Statistik zur Fernmeldeüberwachung

Zahl behördlicher Überwachungsmassnahmen in der Schweiz verdoppelt sich

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von René Jaun und fsi

Im Jahr 2024 haben die Schweizer Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes mehr als doppelt so viele Überwachungsmassnahmen angeordnet als im Jahr davor. Besonders stark stiegen die Zahl der Antennensuchläufe sowie die Echtzeitüberwachungsmassnahmen an.

(Source: PublicDomainPictures / Pixabay.de)
(Source: PublicDomainPictures / Pixabay.de)

Schweizer Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) haben 2024 deutlich mehr Überwachungsmassnahmen beim Dienst ÜPF (Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr) angeordnet als im Vorjahr. Insgesamt waren es mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2023, wie der Bund mitteilt. Zum Vergleich: Vor einem Jahr meldeten die Behörden einen Rückgang in fast allen Kategorien für das Jahr 2023 verglichen mit 2022.

Fünf mal mehr rückwirkende Funkzellenabfragen

2024 war es umgekehrt – die meisten vom Bund veröffentlichten Zahlen sind höher als jene des Jahres 2023. Einzige Ausnahme ist die Anzahl Fahndungen, die von 37 auf 35 Massnahmen sank. Dagegen verordneten die Behörden 2024 etwa 1818 Echtzeitüberwachungen. Das sind etwa 45 Prozent mehr als die 1244 des Vorjahres. Die Anzahl der rückwirkenden Überwachungen liegt mit 6149 etwa einen Viertel über den 4957 von 2023. Noch immer um einen Fünftel stieg die Anzahl Notsuchen, nämlich von 1022 auf 1223.

Bei den Antennensuchläufen – der rückwirkenden Überwachung "aller an einem bestimmten Standort angefallenen Kommunikationen, Kommunikationsversuche und Netzzugänge, welche über bestimmte Mobilfunkzellen während eines bestimmten Zeitraumes stattgefunden haben" – habe man erstmals seit Jahren eine Verdoppelung der Massnahmen im Vergleich zum Vorjahr festgestellt, schreibt der Bund. Konkret heisst dies, dass die Behörden 44 Antennensuchläufe anordneten. Davon betroffen waren aber insgesamt 11'290 Zellen, rund fünf mal mehr als die 2168 des Vorjahres. Nach Auftraggeber aufgeschlüsselt, bescherte offenbar die Bundesanwaltschaft besonders viel Arbeit, mit 2715 Anfragen in Zusammenhang mit Antennensuchläufen. Dahinter folgen die Kantone Genf (1840), Waadt (1531) und Zürich (1209), wie der detaillierten Statistik des ÜPF zu entnehmen ist. Zählt man sämtliche Überwachungsmassnahmen, fällt deren höchster Anteil mit 19 Prozent auf den Bund. Nicht weit abgeschlagen folgen die Kantone Genf mit 16 und Zürich mit 13 Prozent.

Zunahmen verzeichnete der ÜPF auch bei den erteilten Auskünften. Er erteilte 32'225 komplexe Auskünfte (etwa Ausweiskopien oder Vertragsdaten) – rund 55 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl erteilter einfacher Auskünfte (etwa Telefonbuch- oder IP-Adressabfragen) stieg von rund 419'000 auf rund 495'000.

Dreimal mehr Massnahmen wegen Vermögensdelikten

Die Frage nach dem Grund der verordneten Massnahmen beantwortet der ÜPF mit Kategorien: 43 Prozent aller verordneter Massnahmen standen 2024 in Zusammenhang mit Vermögensdelikte. Ihre absolute Anzahl habe sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdreifacht, merkt die Behörde an. Auch die Anordnungen aufgrund strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben (19 Prozent der Massnahmen) haben sich etwas mehr als verdoppelt. 10 Prozent der Massnahmen verordneten Behörden zur Ermittlung von schweren Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Auch hier verzeichnet der Dienst ÜPF einen Anstieg an Fällen, nämlich von rund 15 Prozent.

2024 setzten hiesige Behörden 12 Mal so genannte Govware ein – 2023 waren es noch 9 Fälle. Die Anzahl Einsätze der besonderen technischen Geräte (IMSI-Catcher) belief sich 2024 auf 171 (Vorjahr: 160). 67 der Einsätze erfolgten in Zusammenhang mit Notsuchen nach vermissten Personen; weitere 53 standen in Zusammenhang mit schweren Betäubungsmitteldelikten.

Zu den mitwirkungspflichtigen Unternehmen schreibt der ÜPF, dass Swisscom am meisten Aufträge ausführte, wie auch in den Jahren zuvor. Dahinter folgen Salt, Sunrise und Lycamobile. Insgesamt vergüteten die Behörden die mitwirkungspflichtigen Unternehmen mit 6,3 Millionen Franken.

 

Aktuell ist der Bund daran, das Überwachungsgesetz zu überarbeiten. Proton, ein Schweizer Anbieter von Verschlüsselungsdiensten, ist nicht einverstanden mit der Stossrichtung des Bundesrates und überlegt deswegen, seinen Sitz ins Ausland zu verlegen, wie Sie hier lesen können.

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