereinheiten und deren Energieverbrauch.

Weshalb braucht es ein Label wie das von SDEA?

Digitalisierungsbemühungen in der Schweiz sind auf leistungsfähige Rechenzentren angewiesen. Gleichzeitig will die Schweiz klimaneutral werden und bis 2050 über eine nachhaltige Energieversorgung verfügen. Eine Studie des Bundesamtes für Energie zeigt, dass sich Rechenzentren für rund 3,6 Prozent des Gesamtstromverbrauchs verantwortlich zeichnen – Tendenz steigend. Mit dem SDEA-Label stellen wir ein Instrument zur Verfügung, damit Rechenzentren nachweislich möglichst effizient betrieben werden und so wenig Strom wie nur möglich verbrauchen.

Was unterscheidet dieses Label von anderen?

Die Energieeffizienz eines Rechenzentrums wurde bisher nur mit dem PUE-Wert beurteilt. Dieser Wert ist auch Grundlage für viele Standards oder andere Labels. PUE umfasst aber nur die Gebäudeinfrastruktur: Kühlung, Licht, Energieverteilung, Notstrom und Ähnliches. Der Grossteil des Energieverbrauchs im Rechenzentrum entsteht jedoch durch die IT mit ihren Servern, Speichereinheiten und Netzwerken. Das SDEA-Label trägt dem Rechnung und basiert auf einer holistischen Betrachtung. Damit können die Energieeffizienz und die Emissionen des gesamten Rechenzentrums gemessen werden, inklusive Gebäude und IT. Für die Messung des IT-Bereichs mussten wir eine eigene Methode entwickeln.

Welche Kriterien gibt es bei der Vergabe des Labels?

Wie erwähnt erstrecken sich unsere Effizienz-Kriterien über das RZ-Gebäude und auch über die darin betriebenen IT-Infrastrukturen. Beim Gebäude haben wir die PUE-Betrachtung um den Bereich "Abwärmenutzung" erweitert. Für den IT-Bereich sind sowohl technologische wie auch nutzungsabhängige Kriterien ausschlaggebend. So ist es beispielsweise besser, teurere, aber energieeffizientere Netzgeräte zu verwenden oder Glasfaser- anstelle von Kupfer-Kabeln einzusetzen. Und bei der Nutzung ist es eine einfache Gleichung: Je höher die benötigten IT-Systeme im Schnitt ausgelastet sind, desto besser ist die Gesamtenergieeffizienz. Um das Ganze abzurunden, wird der gesamte Strombedarf eines Rechenzentrums aufgrund der eingekauften oder selbst produzierten elektrischen Energie mit deren CO2-Fussabdrücken verknüpft und als zusätzliches Kriterium verwendet.

Welche Bedingungen erfüllen Rechenzentren mit Bronze-Label?

Mit dem Bronze-Label bieten wir bereits effizienten Rechenzentren einen Einstieg ins Label. Wie bei anderen Zertifizierungen und Labels ist es wichtig, erst einmal dabei sein zu können und sich dann über die Zeit laufend zu verbessern, sodass eine höherwertige Zertifizierung möglich wird. Bronze-, Silber- und Gold-Labels sind diesbezüglich weit verbreitet. Eine Bronze-Label bedeutet im Wesentlichen eine bereits gute Energieeffizienz im Gebäudebereich und in der IT-Infrastruktur. Es muss also beides erfüllt werden, da die Werte fürs Gebäude mit den Werten aus der IT-Infrastruktur kombiniert werden.

Wann gibt es Gold?

Für eine Gold-Zertifizierung ist ein Top-PUE-Wert notwendig und eine maximale durchschnittliche Auslastung der IT-Systeme. Der PUE-Wert kann beispielsweise verbessert werden, wenn die Abwärme aus dem Rechenzentrum für andere Zwecke weitergenutzt wird. Beispielsweise fürs Heizen von Büroräumen in unmittelbarer Umgebung. Solche Recycling-Möglichkeiten werden bei der Berechnung der Energieeffizienz des Rechenzentrums berücksichtigt.

