Wie der Kanton Zürich den digitalen Wandel vorantreiben will

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Verwaltungen geraten zunehmend unter Druck, den digitalen Wandel voranzutreiben. Wie der Kanton Zürich dies erreichen will, erklärt Hansruedi Born, Leiter des Amts für Informatik und CIO des Kantons Zürich. Er spricht über die Krux der KI-Regulierung, über die Kritik an der Microsoft-Cloud und über seinen persönlichen Antrieb.

Hansruedi Born, CIO Kanton Zürich und Leiter Amt für Informatik. (Source: zVg)
Hansruedi Born, CIO Kanton Zürich und Leiter Amt für Informatik. (Source: zVg)

Als der KI-Hype im Dezember 2022 einsetzte, war die Aufregung gross. Wenn Sie Ihre heutige Perspektive mit der von damals vergleichen: Wie hat sich Ihre persönliche Haltung seither entwickelt?

Hansruedi Born: KI war damals ein faszinierendes Versprechen, das viele Erwartungen geweckt hat. Heute sehe ich das Thema differenzierter. Die Chancen, wie eine Effizienzsteigerung in der Verwaltung oder die Verbesserung von Entscheidungsprozessen, sind greifbarer geworden. Gleichzeitig sind mir die Risiken bewusster geworden, wie Datenschutz, ethische Fragen wie Bias, Diskriminierung oder die zunehmende Gefahr von Desinformation und Manipulation durch Deepfakes oder Social-Media-Agenten. Diese Ambivalenz hat meine Haltung geschärft, weg vom Hype, hin zu einer verantwortungsvollen und reflektierten Gestaltung.

Was leiten Sie daraus für die KI-Strategie der kantonalen Verwaltung ab?

In der kantonalen Verwaltung sammeln wir Erfahrungen mit KI an verschiedenen Stellen. Beispiele sind die Standortförderung der Volkswirtschaftsdirektion oder der Bildungsbereich, in dem die Bevölkerung die Auswirkungen bereits spürbar erlebt. Es sind erste Produkte entstanden wie «TranscriboZH» und die App «Einfache Sprache» des Statistischen Amts. Beide werden als Open-Source-Lösungen bereitgestellt und erlauben es, KI-Hilfsmittel transparent, sicher und frei zugänglich zu nutzen.

Wo setzen Sie heute andere Prioritäten als noch vor einem Jahr?

In den letzten zwei Jahren haben wir KI explorativ ausprobiert. Dabei haben wir vielfältige Erkenntnisse in unterschiedlichen Themenfeldern gewonnen – insbesondere die Einsicht, dass wir unsere internen Strukturen weiterentwickeln und stärken müssen, um eine industrialisierte Nutzung zu ermöglichen. KI hat keine substituierende Wirkung. Sie ist eine ergänzende Technologie. Wir verstehen KI als Teamsport: Verschiedene Einheiten bringen ihre Kompetenzen und Talente ein und wirken gemeinsam. Gleichzeitig denken wir über den Aufbau einer KI-Fabrik nach, die als Plattform für Standardisierung, Skalierung und effiziente Nutzung von KI in der Verwaltung wirkt. Langfristiger Erfolg bedeutet für mich, KI in der Verwaltung skalierbar, sicher und vertrauenswürdig einzusetzen und mit KI einen messbaren Mehrwert zu erzeugen: effizientere Prozesse für die Verwaltung, spürbarer Nutzen für Bürgerinnen und Bürger sowie transparente Abläufe für Unternehmen.

Wie stehen Sie zur Frage, wie viel Regulierung künstliche Intelligenz braucht? Laisser-faire oder feste Regeln?

Technologie hat die Menschheit schon immer angetrieben und grundlegend verändert. Manche Innovationen wie die Elektrifizierung haben sich langsam entfaltet und über Jahrzehnte hinweg Gesellschaft und Wirtschaft verändert. Andere wirkten mit abruptem Effekt, wie der Buchdruck, der Wissen demokratisierte und bestehende gesellschaftliche Ordnungen von Grund auf transformierte. Technologien unterscheiden sich also in ihrem Disruptionsgrad. Meiner Einschätzung nach gehört KI zu den Technologien mit besonders hohem disruptivem Potenzial. Sie wird die Gesellschaft in rasanter Geschwindigkeit prägen und verändern – weit über die Arbeitswelt hinaus. Deshalb ist eine kluge Regulierung so entscheidend: Sie ermöglicht es, die Chancen von KI verantwortungsvoll und zum nachhaltigen Nutzen von Staat und Gesellschaft zu erschliessen, während ihre Risiken wirksam begrenzt werden. Regulierung ist eine zentrale Voraussetzung, um den Risiken disruptiver Technologien wie KI frühzeitig und wirksam zu begegnen. Wir müssen nicht langsamer, sondern klüger innovieren – durch vorausschauende, interna­tional koordinierte und technologisch fundierte Steuerung.

