KI-Gipfelbesteigung in Zürich

Prozesse, Partner, Prototypen - Accenture zeigt neues GenAI-Studio

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von Coen Kaat und fsi

Accenture hat in Zürich ein neues GenAI-Studio eröffnet, das Unternehmen auf ihrer Reise in die KI-Welt begleiten soll. Im Fokus stehen praxisnahe Anwendungen und skalierbare Prototypen. Das Unternehmen gab der Redaktion einen Einblick in die neuen Räumlichkeiten.

Accenture hat in Zürich ein neues GenAI-Studio eröffnet. (Source: zVg)
Accenture hat in Zürich ein neues GenAI-Studio eröffnet. (Source: zVg)

Im Juni hat Accenture in Zürich neue Räumlichkeiten eröffnet. Mit diesen will das Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen seinen Kunden bei der Nutzung von generativer künstlicher Intelligenz (GenAI) helfen. Das GenAI-Studio belegt etwa 360 Quadratmeter in Zürich und beschäftigt 14 Experten, die in verschiedenen Bereichen tätig sind: von GenAI über Backend-Entwicklung bis hin zu Robotik und Virtual oder Extended Reality.

Accenture betreibt weltweit mehrere solcher Studios. Das lokale Team arbeitet eng mit denen der Standorte in München und Kronberg zusammen. Jedes Studio hat einen eigenen Themenschwerpunkt - so fokussiert sich dasjenige in München etwa auf den Automotive-Bereich, während hier in Zürich Financial Services im Zentrum stehen. Kyriakos Voutsas, Financial Services and Data & AI Transformation Executive, und Marco Mantoan, Technology Innovation Lead Zürich bei Accenture DACH, gaben der Redaktion kurz nach der Eröffnung des Studios einen Einblick. 

Kyriakos Voutsas (links), Financial Services and Data & AI Transformation Executive, und Marco Mantoan, Technology Innovation Lead Zürich bei Accenture DACH. (Source: Netzmedien)

Kyriakos Voutsas (links), Financial Services and Data & AI Transformation Executive, und Marco Mantoan, Technology Innovation Lead Zürich bei Accenture DACH, zusammen mit dem digitalen Avatar "Laura". (Source: Netzmedien)

Der Weg zum KI-Gipfel

Accenture stellt die Reise in die KI-Welt symbolisch als eine Gipfelbesteigung dar. Die Reise, so wie Accenture sie schildert, beginnt im Basecamp. Dieses steht für die Grundkompetenzen, wie Kyriakos Voutsas während des Besuchs des GenAI-Studios erklärte. Hier geht es um Themen wie AI Literacy, also die Fähigkeit, grundlegende Konzepte rund um KI zu verstehen und kritisch bewerten zu können. "Wir beginnen also nicht mit der Technologie", sagte Voutsas. "Stattdessen sollten die Unternehmen zuerst wissen, wo sie KI einsetzen wollen, wo dies sinnvoll ist und wo nicht, damit sie nachher auch bewusste Entscheidungen treffen können."

Um den Gipfel zu erreichen, muss man beim Basecamp beginnen. Klingt logisch, aber tatsächlich versuchen die meisten Unternehmen, mit dem zweiten Schritt zu beginnen, wie Voutsas sagte. Es sei fast schon ein Trend, dass Unternehmen einfach ein AI Center of Excellence aufbauen, KPIs definieren und anschliessend erwarten, dass alles Weitere sich von alleine erledigt. Die Firmen würden viel in Data-Catalogs, Data-Mesh, und Datenarchitekturen investieren, ohne genau zu wissen, wieso, welchen Gipfel sie überhaupt erreichen wollen, und wer mit auf diese Reise kommen soll. Deshalb müsse Accenture Unternehmen oft zuerst zurück ins Basecamp führen, bevor es wieder in Richtung Gipfel gehen kann. 

Die technischen Voraussetzungen kommen dann in Camp 2, beim zweiten Schritt: die Infrastruktur, der Technologie-Layer, der Daten-Layer und die Applikationen. Wiederum darauf kommen gemäss Voutsas dann die Geschäftsstrategie, die Services und die Prozesse - hier legt man etwa fest, welchen Gipfel man erreichen will, also in welche Richtung die KI-Reise gehen soll. Dies könnte beispielsweise eine Verbesserung des Kundenerlebnisses sein, eine Effizienzsteigerung oder ein besseres Risikomanagement. 

