Das Stethoskop

The Wind of Change

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von Jürg Lindenmann, Geschäftsführer, Health-IT

Ist E-Health nun endlich auch in der Politik angekommen?Die Revision des EPDG und das Programm Digisanté lassen hoffen.

Kürzlich hat jemand festgestellt, dass der Autor dieser Zeilen sinngemäss die «Seiten gewechselt» habe, dem EPD und den Bestrebungen des Bundes zur Digitalisierung somit nun auch «wohlgesinnt» sei.

Nun, die Kritik in dieser Kolumne richtete sich nie gegen die Idee eines elektronischen Patientendossiers an sich, sondern ausschliesslich gegen die Art und Weise, wie dieses umgesetzt wurde. Die Seite gewechselt haben indes der Bund beziehungsweise der Bundesrat, unter dem Druck vieler gleichlautender Vorstösse aus dem Parlament, und die Kantone, nachdem das Fiasko nicht mehr zu übersehen war sowie deren Abenteuer einer staatlichen EPD-Unternehmung zu einem finanziellen ­Risiko mutierte.

Auch medial erhält das Thema plötzlich Aufmerksamkeit, nachdem sich von wenigen Ausnahmen abgesehen jahrelang niemand die Mühe gemacht hat, auch nur einen kritischen Blick auf die absehbare Fehlentwicklung zu werfen.

Nun, irren ist menschlich, kann aber in diesem Fall teuer werden, wenn man allzu lange zuwartet. 65 Millionen jährlich kosten gemäss Botschaft zur Gesetzesrevision des Bundesrates die mittlerweile 40 000 Dossiers im EPD die Leistungserbringer, denn die bezahlen die Rechnung.

Die Forderung nach schnellen und wirksamen Korrekturen im Rahmen der Zwischenrevision des EPDG konnte sich im Parlament leider nicht durchsetzen. Man verweist lieber auf die laufende grosse Revision des EPDG, die frühestens 2028 wirksam werden wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Bringt Digisanté die Wende?

Digisanté ist im Parlament schon mal auf positive Resonanz gestossen. Vorläufig handelt es sich jedoch erst um einen Kredit von 392 Millionen Franken über zehn Jahre, um mittels einer Vielzahl an Vorhaben die digitale Transformation im Gesundheitswesen voranzutreiben. Darunter fallen die Schaffung nationaler struktureller und semantischer Standards, was man bei der Einführung des EPD versäumt hat, aber auch die Bereitstellung von zentraler Infrastruktur wie Register, die Digitalisierung der Behörden selbst und die Datennutzung für die Forschung.

Die Schaffung oder Anpassung der dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen soll parallel dazu stattfinden. Diesmal werden im Gegensatz zum EPDG allerdings viele Dinge richtig angegangen: Erstens wird die Dauer eines solchen Gesamtvorhabens realistischerweise als langfristig angesehen, zweitens werden die Kosten trotz klammer Bundeskasse klar benannt und nicht trickreich den Leistungserbringern aufgebrummt, wie das beim EPDG der Fall war. Drittens werden die relevanten Stakeholder breit mit einbezogen und der Diskurs nicht auf zum Teil extra dafür geschaffene Lobbyverbände wie beim EPDG eingegrenzt und viertens besteht der Mut dazu, noch einiges offen zu lassen, anstelle mittels Top-down-Mikromanagement schon vorab alles durchregulieren zu wollen.

Es gilt allerdings sicherzustellen – und dafür steht die Politik in der Verantwortung –, dass die Mittel und Ressourcen nicht durch die üblichen bundesnahen Beratungsunternehmen oder unwirksame PR-Kampagnen durch ebendiese verbrannt werden, sondern zielgerichtet der digitalen Transformation zugutekommen. Gegebenenfalls gilt es, rasch rechtliche Grundlagen zu schaffen, sodass auch Mittel in konkrete Lösungen bei den Akteuren fliessen können, die definierten Prinzipien und Kriterien genügen. Gesetze und Verordnungen sollen nur so weit gehen, dass sie helfen, den angestrebten Nutzen zu erzielen. Wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich: WZW, wie es schon im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) geschrieben steht.

Fazit

Die digitale Transformation im Gesundheitswesen ist keine Verwaltungs- oder technische Aufgabe, sondern das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung aller Akteure. Dabei muss es auch möglich sein, Fehler zu machen, sich diese ehrlich einzugestehen und gemeinsam eine Lernkurve zu beschreiten. Es gibt viel zu tun – packen wir’s an!

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