Was ist aus Ihrer Sicht als CIO die grössere Gefahr für den Kanton Zürich: eine zu strenge Regulierung, die Innovation abwürgt, oder eine zu schwache Regulierung, die für Rechtsunsicherheit und mangelndes Vertrauen sorgt?

Beides ist gefährlich. Eine zu strenge Regulierung kann Innovation abwürgen und Chancen zunichtemachen. Eine zu schwache Regulierung führt zu Rechtsunsicherheit und untergräbt das Vertrauen. Entscheidend ist, dass wir ein Gleichgewicht finden zwischen klaren Rahmenbedingungen, die Sicherheit und Transparenz gewährleisten, und gleichzeitig genug Freiraum, damit innovative Lösungen entstehen können. Wir müssen aber zuerst klären, wo die Regulierung ansetzen soll, denn das Feld ist sehr breit: Technologieeinsatz, Datenzugriff, Algorithmen oder bei den Herstellern? Gerade für die Schweiz und den Kanton Zürich eröffnet KI enorme Chancen. Wir verfügen über hervorragende Rahmenbedingungen, etwa eine starke Hochschullandschaft mit international führender Forschung, ein innovationsfreund­liches Ökosystem, eine hohe Standortattraktivität für Unternehmen sowie stabile rechtliche und politische Institutionen. Wenn wir diese Stärken klug nutzen und mit einer verantwortungsvollen Regulierung kombinieren, können wir KI nicht nur sicher einsetzen, sondern auch den Innovations- und Wirtschaftsstandort nachhaltig stärken.

Welches Zwischenfazit ziehen Sie aus den bisherigen KI-Pilotprojekten, und wie sieht der Fahrplan für die kommenden Jahre aus?

Ein eindeutig positives: KI eröffnet der Verwaltung enorme Hebel, um effizienter zu arbeiten und Routinetätigkeiten intelligent zu automatisieren, Prozesse zu beschleunigen oder Ressourcen gezielter einzusetzen. Gleichzeitig ermöglicht KI uns, klarer zu kommunizieren und die Servicequalität für die Bevölkerung spürbar zu verbessern. Erste Pilotprojekte belegen, dass die Technologie funktioniert. Und dass wir mit verantwortungsvollem Design datenschutzkonforme Lösungen umsetzen können. Besonders wichtig ist mir die Dimension der Mitarbeitenden: KI soll sie entlasten. Monotone, regelbasierte Aufgaben können durch klassische Automatisierung oder Robotic Process Automation abgedeckt werden. Das eigentliche Potenzial von KI liegt aber in datengetriebenen, lernfähigen Anwendungen wie Chatbots oder virtuellen . Deshalb gilt es Assistenten. Damit wir dieses Potenzial ausschöpfen können, müssen wir unsere Mitarbeitenden gezielt befähigen. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Cybersicherheit. Mit der zunehmenden Nutzung von KI entstehen neue Angriffsflächen. Deshalb gilt es, die Sicherheitsarchitektur durch robuste technische Schutzmassnahmen, kontinuierliche Überwachung und klare Governance-Vorgaben konsequent im Fokus zu halten. KI kann die Verwaltung nur dann stärken, wenn sie sicher und vertrauenswürdig eingesetzt wird.

Wie stellen Sie sich das vor?

Für die kommenden Jahre gilt es, diese neue Technologie schrittweise zu skalieren, unsere Mitarbeitenden gezielt zu befähigen, eine enge Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft zu etablieren und durch eine ausgewogene Governance-Struktur die Steuerbarkeit sicherzustellen. Gleichzeitig müssen wir ein wirksames Risikomanagement pflegen, das technologische, organisatorische und gesellschaftliche Risiken frühzeitig erkennt und adressiert. So können wir Chancen gezielt nutzen, Vertrauen stärken und Fehlentwicklungen vorbeugen.