Der Weg zum KI-Gipfel aus der Sicht von Accenture. (Source: zVg)

Der Weg zum KI-Gipfel aus der Sicht von Accenture. (Source: zVg)

Die Wahl der Modelle folgt im dritten Schritt. Accenture begleitet die Unternehmen hier nicht nur bei der Entscheidung; das Unternehmen kann etwa durch Training und Fine-Tuning die Foundation-Modelle an die Kundenbedürfnisse anpassen. "Ich argumentiere mittlerweile dafür, dass wir uns nicht mit den Modellen beschäftigen sollten", sagte Voutsas. Alle zwei bis drei Wochen würden neue stabile, performante Modelle auf den Markt kommen. Unternehmen sollten daher nicht eigene Large Language Models (LLM) aufbauen und trainieren; das sei finanziell nicht wirklich tragbar. Voutsas empfiehlt, je nach Use Case, stattdessen mit existierenden Modellen zu arbeiten sowie spezialisierte Small Language Models (SLM) zu entwickeln. Sie seien finanziell tragbarer und für gewisse Anwendungsfälle tatsächlich besser beim Reasoning und beim Beantworten von Fragen als generische LLMs, argumentierte er. Am Gipfel, dem vierten Punkt auf der KI-Reise, geht es schliesslich darum, den Impact generativer KI für das Geschäfts- und Betriebsmodell zu realisieren. Hier stösst das ganze GenAI-Ökosystem von Accenture dazu, um gemeinsam branchen- und anwendungsspezifische GenAI-Lösungen zu entwickeln. 

Voutsas betonte, wie wichtig es ist, auf der KI-Reise den richtigen Use Case zu identifizieren. Denn einfach einen Chatbot zu implementieren, der Dokumente durchsuchen kann, bewegt noch nichts. "Ich kann dann schneller durch Dokumente suchen und vielleicht auch direkt Übersetzungs- oder Zusammenfassungs-Funktionen verwenden, aber ich habe den zugrundeliegenden Prozess nicht verändert", sagte er. Das heisst, der Prozess und die damit verbundenen Kosten bleiben bestehen. "Und ich habe zusätzliche Kosten", sagte er. Man könne jetzt zwar stolz sagen, dass man einen Chatbot habe, aber die Cost-Income-Ratio habe sich aufgrund der KI-Investitionen verschlechtert. Während einer explorativen Experimentierphase mag das zwar in Ordnung sein. Nun gehe es aber darum, richtige Kostenvorteile mit KI zu erzielen.

Inspirieren, führen, skalieren

Wo hilft Accenture auf dieser Reise? Accenture begleitet die Unternehmen nach eigenen Angaben von Camp zu Camp und bis zum KI-Gipfel hinauf. Das GenAI-Studio soll hierbei helfen. Dieses hat drei Zwecke, wie Voutsas erklärte. 

  1. Kunden, die noch ganz am Anfang ihrer KI-Reise sind, können etwa für Inspiration-Workshops ins Studio kommen. So können sie sehen, was alles möglich ist. In diesen zeigt Accenture den interessierten Unternehmen auch Beispiele mit digitalen Avataren, Virtual oder Extended Reality und dem Metaverse. 
  2. Andere Kunden haben sich vielleicht bereits ein wenig mit KI beschäftigt, aber finden nicht die richtigen Use Cases. Dann zieht Accenture Industrieexperten hinzu, die sich mit den tatsächlichen Prozessen und Wertschöpfungsketten auskennen. "Wir reden hier nicht von ein- oder zweistündigen Workshops; dies kann auch ein paar Tage dauern", sagte Voutsas. "Am Ende haben wir eine besser qualifizierte Pipeline von Use Cases und Prozessen, an denen wir auch die nächsten zwei bis drei Jahre arbeiten können, um den KI-Gipfel zu erreichen."
  3. Schliesslich gibt es noch die Unternehmen, die die ersten zwei Phasen schon durchlaufen haben und nun ihre KI-Nutzung skalieren möchten. Das können auch etwas längere Diskussionen werden, die ein paar Wochen oder Monate dauern. Hier geht es etwa um Themen wie Regularien, Responsible AI und Infrastrukturinvestitionen - natürlich stets unter Berücksichtigung der Betriebs- und Geschäftsmodelle der Unternehmen. 

Das GenAI-Studio ist als kollaborativer Raum gedacht, in dem man sich mit Kunden und Partnern treffen kann, ergänzt Mantoan. "Wir zeigen hier Demos und Use Cases, die von anderen Teams innerhalb von Accenture und von unseren Partnern kommen." Das Studio ist aber nicht nur eine Sammlung bestehender KI-Projekte. Es ist auch dafür gedacht, neue Machbarkeitsnachweise zu liefern. "Die Kunden kommen mit einem spezifischen Bedarf und wir entwickeln darauf basierend einen Prototyp. Also keine blosse Theorie oder Powerpoint-Slides, sondern etwas Handfestes, das die Kunden evaluieren und auf echte Innovationsprojekte hochskalieren können", sagte er.

