World Retail Banking Report

Etablierte Banken müssen stärker auf Daten setzen

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Retailbanken hinken bei der Bereitstellung echter Omnichannel-Erlebnisse hinterher. Deshalb ­wechseln die Kunden zu Konkurrenten, die stärker personalisierte Erlebnisse bieten. Der World Retail Banking Report 2022 deckt aber auch weitere Versäumnisse der Banken auf.

(Source: Scott Graham / Unsplash.com)
(Source: Scott Graham / Unsplash.com)

75 Prozent der Bankkundinnen und -kunden fühlen sich von kosteneffizienten und nahtlosen Dienstleistungen von Fintechs angezogen, die damit die Messlatte für das Digital-Banking-Erlebnis hochlegen. Dies geht aus dem World Retail Banking Report 2022 (WRBR) von Capgemini und Efma hervor. Traditionelle Banken haben jedoch Schwierigkeiten, diese Erwartungen zu erfüllen. 70 Prozent der ebenfalls befragten Führungskräfte im Bankensektor sind laut Studie besorgt, dass sie nicht über ausreichende Fähigkeiten zur Datenanalyse verfügen. Die Kunden sind aber heute in der Lage, den Anbieter per Mausklick zu wechseln. Deshalb ist es für Banken von entscheidender Bedeutung, Daten und künstliche Intelligenz (KI) besser zu nutzen, um das Kundenerlebnis anzupassen, stärkere Kundenbindung zu schaffen und den Kundennutzen zu maximieren.

Der jüngste Aufschwung von Fintechs in der Branche hat zu einem Paradigmenwechsel in Bezug auf die Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten an ihre Bankgeschäfte geführt und stellt die Einnahmen und die Relevanz vieler traditioneller Anbieter infrage. Jene 75 Prozent der Befragten im Report, die sich von diesen neuen, agilen Wettbewerbern angezogen fühlen, geben einerseits als Grund die schnellen, einfach zu bedienenden Produkte und Erfahrungen an, die sofort verfügbar seien und gleichzeitig kostengünstig blieben. Andererseits antwortete fast die Hälfte der Befragten, dass ihre derzeitigen Bankbeziehungen weder lohnend (49 Prozent) noch emotional verbunden (48 Prozent) seien. 52 Prozent bemängelten, dass Bankgeschäfte keinen Spass machten. Um mit den Fintech-Konkurrenten mithalten zu können, müssen Retailbanken ihre Geschäftsmodelle überdenken und sich auf eine stärkere Kundenbindung konzentrieren, wie die Studienautoren weiter ausführen.

Kunden wünschen einfachen und niederschwelligen Zugang

Mit verbesserten Data-Governance-Modellen können Banken demnach eigene Informationen über ihre Kundschaft gewinnen, die sie dann für ein wettbewerbsfähigeres digitales Marketing nutzen könnten. Die Kombination mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen (ML) eröffnet neue Möglichkeiten, um Kundinnen und Kunden zu identifizieren, zu binden und mit Echtzeit-Erlebnissen zu begeistern. Viele dieser Vorteile würden jedoch den traditionellen Banken entgehen, weil derzeit die Kapazitäten zur Verarbeitung der schieren Menge an Kundendaten fehlten.

In der Studie gaben 95 Prozent der Bankmanager an, dass Legacy-Systeme und Kernbankplattformen die Bemühungen zur Optimierung von Daten und kundenorientierten Wachstumsstrategien behindern. 70 Prozent gaben darüber hinaus an, dass es ihnen an Ressourcen zur Verarbeitung und Analyse von Daten fehlt.

«Die Formel für Wachstum klingt einfach: Kunden wollen sich angesprochen fühlen, egal ob sie ihre Bankgeschäfte in der Filiale tätigen, schon komplett digital unterwegs sind oder je nach Bedarf alle Kanäle nutzen. Die Krux für die Banken liegt in der digitalen Umsetzung», sagt Nilesh Vaidya, Global Indus­try Head, Retail Banking and Wealth Management, Financial Services Strategic Business Unit von Capgemini.

Retailbanken müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken und umstrukturieren. Es geht darum, die gleichen personalisierten, lebensstilorientierten Ökosysteme anzubieten, die Kundinnen und Kunden von ihren digitalen Interaktionen ausserhalb der Bankenwelt kennen und erwarten. Sie werden das Spiel an die agilen Fintechs verlieren, wenn sie es nicht schaffen, für ihre Kunden die Diskrepanz und die auffällige Inkonsistenz zwischen dem digitalen und dem physischen Bankerlebnis aufzulösen.