Was ist aus Ihrer Sicht heute die grösste operative Hürde für eine breitere Einführung von KI in der Verwaltung?

Ohne Daten ist KI wertlos. Algorithmen entfalten ihren Nutzen nur mit qualitativ hochwertigen, gut zugänglichen und vertrauenswürdigen Daten. Genau hier liegt eine grosse Hürde: In der Verwaltung sind Informationen über Ämter und Systeme verteilt, nach unterschiedlichen Standards erfasst und unterliegen strengen Datenschutzvorgaben. Es fehlt oft die durchgängige Grundlage für den umfassenden Einsatz von KI-Modellen. Die Daten, die wir nutzen wollen, müssen vollständig, aktuell, interoperabel und sicher sein – und gleichzeitig datenschutzkonform aufbereitet. Gleichzeitig darf man den menschlichen Aspekt nicht unterschätzen. KI kann unterstützen, aber nicht ersetzen. Empathie, Verantwortungsbewusstsein, Werteorientierung und Leadership bleiben zentrale Aufgaben der Menschen. KI kann uns entlasten, Qualifikationslücken schliessen und Kompetenzen gezielt fördern. Leadership wird selbst «augmentiert»: Führungskräfte nutzen Technologien, um sich stärker auf Menschen, Kultur und Strategie zu konzentrieren. Die Voraussetzung dafür ist jedoch ein Kulturwandel.

Welches grosse Problem der Zürcher Verwaltung oder welchen Bürgerservice würden Sie am liebsten mit KI revolutionieren – frei von Budget- und Datenschutz-Restriktionen?

Frei von Budget- und Datenschutz-Restriktionen würde ich mir eine KI-Assistenz wünschen, die für die Bevölkerung den Kontakt mit der Verwaltung so einfach macht wie Onlineshopping. Und zwar intuitiv, schnell und personalisiert über die drei Staatsebenen hinweg. Eine KI-Assistenz, die interne Abläufe optimiert und Mitarbeitende entlastet. Und die vorausschauend Entwicklungen und Risiken erkennt, etwa im Verkehr, in der Energieversorgung oder im Gesundheitswesen. Das würde die Verwaltung nicht nur effizienter und bürgernäher machen, sondern auch resilienter gegenüber zukünftigen Herausforderungen.

Wie fördert das Amt für Informatik den Kompetenzaufbau bei den Mitarbeitenden im Hinblick auf KI?

Der KI-Kompetenzaufbau ist eine interdisziplinäre Verantwortung. Der Kanton Zürich fördert den Kompetenzaufbau mit gezielten Lernpfaden, Austauschformaten und der Einbindung in konkrete Projekte. Der KI-Lernpfad steht bereits heute allen Mitarbeitenden der kantonalen Verwaltung offen und vermittelt praxisnah die Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz. Ergänzt wird dies durch Austauschformate wie die Arbeitsgruppe KI, die Wissenstransfer, Best-Prac­tice-Sharing und Vernetzung über Direktionen hinweg ermöglicht. So schaffen wir nicht nur Wissensaustausch, sondern auch eine gemeinsame Lernkultur, die es den Mitarbeitenden erlaubt, KI verantwortungsvoll und effektiv in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen einzusetzen.

Wo begegnen Ihnen die grössten Ängste oder Widerstände in der Verwaltung, wenn es um KI geht?

Die grössten Sorgen drehen sich um drei Punkte: Kontrollverlust, Datenschutz und die eigene Stelle. Das ist bei neuen Technologien nichts Ungewöhnliches. Das haben wir schon bei der Automatisierung und der Digitalisierung gesehen. Unser Rezept ist: erklären, befähigen, beteiligen. Dafür haben wir erstens eine KI-Anlaufstelle als verlässliche erste Adresse für klare Regeln, schnelle Antworten und persönliche Beratung. Zweitens gibt es den Digital Innovation Hub: Dort werden KI-Anwendungsfälle ausprobiert – zum Anfassen statt abstrakt, damit Nutzen und Grenzen sichtbar werden. Drittens setzen wir auf Co-Design: Mitarbeitende und Fachbereiche entwickeln Pilotprojekte von Anfang an mit, die Entscheidungen sind nachvollziehbar und fallen dort, wo die Wirkung entsteht. So wird KI greifbar und steuerbar. Und aus Skepsis wird Vertrauen.

