Pascal Kaufmann im Interview

So will AlpineAI mit SwissGPT gegen ChatGPT & Co. antreten

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Der Schweizer KI-Pionier Pascal Kaufmann schart für das Start-up AlpineAI top KI-Experten um sich. Mit der Schweizer LLM-Alternative SwissGPT will er dem mächtigen ChatGPT die Stirn bieten.

Pascal Kaufmann, einer der Gründer von AlpineAI, will mit SwissGPT eine Alternative zu den KI-Chatbots der grossen Tech-Konzerne etablieren. (Source: zVg)
Pascal Kaufmann, einer der Gründer von AlpineAI, will mit SwissGPT eine Alternative zu den KI-Chatbots der grossen Tech-Konzerne etablieren. (Source: zVg)

Wann ist die Idee entstanden, AlpineAI und SwissGPT zu realisieren? 

Pascal Kaufmann: Als am 13. November ChatGPT mit GPT-3.5 veröffentlicht wurde, habe ich das zuerst gar nicht mitbekommen. Es läuft ja so viel rund um KI und Chatbots, dass ich dem keine besondere Beachtung schenkte, bis ich Anrufe von Professoren und anderen Experten aus der AI-Szene bekam, die total hin und weg von ChatGPT waren. Und ich schliesslich selber auch, als ich es ausprobiert hatte. Ich hielt es zuerst nicht für möglich, dass ich auch auf sehr komplexe Fragen in so vielen verschiedenen Gebieten Lösungen erhalte, die ich auf Google so nicht finden würde. Vor allem in Sachen Kreativität hatte mich GPT überrascht, wenn auch Kreativität oftmals das neuartige Zusammensetzen von bekannten Bausteinen bedeutet. Anlässlich des Swiss AI-Dinner mit den führenden Schweizer Köpfen von KI-Labors vom 15. Dezember, welches wir kurz zuvor einberufen hatten, fragte ich schliesslich, was nun die vorherrschende Meinung zur Relevanz von ChatGPT sei, ob es sich um einen Hype handeln würde, wie ernst wir dies als KI-Forschende nehmen müssten. Das Fazit war unisono: Einige waren immer noch geschockt, dass die Amerikaner so weit waren und dass die Technologie derart gut adoptiert wurde, andere waren etwas ungläubig. Als Quintessenz resultierte, dass wir diese Technologie vor allem auch in Europa verstehen und weiterentwickeln sollten, um den Anschluss im Bereich der KI zu halten. Nicht, weil LLMs so smart sind, sondern weil dadurch die Spitzenforschung beschleunigt werden könnte. Und an jenem Abend haben Thilo Stadelmann, der Direktor des ZHAW Centre for AI, und ich beschlossen, dass wir SwissGPT bauen. Es ist so eine kritische und wichtige Technologie, die man nicht einfach den grosse Tech-Firmen überlassen darf. 

Also gab ChatGPT den Ausschlag?

Ja, ohne ChatGPT hätten wir weiterhin auf gleichen Niveau weitergemacht. 

Wie erleben Sie den Hype rund um ChatGPT?

Ich habe mit einigen Kollegen und Experten gesprochen, auch international. Und alle sind sich einig, dass es noch nie einen solchen Hype im KI-Bereich gegeben hat. Bei Hypes ist das aber so eine Sache. Irgendwann fallen sie wieder in sich zusammen und man kehrt auf den Boden der Tatsachen zurück. Das sieht man dann etwa im Gartner Hype Cycle, wenn die Technologien vom Gipfel der überzogenen Erwartungen ins Tal der Enttäuschung abstürzen, um dann über den sogenannten Pfad der Erleuchtung aufs Plateau der Produktivität aufzusteigen. Diesmal könnte alles sehr schnell gehen. Denken wir weiter als nur an GPT-4 oder -5. Denken wir an GPT-7. Wo könnte das alles hinführen? Wir müssen diese Technologie genau verstehen und wir müssen sie in der Schweiz bauen. Die Chancen sind enorm, es geht um Daten- und Technologie-Souveränität. 

Sie lancieren nun B2B-Anwendungen von SwissGPT. Wann wollen Sie SwissGPT für die Allgemeinheit zugänglich machen?

