Sind Daten eine Infrastruktur?
Beim Begriff "Infrastruktur" denken wir spontan an Strassen, Schienen, Stromleitungen oder andere materielle Einrichtungen. Aber können auch Daten eine Infrastruktur sein? Sind Daten nicht eher das neue "Erdöl", also ein Verbrauchsgut, mit dem die digitale Welt angetrieben wird? Sind Daten nicht immateriell und fallen daher als Infrastruktur grundsätzlich ausser Betracht?
Diese Fragen stellen sich nicht nur abstrakt, sondern in Zusammenhang mit dem Entwurf des Bundesgesetzes über die Mobilitätsdateninfrastruktur (MODIG), den das UVEK Anfang Februar in die Vernehmlassung geschickt hat. Bundesrätin Simonetta Sommaruga erläutert die Vorlage wie folgt: «Daten und Datenaustausch sind heute unverzichtbare Voraussetzung für die Mobilität. Mobilitätsdaten stellen nebst der Strassen- und der Schieneninfrastruktur eine dritte systemrelevante Mobilitätsinfrastruktur dar. Deshalb soll mittels einer neuen Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI) die Nutzung von Mobilitätsdaten (Lieferung, Bereitstellung, Austausch, Verknüpfung, Bezug) zugunsten eines effizienten Mobilitätssystems verbessert werden. Die MODI dient dazu, die bestehende Verkehrsinfrastruktur effizienter zu betreiben und zu nutzen, Mobilitätsangebote gezielter zu planen und besser auszulasten und die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung auch in Zukunft optimal und nachhaltiger zu befriedigen. Das MODIG soll verkehrsträgerübergreifend die relevanten Mobilitätsdaten sowie Aufgaben, Betrieb und Finanzierung der MODI regeln. Die Finanzierung soll während der ersten zehn Jahre durch den Bund sichergestellt werden und anschliessend nach Möglichkeit über Nutzungsgebühren erfolgen. Eine neue Mobilitätsdatenanstalt (MDA) soll die nötige Unabhängigkeit und Neutralität für diese langfristige Aufgabe gewährleisten. Gemäss Bericht ist mit jährlichen Kosten von knapp 40 Millionen Franken zu rechnen.» Es steht bereits fest, dass die Beantwortung der Frage, ob Daten als Infrastruktur zu betrachten sind oder nicht, über die Erfolgschancen dieser Vorlage entscheidet.
Infrastrukturen sind Einrichtungen, die das Funktionieren eines Landes, einer Region oder einer Organisation gewährleisten. Vorab lässt sich leicht nachweisen, dass nicht nur materielle Einrichtungen, sondern auch immaterielle Konstrukte diese Definition erfüllen, etwa Gesetze oder die Grundlagenforschung. Daten erfüllen diese Infrastruktur-Definition zumindest dort, wo deren Nutzung für das Funktionieren eines Landes unabdingbar ist. Dazu zählen exemplarisch Geodaten oder Register. Dementsprechend ist bei Bund, Kantonen und Gemeinden bereits seit einiger Zeit von einer Geodateninfrastruktur die Rede; Einwohner-, Gebäude- oder Unternehmensregister gelten bekanntlich als statistische Infrastrukturen. Gemeinsam ist diesen Daten, dass sie von einer praktisch unbeschränkten Anzahl Anwendern genutzt werden können und diesen die Erfüllung unterschiedlichster Aufgaben ermöglichen.
Damit können wir eine zentrale Anforderung an Daten festlegen, damit diese als Infrastruktur zu betrachten sind: Daten sind dann eine Infrastruktur, wenn sie nicht nur für eine einzelne Aufgabe von einem eingeschränkten Anwenderkreis genutzt werden können, sondern wenn sie für vielfältigste Aufgaben der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Dass ausser Geodaten und Registern auch bestimmte Mobilitätsdaten diese Anforderung erfüllen, ist kaum zu bestreiten. Die Argumentation des Bundesrates ist also schlüssig. Dies ist nicht nur für das Funktionieren des Schweizer Mobilitätssystems wichtig, sondern auch für etliche weitere Anwendungsgebiete, die Dateninfrastrukturen benötigen – man denke an den Energiesektor, das Gesundheitswesen oder den Tourismus.
Daten sind Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts und sie bedürfen der staatlichen Entwicklung wie einst Strassen, Schienen und Stromnetze im 19. und 20. Jahrhundert. Dem UVEK gebührt das Verdienst, mit der komplexen MODIG-Vorlage den Weg für weitere Daten-Infrastrukturvorhaben in der Schweiz zu ebnen und verdient daher volle Unterstützung.