Wie ist Ihr Amt heute aufgestellt, um auf neue Herausforderungen wie KI, Cybersicherheit und Cloud reagieren zu können?

Das Amt für Informatik hat sich seit 2018 grundlegend weiterentwickelt. Wir haben Kräfte gebündelt, klare Steuerung eingeführt und Know-how gezielt ausgebaut, wie etwa in den Bereichen Cloud, Cybersicherheit, Daten & KI, Enterprise-Architektur, Sourcing sowie Produkt- und Service-Management. Damit können wir Themen wie KI, Cybersicherheit und Cloud heute nicht nur technisch umsetzen, sondern auch von der Pilotphase bis in den sicheren Betrieb steuern. Die grosse Herausforderung ist das Wachstum unter Druck. Die Nachfrage steigt schneller als die Ressourcen, während sich die Technologien rasant weiterdrehen. Deshalb müssen wir schärfer priorisieren und treffen bewusste Make-or-Buy-Entscheide: Was bauen wir selbst, wo setzen wir auf den Markt und Partner? Zugleich gilt es, die Balance zwischen Innovation und Stabilität, Zentralisierung und Nähe zu den Fachbereichen sowie Tempo und Sorgfalt zu halten und immer den Fokus auf den öffentlichen Nutzen, die Risiken und die Machbarkeit zu setzen. Und wir müssen in einer immer stärker globalen und beschleunigten Welt Schritt halten und vorausschauend planen können. KI skaliert zunehmend, Modelle werden leistungsfähiger, Rechenleistung und Chips werden strategische Güter. Gleichzeitig nimmt die Bedrohungslage im Cyberraum zu, teils durch staatliche Akteure. Regulatorik zieht an, Datenstandort und Souveränität werden Standortfaktoren.

Der Kanton Basel-Stadt streitet aktuell über die Einführung von Microsoft 365 in der Verwaltung, während Zürich diesen Prozess bereits hinter sich hat. Was ist die wichtigste Lektion, die Sie aus dieser Diskussion gezogen haben?

Wir haben gelernt, dass die zunehmende globale Technologie-Innovation und lokale regulatorische Anforderungen nicht immer automatisch zusammenpassen. Cloud-Dienste entwickeln sich im Wochentakt weiter, während die öffentliche Verwaltung Stabilität, Nachvollziehbarkeit, Datenschutz und andere rechtliche Vorgaben gewährleisten muss. Dieses Spannungsfeld zwischen Technologie und Gesetzgebung gewinnt an Dynamik. Eine Balance zu halten, wird zunehmend anspruchsvoller. Ein weiteres wichtiges Thema ist die digitale Souveränität: Hier haben wir Klärungsbedarf. Wir müssen einen Orientierungsrahmen schaffen, der definiert, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit digitale Souveränität im gemeinsam verstandenen Sinne gewährleistet werden kann. Erst mit einem solchen Rahmen können wir unsere Rolle gegenüber Anbietern klarer ausfüllen und den oft emotional, unvollständig und problemzentrierten Dialog um die relevanten Perspektiven erweitern, ausgewogener gestalten und damit versachlichen. Digitale Souveränität entsteht nicht automatisch; sie muss durch bewusste Risikoab­wägung aktiv gestaltet werden.

In einigen Kantonen stösst die Einführung von ­Microsofts Cloud-Diensten in den Verwaltungen auf Widerstand. Die Kritiker monieren, dass die Verwaltungen sensible Daten an einen US-Konzern übertragen und dabei die digitale Souveränität aufs Spiel setzen. Können Sie dieser Kritik etwas abgewinnen?

Die Frage ist nicht, ob wir Cloud-Dienste nutzen, sondern wie wir die Nutzung gestalten. Digitale Souveränität bedeutet für mich, Technologien selbstbestimmt und sicher einzusetzen, ohne signifikanten Kontrollverlust über Daten und mit der Freiheit, zwischen vertrauenswürdigen Alternativen zu wählen. Souveränität ist nicht gleich Autarkie. Wir müssen nicht alles selbst machen, aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass andere über uns bestimmen. Entscheidend ist die Handlungsfähigkeit, also dass wir selbst entscheiden, was wir tun. Das erreichen wir durch klare Anforderungen, transparente Verträge und technische Kontrollmechanismen. Das Thema Souveränität gewinnt nicht nur durch die Digitalisierung an Bedeutung. Auch in Bereichen wie Energie, Sicherheit oder Ernährung gibt es erheblichen Klärungsbedarf. Digitale Souveränität ist damit Teil einer viel grösseren, gesellschaftlichen Frage, wie wir in zentralen Lebensbereichen unsere Handlungsfähigkeit bewahren können.

