Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Schweizer Nachrichtendienst verstösst gegen Grundrechte

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von Chiara Binder und cka

Das Bundesverwaltungsgericht hat geurteilt, dass die derzeitige Kabelaufklärung des Nachrichtendienstes des Bundes weder grundrechtskonform, noch vereinbar mit der EMRK ist. Im Rahmen einer laufenden Gesetzesrevision soll der Gesetzgeber die Möglichkeit nutzen und den Mangel beheben.

(Source: Péter Mács / Fotolia.com)
(Source: Péter Mács / Fotolia.com)

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) betreibt Funk- und Kabelaufklärung, um sich sicherheitspolitisch relevante Informationen aus dem Ausland zu beschaffen. Bereits 2019 urteilte das Bundesgericht, dass eine sogenannte Massenüberwachung stattfinde. Es bestehe das Risiko, dass Daten der Beschwerdeführenden betroffen seien. Die potenzielle Betroffenheit berechtigte die Beschwerdeführenden, eine Unterlassung der Funk- und Kabelaufklärung zu verlangen. In diesem Zuge überprüfte das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) den Fall auch auf die Übereinstimmung mit der Bundesverfassung und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) erlaubt die Einführung von Regimes zur Massenüberwachung, sofern es im Interesse der nationalen Sicherheit gerechtfertigt ist, wie das BVGer schreibt. Zusätzlich legt die Rechtsprechung Garantien zum Schutz vor Missbrauch fest. Dazu gehört laut Mitteilung eine vorgängige und unabhängige Genehmigung einer Massenüberwachung, eine durchgängige Beaufsichtigung durch eine unabhängige Behörde sowie das Bestehen von wirksamen Rechtsmitteln für die nachträgliche Überprüfung einer Überwachung. Kommunikation, bei welcher Nachrichten aus der Schweiz versendet werden, die in der Schweiz empfangen werden, darf der NDB gemäss BVGer nicht überwachen.

Das BVGer stellt Mängel fest

Das BVGer kommt daher zum Schluss, dass das anwendbare Recht nicht genügend vor Missbrauch schützt. Umstände, unter welchen die Überwachung über Funk- und Kabelaufklärung stattfinden darf, seien zwar ausreichend definiert und auch die vorgängige Genehmigung durch ein unabhängiges Gericht sei gegeben, aber es gebe Mängel bei den anderen Punkten.

Der NDB kann demnach nicht gewährleisten, dass "nur erhebliche und richtige Daten" bearbeitet werden. Zudem fehle eine rechtliche Grundlage für den Schutz von journalistischen Quellen wie auch anderer besonders schützenswerter Kommunikation wie etwa des Anwaltsgeheimnisses. Auch die Beaufsichtigung der Informationsbeschaffung sei mangelhaft und es fehle an wirksamen Rechtsmitteln für die nachträgliche Überprüfung. Die Beeinträchtigung der Grund- und Konventionsrechte durch den NDB ist gemäss dem BVGer nicht gerechtfertigt.

Gesetzgeber erhält zweite Chance

Das Urteil führt dazu, dass die Funk- und Kabelaufklärung unterlassen werden müsste. Da jedoch eine Revision des Nachrichtendienstgesetzes ansteht, erhält der Gesetzgeber eine Möglichkeit, die festgestellten Mängel zu beheben. Das soll in einer Frist von 5 Jahren geschehen, wie das BVGer mitteilt - ist das nicht möglich, muss der NDB die Überwachung unterlassen.

Die Digitale Gesellschaft (Digiges) sieht jedoch keine Möglichkeit, wie eine solche Überwachung rechtskonform durchgeführt werden kann. "Der Nachrichtendienst darf die Schweizer Bevölkerung nicht anlasslos und massenhaft überwachen. Die Kabelaufklärung muss deshalb als Ganzes unterlassen werden, denn es steht aus unserer Sicht fest, dass sich die festgestellten schweren Mängel nicht beheben lassen", wie Erik Schönenberger, Co-Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft, in einer Mitteilung des Vereins anmerkt.

 

Auch die EU diskutiert über Überwachung. Die in einem Gesetzesentwurf geplante Chatkontrolle wurde nun wieder gestrichen. Mehr dazu lesen Sie hier.

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