Es ist nicht so, dass die etablierten Banken nicht versuchen würden, mit den flinken Fintechs Schritt zu halten. Viele Anbieter verflechten klassische Bankangebote mit nichtfinanziellen Lifestyle-Produkten. Andere bieten Banking-as-a-Service (BaaS) und eingebettete Banklösungen über Ökosysteme von Drittanbietern aus dem Nicht-Finanzbereich an. Gemein ist diesen Plattformmodellen, dass sie bei der Sammlung von Daten für die Personalisierung helfen und eine gute Grundlage für Datenökosysteme und Echtzeiterkenntnisse bieten.

Obwohl die plattformbasierten Modelle für Banken nicht neu sind, tun sich viele Akteure noch schwer mit deren Umsetzung. In der Umfrage unter den Bankmanagern zeigt sich, dass 78 Prozent Sorgen über die Kannibalisierung von Produkten durch Ökosystempartner haben. 72 Prozent befürchten eine Verwässerung ihrer Marke. Unter den in Deutschland befragten Managern sind die Bedenken im Zusammenhang mit Ökosystempartnern noch grösser: 84 Prozent machen sich Gedanken über Auswirkungen auf Produkte und 76 Prozent auf ihre Marke. Den Autoren der Studie zufolge müssen diese Herausforderungen bewältigt werden, um die von den Kunden gewünschten personalisierten Omnichannel-Erlebnisse und Ökosystem-Journeys zu bieten. Dafür brauche es neue Technologien und den Abbau interner Silos.

"Digitale Fintechs beanspruchen einen immer grösseren Teil des Marktes für sich. Um in diesem hart umkämpften Umfeld zu bestehen, sehen wir, dass Retailbanken endlich innovative Technologien und plattformbasierte Modelle einsetzen und so das datengetriebene Wachstum optimieren", sagt John Berry, CEO von Efma. "Auch wenn sich dies bei vielen dieser etablierten Banken in den digitalen Kanälen entwickelt hat, erwarten die Kunden immer noch, dass die Filialen Erlebniszentren mit Selbstbedienungsoptionen und Finanzberatung sind. Wenn Banken ihre Fähigkeiten zum Sammeln und Analysieren von Daten ausbauen, können sie herausfinden, was ihre Kunden wollen, und das ist letztlich die Basis für ein konsistentes Omnichannel-Banking-Erlebnis."

Aus Marketingmanagern Kundenstrategen machen

Im Kontext der datengetriebenen Weiterentwicklung hin zu mehr Personalisierung und dem Beziehungsaufbau zu Kunden müssen die Marketingverantwortlichen (Chief Marketing Officer; CMO) der Banken eine zentrale Rolle einnehmen. Laut der Studie gaben 75 Prozent von ihnen an, dass sie direkt für den Markenaufbau verantwortlich sind (25 Prozent teilen sich die Rolle mit anderen Führungskräften auf Leitungsebene). Ebenso sind 63 Prozent für die Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte zuständig. Von diesen Führungskräften wird also erwartet, dass sie den gesamten Kundenlebenszyklus kennen und jede Facette der Kundenbeziehung steuern. Viele dieser CMOs sind jedoch schlecht gerüstet, um den Übergang von produkt- zu kundenorientiertem Marketing zu leiten, so der Bericht. Dies liegt vor allem daran, dass die Daten, die zur Verfolgung dieser kundenorientierten Strategien benötigt werden, unzureichend und isoliert sind. Dazu kommt, dass die Daten interner Natur sind und nicht mit externen Datenquellen kombiniert werden.

Lediglich 22 Prozent der CMOs gaben in der Umfrage an, dass sie vom Anfang bis zum Ende für die gesamte Kundenerfahrungen verantwortlich seien oder Zugang zu vollständigen Kundenprofilen haben, die für eine effektive Anpassung ihrer Produkte oder Dienstleistungen erforderlich sind. Durch die Nutzung dieser wichtigen Daten könnten CMOs jedoch ein echtes Omnichannel-Erlebnis bieten, indem sie die Anforderungen der Kunden vorhersehen und personalisierte Angebote erstellen. Beispielhaft sind hier die Fintechs, indem sie zielgerichtete Inhalte kuratieren und das Bank­erlebnis durch kontinuierliche Prozessverbesserungen unterstützen. Darüber hinaus haben sie einen effektiven, datengesteuerten Wertkreislauf etabliert, der Engagement und langfristige Kundenbeziehungen in den Vordergrund stellt. Mit all dem wären auch Retailbanken in der Lage, einen dauerhaften Kundenwert aufzubauen, zu realisieren und zu erhalten, wie die Studienautoren abschliessend bilanzieren.

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