Wir konzentrieren uns mit SwissGPT bewusst auf das Firmenkundengeschäft, denn dort haben wir Datensicherheit. Das PrivateGPT-Produkt, das wir vorgestellt haben, richtet sich an User, die ChatGPT möglichst sicher und unter Wahrung der Privatsphäre nutzen möchten. So getätigte Prompts werden verschlüsselt an ChatGPT geschickt, sodass es für OpenAI nicht möglich ist, Rückschlüsse auf Personen, Firmen, IP-Adressen, Länder, Firmen etc. zu ziehen. Wir fokussieren uns bis auf Weiteres auf den B2B-Case und fahren experimentelle Piloten in einzelnen B2C-Anwendungen. 

Wie sehen Sie ethische Fragestellungen rund um Large Language Models wie ChatGPT? 

Ich sehe LLMs als Werkzeug. Denken Sie an einen Schreiner, der einen Stuhl zusammenschrauben muss. Ob er dafür einen Schraubenzieher oder einen Akkuschrauber verwendet, ändert nichts daran, dass der Schreiner diesen Stuhl baut. Genauso ist es, wenn Sie Algorithmen verwenden, um grosse Datenmengen zu analysieren und daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen. Sie könnten das auch manuell tun, wären damit aber Monate beschäftigt. Mit dem richtigen Tool machen Sie dieselbe Arbeit in einem Bruchteil der Zeit. Dasselbe gilt für die Forschung mit LLMs. Wenn Sie Ihre Zeit damit verschwenden wollen, langwierige Auswertungen von Forschungsarbeiten mit ihrem Gehirn abzuarbeiten, können Sie das tun. Ich möchte meine Brainpower lieber dafür einsetzen, die richtigen Fragen zu stellen. In Sachen Ethik werden wir nicht viel zu sagen haben, wenn wir nur passive Abnehmer dieser Technologien sind. 

Heisst das, man sollte alles automatisieren, was automatisiert werden kann?

Unbedingt. Denn meistens sind dies auch repetitive Aufgaben. Dinge nicht einer Maschine zum Erledigen zu geben, die sie besser erledigen kann als man selbst, wäre doch eigentlich unsinnig. Das heisst nicht, dass man Pferde und Kutscher abschaffen sollte, wenn der betreffende Prozess Freude und Spass macht, dann möge ein jeder auch ineffiziente oder repetitive Arbeiten tun. Allerdings sollten wir den Menschen die Freiheit geben, nur Aufgaben bewältigen zu müssen, die tatsächlich niemand anders besser kann. Denn so bekommt der Mensch Zeit, sich darauf zu fokussieren, was nur ein Mensch tun kann und will.

Sie bezeichnen die Schweiz als AI-Nation. Woran machen Sie das fest?

Die akademischen AI-Publikationen unserer ETHs, Unis und Fachhochschulen werden weltweit am häufigsten gelesen und referenziert. Die Googles und Metas dieser Welt sind nicht ganz zufällig in Zürich und anderen akdemischen Hotspots der Schweiz prominent vertreten. Sie schnappen sich interessante Talente und Erkenntnisse und bauen diese dann zu bahnbrechenden Produkten um, nicht immer mit der entsprechenden Würdigung der eigentlich beitragenden Talente. Die Schweiz hat eine Jahrhunderte alte Tradition in Sachen High-Tech und Innovation, man kann den Pioniergeist in vielen Dingen des Alltags sehen. Unsere Geschichte lehrt uns, dass wir, wenn es wichtig ist und sein muss, auch zusammenstehen und Grosses leisten können. Nun muss es sein, es geht um viel. 

Welche Ziele haben Sie sich und AlpineAI für die kommenden 12 Monate gesetzt?

Wir möchten in den kommenden 12 Monaten gleich viele Kunden in der Schweiz wie auch global haben. Und ich glaube, dass wir die Chance haben, bereits in einem Jahr, die wichtigsten Schweizer Firmen zu unseren Kunden zu zählen. Wir wollen ausserdem mit dem LLM von AlpineAI auch  "the tech start-up to be in" für Talente weltweit werden. 

Übrigens: Im Gegensatz zur Gratis-Version von ChatGPT soll SwissGPT die Quellen von Informationen anzeigen - und die Daten sollen in der Schweiz bleiben. Mehr zur Lancierung von SwissGPT und zu den Plänen von AlpineAI erfahren Sie hier

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