Digitalisierung geht am Bundesrat vorbei

Ueli Maurer: "Eine E-Mail-Adresse ist kein Ersatz für persönliche Kontakte"

Uhr | Aktualisiert

Das Nationale E-Government-Symposium wartete gestern mit einem besonderen Redner auf: Bundesrat Ueli Maurer sprach in Bern über Chancen und Gefahren der Digitalisierung.

Ueli Maurer
Ueli Maurer

Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Wissenschaft trafen sich gestern im Kulturcasino Bern. Das neunte Nationale E-Government-Symposium eröffnete mit einem Lunch, den IBM Schweiz präsentierte. Anwesend waren unter anderem die Leiter der Fachgruppen eCH, der kantonalen Fachgruppen und der wichtigsten Organisationen der Strategie E-Government Schweiz.

Die Veranstaltung wartete dieses Jahr mit einem ganz besonderen Gast auf: Bundesrat und Verteidigungsminister Ueli Maurer hielt eine Rede über Chancen und Gefahren der Digitalisierung - und brachte das Publikum mit seinem Referat gleich mehrfach zum Lachen.

"Wir drucken immer noch alles aus"

Nach einer Begrüssung durch Peter Fischer, Präsident des E-Government-Symposiums und Leiter des Informatiksteuerungsorgans des Bundes, trat Pascal Kaufmann auf die Bühne. Der langjährige Bundeshausredaktor des SRF, der dreisprachig und gekonnt durch den Nachmittag moderierte, hiess Maurer willkommen und übergab ihm sogleich das Wort.

"Ich weiss selbst nicht, warum ich hier bin", eröffnete Maurer seine Rede. Offenbar verstehe er im Bundesratsgremium am meisten von E-Government - darum sei er wohl eingeladen worden. Maurer sprach zu Beginn seiner Rede die Bundesratssitzung vom 18. November an. Der Bundesrat verabschiedete an diesem Mittwoch die rechtliche Grundlage für die E-Government-Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Er setzte den Finanzierungsanteil für E-Government auf je 2,5 Millionen Franken für Bund und Kantone fest. Der Bundesrat entschied zudem, sich bis 2019 auf wenige strategische Projekte auf nationaler Ebene zu fokussieren.

In der Bundesverwaltung gebe es im E-Government noch viel zu tun, sagte Maurer. Der Bundesrat habe kürzlich darüber debattiert, das Sitzungszimmer zu wechseln. Der neue Raum wäre mit mehr technischen Hilfsmitteln ausgestattet gewesen. Das Gremium habe die Idee aber verworfen. Die Bundesräte würden in den Sitzungen am Mittwoch vor einem Stapel mit "mindestens einem halben Meter Papier" sitzen. "Wir drucken immer noch alles aus." Das werde sich wohl auch nicht so schnell ändern. Er wäre langsamer, wenn er alles digital auf einem Bildschirm machen müsste, sagte Maurer.

Zwei unterschiedliche Welten

Maurer sprach den "E-Government Development Index" an, den die UNO im Juni 2014 veröffentlicht hatte. Die Schweiz fiel im Index von Rang 15 auf Rang 30 zurück. "Ist Rang 30 in einem UNO-Rating gut oder schlecht?", fragte Maurer. Man dürfe das Ergebnis nicht überbewerten, beantwortete er gleich selbst die Frage. Ein höherer Rang würde nämlich bedeuten, dass sich die Schweiz zentraler organisieren müsste. Und das sei in unserem föderalistischen Staatsmodell nicht vorgesehen.

"Wir werden noch länger in zwei Welten leben", erzählte Maurer, und meinte damit die On- und Offlinekommunikation. Der Bund erhalte viele Reaktionen von Bürgern schriftlich. Etwa die der 44-jährigen Frau aus dem Tessin, die sich sogar dafür entschuldigt habe, kein Internet zu nutzen.

Digitalisierung als Chance

Die Digitalisierung sei für den Bund eine grosse Chance, sagte Maurer. Als Beispiele für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte nannte er die Zollabfertigung und die Abrechnung der Mehrwertsteuer. "Früher waren das kaum lösbare Aufgaben", sagte Maurer. "Heute vereinfacht E-Gov vieles."

Der Bund könne die Digitalisierung aber nicht einfach beliebig forcieren. Er müsse sich stets fragen, ob ein Projekt effizient, sicher und mit den Gesetzen vereinbar sei. Die Schweiz müsse zudem aufpassen, durch die Digitalisierung nicht von ihren Partnern abhängig zu werden. "Wenn ein Staat nur noch mithilfe Dritter funktioniert, ist das gefährlich", warnte Maurer.

E-Mail-Adressen schaffen Anonymität

Maurer wies zudem darauf hin, dass Digitalisierung und E-Government auch Anonymität bedeuten könne. "Ist es wirklich sinnvoll, den Kontakt zum Gemeindeschreiber durch eine E-Mail-Adresse zu ersetzen?" Das schaffe Anonymität, was für die Gesellschaft gefährlich sei. Schliesslich gebe es in der Schweiz eine demokratische Tradition, die auch vom direkten Austausch lebe. Werde dieser durch eine E-Mail-Adresse ersetzt, gehe viel verloren - vor allem zwischenmenschliche Kontakte. "Eine E-Mail-Adresse ist kein Ersatz für persönliche Kontakte", sagte Maurer.

In der abschliessenden Fragerunde sagte Maurer, dass er davon ausgehe, dass die Schweiz im E-Government auch in 25 Jahren noch in der weltweiten Spitzengruppe sein werde. Auf die Frage, was der Bund den tun könne, um die Aktenberge in Bern zu verkleinern, antwortete er lachend: "Da braucht es wohl eine neue Generation von Bundesräten."

E-Government verlangt enge Zusammenarbeit

Ein weiterer Redner am Nationalen E-Government-Symposium war Marijn Janssen von der Universität Delft. Er referierte über Voraussetzungen für E-Government. Seine These: Es brauche zuerst die richtige Infrastruktur und offene Schnittstellen - erst dann sei E-Government überhaupt möglich.

Philippe Receveur, Regierungsrat des Kantons Jura und Mitglied des Steuerungsausschuss E-Government Schweiz, präsentierte die Neuerungen der Nationalen E-Government-Strategie. Er zeigt auf, wie Bund, Kantone und Gemeinden ihre Zusammenarbeit ab 2016 organisieren und welche Ziele sie im Schwerpunktplan bis 2019 verfolgen. Der Jurassier Regierungsrat ist überzeugt, dass das nationale E-Government-Programm nur Erfolg haben kann, wenn die Verwaltungen aller Staatsebenen ihre Strategien und Umsetzungspläne mit dem nationalen Schwerpunktplan abstimmen.

Ulrich Nyffenegger, Vorstandsvorsitzender des Vereins GEAK-CECB-CECE, und Michael Schröder, Leiter Division Business Consulting von Elca Informatik, sprachen über Erfolgsfaktoren für E-Government-Vorhaben. Und der Psychologe und Informatiker Willy Müller vom Informatiksteuerungsorgan des Bundes referierte über "Big Data und E-Government".

Webcode
5431