Editorial

Bundesrat probt EPD-Revolution

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Marc Landis, Chefredaktor, Netzmedien. (Source: Netzmedien)
Marc Landis, Chefredaktor, Netzmedien. (Source: Netzmedien)

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens in der föderalen Schweiz kommt trotz Corona-Katalysator nicht vom Fleck, wie es die mehr als zähe "Einführung" des elektronischen Patientendossiers zeigt, nimmt man diese als Massstab. Ausserdem tut sich diesbezüglich ein mächtiger Röstigraben auf. Stand April waren in der Stammgemeinschaft CARA, die Genf, Wallis und Waadt mit dem EPD versorgt, 7000 EPDs eröffnet. Und nur 1000 in der drei Mal grösseren Deutschschweiz. Weil es dermassen harzt, will sich nun der Bund bei diesem Thema mehr Kompetenzen geben und hat das EDI beauftragt, das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) einer grundlegenden Prüfung zu unterziehen. Es soll eine umfassende Revision des EPDG angestossen werden.

Zu "frühzeitig erkannten Systemmängeln und Umsetzungsrisiken – fehlende Gesamtsteuerung, Unterfinanzierung, Zertifizierungsrisiken, unklare Auswirkungen auf die Gesundheitseinrichtungen, doppelte Freiwilligkeit – kamen in der Aufbauphase weitere Hürden hinzu: Nachregulierungen, massive Mehraufwände, unklare Zuständigkeit von Bund und Kantonen, schweizweite Einführungsverzögerung, fehlende E-ID für die Bevölkerung", moniert etwa die finanziell in Schieflage geratene Stammgemeinschaft Axsana. Und beklagt zurecht, dass zwei Jahre nach dem gesetzlichen Termin für den EPD-Start die Verbreitung des Schweizer EPD in der Bevölkerung noch unter einem Promille liege. Ausserdem funktioniere das dezentrale Konzept mit mehreren EPD-Anbietern als Gesamtsystem noch nicht.

Man lese und staune, über welch revolutionäre Anpassungen der Bundesrat nun nachdenkt, um die offensichtlichen Probleme zu lösen: So soll das EPD künftig etwa als Instrument der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gelten. Auch sollen Aufgaben und Kompetenzen und damit die Sicherstellung der Finanzierung des EPD durch Bund und Kantone klar geregelt werden. Zudem würde der Bundesrat die Schraube auch bei der Freiwilligkeit gerne ein wenig anziehen und prüft die Einführung eines Opt-out-Modells. Ausserdem sollen ambulant tätige Gesundheitsfachpersonen verpflichtet werden, ein EPD zu führen. Es soll überdies geklärt werden, wie eine künftige staatliche E-ID für den Zugang zum EPD genutzt werden kann. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir und Sie reiben sich auch die Augen. Und es wäre wirklich wünschenswert, dass diese Vorschläge die Phase der Vernehmlassung überstehen.

Zudem soll das EDI dem Bundesrat eine Vernehmlassungsvorlage für eine Übergangsfinanzierung des EPD unterbreiten. Mit der Gewährung von Finanzhilfen soll sichergestellt werden, dass die Finanzierung des EPD bis zur Revision des EPDG ­sichergestellt ist. Diese Nachricht dürfte wohl nicht zuletzt Axsana freuen.

Ich hoffe inständig, dass sich Bund und Kantone dereinst auf ein Vorgehen einigen, das dazu beiträgt, die Behandlungsqualität durch Vernetzung von Daten weiter zu erhöhen und gleichzeitig durch Effizienzgewinne infolge der Digitalisierung die Kosten des zweitteuersten Gesundheitssystems der Welt zu senken.

Denn ich möchte an dieser Stelle endlich nicht mehr alle sechs Monate über das fehlgeschlagene EPD schreiben ­müssen.

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