Das GenAI-Studio soll ein kollaborativer Raum werden, in dem Accenture mit Kunden und Partnern gemeinsam an KI-Lösungen arbeiten kann. Im Bild: Ouassim Fari, AI / GenAI Associate Manager bei Accenture. (Source: zVg)

Das GenAI-Studio soll ein kollaborativer Raum werden, in dem Accenture mit Kunden und Partnern gemeinsam an KI-Lösungen arbeiten kann. Im Bild: Ouassim Fari, AI / GenAI Associate Manager bei Accenture. (Source: zVg)

Zu diesem Zweck verfügen die Räumlichkeiten zudem über ein Maker's Lab mit verschiedenen 3-D-Druckern, um physische Prototypen zu erstellen. "Wir suchen Innovationen, die wir wirklich auf den Markt bringen können. So ermöglichen wir unseren Kunden, schon heute jene Technologien zu erleben, die ihr Geschäft von morgen prägen werden."

Metaverse, Avatare und KI-Agenten

Zu den verschiedenen Demos, die Accenture in seinem Studio zeigte, gehört eine Metaverse-Experience, die Accenture für ABB schuf. Die 3-D-Umgebung soll Themen wie KI und Robotik - im Rahmen der Formel E - erlebbar machen. 

An einer anderen Ecke des Studios demonstrierte Accenture einen interaktiven virtuellen Assistenten, mit dem man sprechen konnte, als sei es eine reale Person - und zwar in einer beliebigen Sprache. Der Avatar war dazu da, um Fragen zu Schweizer Versicherungsanbietern zu beantworten, und wirklich nur Fragen in diesem Bereich. Als Mantoan etwa fragte, "Was war das Resultat vom gestrigen Fussballspiel?" antwortete der Avatar daher mit "Das ist ein Thema, bei dem ich leider nicht weiterhelfen kann." Einschränkungen wie diese sollen dafür sorgen, dass das System nur fundierte, korrekte Antworten liefert und nicht zu halluzinieren beginnt.

Diese digitalen Mitarbeitenden lassen sich gemäss den Accenture-Experten für verschiedene Arten von Kundengesprächen adaptieren. Den Chatbot könnte man in 30 Minuten einrichten, sagte Mantoan. Anschliessend müsste man aber noch die Knowledge-Basis erstellen - also die Dokumente hochladen, aus denen der Avatar seine Antworten holen kann. Das Modell der digitalen Person zu erstellen dauert natürlich etwas länger. Es muss sich nicht zwingend um eine erfundene Person handeln. Denkbar ist etwa auch, dass man einen digitalen Zwilling des Geschäftsführers erstellt, damit dieser die Fragen beantwortet. 

Das GenAI-Studio hat eine Fläche von rund 350 Quadratmetern. (Source: zVg)

Das GenAI-Studio hat eine Fläche von rund 350 Quadratmetern. (Source: zVg)

Die Experten gaben auch zu verstehen, dass es noch weitere Faktoren gibt, welche die Zeit bis zum Go-Live einer solchen Lösung verlängern können. Der Chatbot mag in einer halben Stunde einsatzbereit sein, aber die Security, Stabilität und Compliance sicherzustellen, kostet mehr Zeit, erklärte Voutsas. Insbesondere dann, wenn dies noch interne Freigaben vom CISO, CRO, CIO oder anderen Verantwortlichen erfordert. 

Sind solche KI-Lösungen nur etwas für Grossunternehmen? "Noch vor einem Jahr hätte ich gesagt, dass LLMs viel zu gross und zu kostenintensiv für KMUs sind", sagte Voutsas. Unterdessen seien die Kosten "rapide und wirklich signifikant" gesunken. In den nächsten ein bis zwei Jahren würde der finanzielle Aufwand ein Niveau erreichen, auf dem die Kosten auch für KMUs "sehr viel tragbarer" wären. "Das muss dann nicht nur über offizielle Plattformen passieren", sagte Voutsas. "Auch der Einsatz von ChatGPT oder Copilot kann in gewissen Prozessen bei KMUs ebenso gut eine positive Wirkung erzielen, auch wenn es nicht viel kostet."

Ein weiteres Thema, das Accenture über dieses Studio in den Markt bringen will, sind sogenannte KI-Agenten. Während Chatbots sich darauf beschränken, Fragen zu beantworten, können KI-Agenten nicht nur Informationen liefern, sondern auch handeln. Sie können verstehen, bearbeiten, entscheiden und agieren, erklärte Mantoan. Die Idee ist, dass eine Reihe von Agenten in einer Kette ganze Arbeitsprozesse automatisieren können. "Die KI-Agenten werden es daher auch sein, die den Arbeitsmarkt aufwirbeln werden, da sie autonom arbeiten können", sagte Mantoan. Diese massive Änderung sei aber "eine Transformation, durch die wir schnell gehen werden", sagte er. Das bedeutet jedoch nicht, dass weniger Arbeitsplätze benötigt werden. Allerdings werden die Arbeitsplätze nach dieser Transformation gemäss Mantoan andere Skills voraussetzen. 

 

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