Inwieweit sehen Sie in der Abhängigkeit von Microsoft ein strategisches Problem – und gibt es einen gangbaren Ausweg?

Die digitale Welt wird heute von wenigen globalen Anbietern geprägt, die mit ihren Plattformen Standards setzen und die Geschwindigkeit der Innovation bestimmen. Für Verwaltung und Privatwirtschaft eröffnet es Chancen wie eine moderne Kollaboration, KI-Dienste und hohe Skalierbarkeit. Gleichzeitig entstehen auch Risiken wie enge Abhängigkeiten, proprietäre Schnittstellen und Lizenzmodelle oder geopolitische Einflussfaktoren, die unsere Handlungsfreiheit einschränken können. Dass diese Situation entstanden ist, hängt auch damit zusammen, dass wir in Europa und der Schweiz die Chance bislang nicht konsequent genutzt haben, echte und tragfähige Alternativen aufzubauen. Der Weg nach vorne liegt deshalb in einer ausgewogenen Strategie: Wir nutzen die Stärken globaler Plattformen bewusst und mit klaren Leitplanken, setzen parallel auf offene Standards und prüfen Alternativen, um unsere Gestaltungsspielräume zu sichern. Ziel ist nicht, alles selbst zu machen, sondern handlungsfähig zu bleiben und in kritischen Fragen selbst entscheiden zu können.

Wie beurteilen Sie das Risiko des Vendor-Lock-ins in der Cloud für den Kanton Zürich – und wie steuern Sie dagegen?

Der Vendor-Lock-in ist real und nicht nur ein Cloud-Phänomen. Auch in der On-Premises-Welt haben Plattformen wie HCL/Lotus Notes durch tief verankerte Workflows gebunden. Eine vollständige Vermeidung des Vendor-Lock-ins ist in der Verwaltung illusorisch. Viele Fachbereiche, gerade mit On-Premises-Systemen, sind auf Nischenlösungen angewiesen, etwa in Steuern, Strassenverkehr oder bei der Polizei, weil es faktisch keinen Markt für standardisierte Lösungen gibt oder die jeweiligen Datenmodelle nicht normiert sind.  Deshalb bewerten wir das Risiko fallbezogen und akzeptieren bewusst kalkulierte Abhängigkeiten, weil Faktoren wie Geschwindigkeit, Sicherheit und ein starkes Ökosystem klaren Mehrwert schaffen. Wir vermeiden einen Vendor-Lock-in nicht um jeden Preis, sondern gehen diesen dort gezielt ein, wo der Nutzen überwiegt, und sichern unsere Exit-Fähigkeit vertraglich, technisch und organisatorisch ab.

Was ist Ihr persönlicher Antrieb, sich den Herausforderungen eines CIOs einer öffentlichen Verwaltung zu stellen – und was gibt Ihnen diese Aufgabe, was ein Job in der Privatwirtschaft nicht könnte?

Mich motiviert die Wirkung meiner Arbeit. Ich kann mit meinem Team Lösungen gestalten, die vielen Menschen zugute­kommen. Die Herausforderung, Technologie mit gesellschaftlicher Verantwortung zu verbinden, ist einzigartig – und erfüllend. Gleichzeitig bietet diese Aufgabe ein breites Feld, um Erfahrungen zu sammeln, übergreifende Zusammenhänge zu verstehen und stetig zu lernen. Das sind Fähigkeiten, die auch in anderen verantwortungsvollen Funktionen von grossem Wert sind.


Zur Person
Hansruedi Born leitet das 2018 gegründete Amt für Informatik beim Kanton Zürich. Zugleich amtet er beim Kanton auch als Chief Information Officer (CIO). Zuvor war der studierte Informatiker als Group CIO & Digital Leader bei der SV-Gruppe sowie als CIO bei der Ruag Division Aviation und Division Space tätig. Born hat einen MBA-Abschluss in Technologiemanagement der Hochschule St. Gallen und RWTH in Aachen. Er ist verheiratet, Vater von drei Kindern und verbringt seine Freizeit am liebsten mit seiner Familie, auf Reisen oder als Privatpilot im Flugzeug. Quelle: Kanton Zürich

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