Nach welchen Kriterien wurden die Unter- und Obergrenze für die Vergabe des Labels festgelegt?

Die Kriterien basieren auf Studien über bestehende und geplante Rechenzentren in der Schweiz sowie auf Einschätzungen von Experten. Für das Gold-Label erwarten wir wie erwähnt in allen Bereichen von Gebäude bis zur IT Best-in-Class-Technologien und -Auslastungen. Dies ist meist nur bei einem topmodernen und neuen Rechenzentrum-Design möglich. Aber auch bestehende und oftmals kleinere Rechenzentren, die ebenfalls in die Energieeffizienz investieren, können sich für das Label bewerben und beispielsweise Silber oder Bronze erreichen. Die Kriterien und Zielwerte sollen übrigens kontinuierlich überprüft und angepasst werden, um mit künftigen Entwicklungen Schritt zu halten. Somit wird das Gold-Label immer Best-in-Class-Umgebungen vorbehalten sein.

Wie sieht der Prüfprozess respektive das Audit für das Label aus?

Interessierte Unternehmen erhalten von SDEA ein "Certification Package" mit den detaillierten Abläufen sowie einem Effizienz- und Emissionsrechner, dem "SDEA KPI-Tool". Dieses Tool ist das Herzstück des Labels und beinhaltet unsere Metrik. Mit dem KPI-Tool kann der Kunde anhand seiner Daten herausfinden, wie gut sein Rechenzentrum in Bezug auf Energieeffizienz und Emissionen abschneidet. Möchte er sich dann für das Label bewerben, müssen die Berechnungen durch einen unabhängigen Auditor validiert werden. Das umfasst ein Audit vor Ort sowie die Prüfung von Belegen, etwa wie nachhaltig der verwendete Strom ist. Anhand des Auditberichts entscheidet SDEA abschliessend über die Label-Ausprägung.

Wie könnte das Label den Markt für Rechenzentren beeinflussen?

Wir sehen eine wachsende Kundenbasis im B2B-Bereich, für die Nachhaltigkeit und Klimawandel wichtig ist. Diese Unternehmen erwarten auch von ihren IT-Dienstleistern Nachhaltigkeit. Mit dem Label ausgezeichnete Rechenzentren können sich über ihre Investitionen in die Energieeffizienz ihres Angebots am Markt differenzieren. Damit leistet unser Label einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige IT in der Schweiz.

Welche Rechenzentren haben bereits ein SDEA-Label?

Das HPE Customer Innovation Center in Genf war unser erstes Pilotprojekt und hat das Silber-Plus-Label erhalten. Gegenwärtig sind wir mit rund einem Dutzend weiterer Unternehmen in Kontakt. Einer der grössten Schweizer RZ-Betreiber hat bereits für eine Zertifizierung in den nächsten 12 Monaten zugesagt. Überraschend für uns ist die Tatsache, dass sich auch Behörden für das Label interessieren und unsere Kriterien etwa in einem Baugesuch berücksichtigen.

Wer steht hinter dem Label?

SDEA ist ein Verein, also eine Non-Profit-Organisation, die von einer breiten Allianz aus Forschung und Industrie getragen wird. Ausser Ecocloud an der EPFL und der Hochschule Luzern gehören Green IT Switzerland, die Swiss Datacenter Association, der Schweizerische Verband der Telekommunikation (Asut) und HPE dazu. Finanziell unterstützt wird das Label durch Energieschweiz, ein Programm des Bundes sowie unseren Premiumsponsor Schneider Electric.

Eignet sich das Label auch für den Einsatz im Ausland?

Die Grundlagen der Kriterien und der Metrik zur Beurteilung der Energieeffizienz sind primär technischer Natur. Die in der Schweiz eingesetzten Technologien unterscheiden sich nicht von anderen Ländern. Das Label kann also auch im Ausland angewendet werden, solange eine unabhängige Überprüfung gewährleistet und der CO2-Fussabdruck der eingekauften oder selbst produzierten elektrischen Energie bekannt ist.

Webcode
DPF8_245368