New Work ist in der Schweizer Softwarebranche angekommen
Schweizer Softwareunternehmen zählen zu den Vorreitern für neue Formen der Zusammenarbeit. Doch es gibt auch Grenzen, wie der diesjährige Swiss Software Industry Survey offenbart. Derweil spürt die Branche den wirtschaftlichen Druck und verzeichnet eine höhere Mitarbeiterfluktuation.
Die Schweizer Softwarebranche ist geprägt von einer stark unterstützenden, menschenorientierten Unternehmenskultur. Zu diesem Schluss kommen die Autoren des diesjährigen Swiss Software Industry Survey (SSIS). Die Universität Bern befragte dafür im Auftrag des Branchenverbandes Swico insgesamt 189 Unternehmen aus der hiesigen Softwareindustrie und legten den thematischen Schwerpunkt der 11. Ausgabe auf das Thema New Work.
Wie die Antworten zeigen, fördern die meisten Schweizer Softwareunternehmen eine familiäre Atmosphäre. Enge zwischenmenschliche Beziehungen wiegen stärker als formale Hierarchien und administrative Führung. Organisationsstrukturen seien meist flach und dezentral, wobei Entscheidungsbefugnisse auf verschiedene Ebenen verteilt würden, schreiben die Autoren in der Zusammenfassung der Studie.
Geschäftseinheiten geniessen demnach oft ein hohes Mass an Autonomie, und Innovationen entstehen häufig von unten nach oben, anstatt ausschliesslich von der Unternehmensleitung vorgegeben zu werden.
Mehr Homeoffice für Softwareentwickler
Viel Entscheidungsfreiheit gewähren Softwareunternehmen ihren Angestellten auch bei der Organisation ihrer Arbeit. Dazu gehört auch die Wahl des Arbeitsortes: Insgesamt können Mitarbeitende in etwa der Hälfte der Unternehmen mindestens 50 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, wie die Studienautoren schreiben.
Allerdings gibt es hier Unterschiede je nach konkretem Tätigkeitsgebiet: So profitieren Softwareentwickler von der grössten Flexibilität – in 58,5 Prozent der Unternehmen dürfen sie mindestens die Hälfte der Zeit remote arbeiten. Bei Mitarbeitenden in nicht kundenorientierten Funktionen liegt der Anteil bei 54,2 Prozent, während er bei kundenorientierten Tätigkeiten niedriger ausfällt (41,4 Prozent).

Zeit im Homeoffice nach Tätigkeitsgebiet. (Source: Swiss Software Industry Survey 2025)
Was die Festlegung der Homeoffice-Regeln angeht, erfolge sie zumeist (fast bei 60 Prozent) auf Organisationsebene. 53,6 Prozent der Befragten gaben aber auch an, die Homeoffice-Entscheidung den einzelnen Mitarbeitenden zu überlassen. Das Schlusslicht bilden Entscheidungen auf Teamebene mit etwas über 43 Prozent.
Bei allem Flair für New Work stellten die Autoren des SSIS auch einen Gegenpol fest: Lohnfragen werden nämlich mehrheitlich traditionell geregelt und vom Management bestimmt. In grösseren Firmen seien zudem formale Abläufe, etwa bei Trainingsprozessen, stärker ausgeprägt als in kleineren Betrieben, hebt der Swico in seiner Mitteilung zur Studie hervor.
IT-Tools sind geregelt, mit KI wird experimentiert
Einen bemerkenswerten Unterschied machten die Studienautoren im Bereich der IT-Tools und KI-Tools aus. Mit welchen IT-Tools Mitarbeitende arbeiten, werde nämlich mehrheitlich auf Organisationsebene festgelegt, fanden die Autoren heraus. Dies dürfte daran liegen, dass sich auf diesem Gebiet klare Standards etabliert hätten. Nur 36,9 Prozent der Unternehmen erlauben Mitarbeitenden, Tools selbst zu wählen, wobei Mitarbeitende in nicht kundenorientierten Rollen mehr Flexibilität geniessen.
Demgegenüber sind die Würfel im Bereich der KI-Tools nicht gefallen – oder wie es die Studie ausdrückt: "die meisten Unternehmen befinden sich noch in einer experimentellen Phase ohne strikte Nutzungsrichtlinien". Mehr als die Hälfte (52,5 Prozent) der Unternehmen erlaubt ihren Mitarbeitenden, selbst zu entscheiden, welche KI-Tools sie verwenden.

Einsatzgebiete von KI-Technologien in Schweizer Softwareunternehmen. (Source: Swiss Software Industry Survey 2025)
In der Tat haben hiesige Softwareunternehmen bei der KI-Nutzung im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt: 46,8 Prozent der Unternehmen gaben vergangenes Jahr noch an, KI in der Softwareentwicklung einzusetzen. 2025 schoss dieser Wert hoch auf 81,4 Prozent, wie die Autoren feststellen. Der Anteil der Unternehmen, die KI seit mehr als 18 Monaten einsetzen, liege übrigens bei etwa 13 Prozent. Alle anderen räumen ein, KI erst seit weniger als 18 Monaten zu nutzen.
Mehr Margendruck, mehr Fluktuation
Und wie geht es der hiesigen Softwarebranche im Allgemeinen? Na ja, scheint die Branche im SSIS zu antworten: Die Branche stehe unter zunehmendem Druck und zeige weniger Zuversicht im Hinblick auf das Jahr 2025, heisst es in der Zusammenfassung. Die Gewinnmargen sind unter Druck geraten und sanken insgesamt von 9,1 Prozent im Jahr 2023 auf 6,4 Prozent im Jahr 2024. Das grösste Minus verzeichnete das Segment der Standardsoftwarehersteller mit 6,6 Prozent. Dagegen scheren die Hersteller von Individualsoftware aus, mit einem Plus von rund einem Prozent.
Auch die Umsatzerwartungen für 2025 und 2026 fallen verhaltener aus. In Bezug auf die Beschäftigung rechnen die Unternehmen in den kommenden Jahren mit einer weitgehend stagnierenden Entwicklung.
Eine Zunahme verzeichnen hiesige Softwareunternehmen bei der Mitarbeiterfluktuation. 2024 stieg sie im Vergleich zum Vorjahr von 8,6 auf 15,1 Prozent. Besonders stark betroffen waren Beratungsfirmen mit einer Fluktuationsrate von 19,8 Prozent, wie der Swico anmerkt. Der Anstieg dürfte einerseits mit der hohen Mobilität von IT-Fachkräften zusammenhängen, andererseits mit dem angespannten wirtschaftlichen Umfeld, das in vielen Unternehmen zu Restrukturierungen führt.

EBIT-Margen 2024. (Source: Swiss Software Industry Survey 2025)
Rund 11,1 Prozent ihres Gesamtumsatzes erzielten hiesige Softwareunternehmen im Ausland – im Vorjahr waren es noch 3,6 Prozentpunkte weniger. Nach Branchen aufgeschlüsselt, ist der beste Auftraggeber die öffentliche Hand, die 18,6 Prozent des Umsatzes verzeichnet.
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