Datenschützer warnen vor Alternativen

Update: EU-Staaten streichen verpflichtende Chatkontrolle aus Gesetzesentwurf

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von René Jaun und Coen Kaat und rja, jor

Die von der EU geplante Chatkontrolle ist vom Tisch. Die EU-Staaten wollen stattdessen freiwillige Kontrollen ins Gesetz schreiben und die Anbieter zu anderen Massnahmen gegen kinderpornografische Inhalte verpflichten. Auch diese sind bei Datenschützern umstritten.

(Source: pixtural / stock.adobe.com)
(Source: pixtural / stock.adobe.com)

Update vom 27.11.2025: Betreiber von Messaging-Diensten sollen die Nachrichten ihrer User nicht zwangsweise nach kinderpornografischen Inhalten durchsuchen müssen. Im neuen Entwurf zur "Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern", auf den sich die EU-Staaten einigten, ist die verpflichtende chatkontrolle nicht mehr enthalten. Damit ist offiziell, was sich seit Deutschlands Votum gegen die Massnahme bereits abzeichnete.

Im vom EU-Rat nun vorgelegten Gesetzesentwurf ist nun von einer freiwilligen Kontrollmöglichkeit die Rede: "Beispielsweise können Anbieter von Nachrichtenübermittlungsdiensten derzeit freiwillig Inhalte, die auf ihren Plattformen ausgetauscht werden, auf Online-Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs überprüfen, diese melden und entfernen. Dies ist dank einer Ausnahme von bestimmten Vorschriften im Bereich der elektronischen Kommunikation möglich", teilt der EU-Rat mit. Aktuell ist diese Ausnahmebewilligung bis zum April 2026 befristet. Der EU-Rat möchte sie jedoch auch danach beibehalten.

Während die Chatkontrolle vom Tisch ist, enthält das Gesetz dennoch verpflichtende Massnahmen für Betreiber von Onlinediensten, um die Verbreitung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs und die Kontaktaufnahme zu Kindern zu verhindern. Dabei will die EU die Plattformen in drei Risikokategorien einteilen. Dienste mit hohem Risiko könne man etwa verpflichten, zur Entwicklung von Technologien beizutragen, um die Risiken im Zusammenhang mit ihren Diensten zu mindern, schreibt die EU. Zu weiteren Massnahmen könne "die Bereitstellung von Instrumenten gehören, durch die die es den Nutzern ermöglicht wird, sexuellen Kindesmissbrauch im Internet zu melden, zu kontrollieren, welche Inhalte über sie an andere weitergegeben werden, sowie standardmässige Datenschutzeinstellungen für Kinder einzurichten". Dazu dürfte auch gehören, das Alter der User zu verifizieren, wie "T3N" anmerkt. Zudem müssen Onlinedienste Missbrauchsopfer dabei unterstützen, Darstellungen des Missbrauchs zu entfernen oder den Zugriff darauf zu sperren.

Ob die Onlineplattformen diese und weitere Massnahmen einhalten, prüfen die jeweiligen EU-Staaten. Die Verordnung sieht aber auch die Schaffung einer neuen EU-Dienststelle vor, die ihre Umsetzung unterstützt.

Auch der neue Gesetzesentwurf sorgt für Kritik bei Datenschützern. Laut "T3N" etwa sagt der Verein Digital Courage, auch freiwillige Kontrollen seien ein tiefgreifender Eingriff in die Privatsphäre und nicht zu rechtfertigen. Die Kontrolle von Altersgrenzen gefährde zudem die Anonymität im Netz.

Als Nächstes startet der EU-Rat die Einigungsverhandlungen der Verordnung mit dem Europäischen Parlament.

 

Originalmeldung vom 09.10.2025:

Deutschland erteilt "anlassloser Chatkontrolle" eine Absage

 

Deutschland erteilt der von der EU geplanten Chatkontrolle eine Absage. Das Bundesjustizministerium findet klare Worte: "Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein", zitiert der "Bayerische Rundfunk" die Justizministerin Stefanie Hubig (SPD). 

Private Kommunikation darf laut Hubig nie unter Generalverdacht stehen. Auch dürfe der Staat Messenger-Dienste nicht zwingen, Nachrichten vor dem Versenden massenhaft zu scannen. "Solchen Vorschlägen wird Deutschland auf EU-Ebene nicht zustimmen." Der Entwurf der EU sieht vor, dass die Nachrichten auf den Endgeräten geprüft werden - noch bevor sie allenfalls verschlüsselt werden. Dies würde eine End-to-End-Verschlüsselung wie die von Threema, Telegram, Signal und anderen Messenger-Diensten komplett aushebeln. 

Justizministerin Stefanie Hubig. (Source: Bundesregierung / Sandra Steins)

Justizministerin Stefanie Hubig. (Source: Bundesregierung / Sandra Steins)

Für die Idee, gegen die Umsetzung

Zuvor hatte sich Unionsfraktionschef Jens Spahn bereits dagegen geäussert. "Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind gegen die anlasslose Kontrolle von Chats", zitiert ihn das Nachrichtenportal "Heise". "Das wäre so, als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen und schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist." Gemäss dem Bericht soll die Chatkontrolle vorerst nicht im Rat zur Abstimmung kommen.

Spahn stellt sich gegen die Umsetzung, nicht aber gegen die Idee dahinter, wie er klarstellt. Zur Erinnerung: Die Überwachungsmassnahme soll Inhalte, die sich um sexuellen Missbrauch von Kindern drehen, bekämpfen. Es sei klar, dass Kindesmissbrauch bekämpft werden können müsse, betonte der Fraktionschef gemäss dem Bericht. Kinder müssten aber wirksam geschützt werden, "ohne dabei die Sicherheit und Vertraulichkeit individueller Kommunikation zu gefährden".

Unionsfraktionschef Jens Spahn. (Source: cducsu.de)

Unionsfraktionschef Jens Spahn. (Source: cducsu.de)

Das Zünglein an der Waage

Deutschlands Position wird wohl entscheidend werden; die Pro- und Kontra-Lager halten sich nämlich derzeit die Waage. Italien, Frankreich und Spanien sprachen sich für die Massnahme aus. Die Niederlande, Österreich und Polen lehnen sie ab. 

Der Bundestag plant, sich am Donnerstag, 9. Oktober 2025 um 14:10 Uhr mit dem Thema zu befassen. Für rund eine Stunde steht das "Deutsche Nein zur EU-Chatkontrolle" auf dem Programm. 

 

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