Daniel Lamprecht im Interview

Daniel Lamprecht: "Die Kontinuität bei den Mitarbeitern ist mir wichtig"

Uhr | Aktualisiert
von René Mosbacher

Dass HP der weltweit sechstgrösste Softwarehersteller ist, wissen nicht alle Branchenkenner. Daniel Lamprecht, seit einem halben Jahr Schweizer Softwarechef, sprach mit der Netzwoche über Erreichtes und Anstehendes, über Anwendungswildwuchs und natürlich die Cloud.

Herr Lamprecht, Sie sind jetzt ein halbes Jahr Softwarechef von HP Schweiz, was steht zuoberst in Ihrem Stellenbeschrieb?

Grundsätzlich bin ich Mitglied des Managementteams von HP Schweiz und verantwortlich für das ganze Softwaregeschäft in der Schweiz. Meine Kernaufgaben erstrecken sich über die Bereiche Vertrieb, Implementierung, Services und Support.

Stehen auch irgendwelche "Aufräumarbeiten" drin?

Nein, davon stand natürlich nichts im Profil. Aber eine solche Funktion bringt strukturelle Aufgaben ja fast schon automatisch mit sich. Bei HP Software geht es im Speziellen auch darum, nach turbulenten Zeiten wieder etwas Ruhe in die Organisation zu bringen. In diesem Zusammenhang ist es manchmal auch erforderlich, personelle Wechsel zu initialisieren. Das haben wir erfolgreich abgeschlossen.

In letzter Zeit hat HP einige Mitarbeiter im Softwaresegment verloren. Was war der Grund dafür und wie bekommen Sie das in den Griff?

In der IT ist eine gewisse Fluktuation normal. Die Konkurrenz auf dem Personalsektor gerade im Softwaremarkt ist recht gross. Insgesamt liegen die Austritte bei HP Software aber nicht signifikant über jenen anderer Abteilungen bei uns oder bei anderen Firmen im selben Markt. Aber sicher – die Kontinuität bei den Mitarbeitern ist mir wichtig. Wir wollen gegenüber unseren Kunden sichtbar, berechenbar und glaubhaft sein. Und Glaubhaftigkeit erreicht man unter anderem damit, dass man den Kunden über längere Zeiträume dieselben guten Ansprechpartner bieten kann. Ich sehe verschiedene Ansatzpunkte, um die Fluktuation niedrig zu halten: Einerseits können einige Prozesse und Abläufe noch verbessert werden. Andererseits geht es auch darum, den Mitarbeitern zu zeigen, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich ihnen bei uns eröffnen. Die Reputation und das breite Portfolio von HP bieten ja eine Menge Chancen.

Was haben Sie im letzten halben Jahr erreicht?

Ich konnte beispielsweise die Sales-Struktur in der Romandie verändern und aufstocken. Wir haben unsere Präsenz im Markt über eigene und öffentliche Events verstärkt. Und für mich war es sehr positiv, dass ich als Leiter Software neuerdings Mitglied des Managementteams von HP Schweiz bin.

Sie sind also mit dem Erreichten zufrieden?

Sehr zufrieden. Die Zahlen stimmen, wir haben marktführende Produkte und wir haben mit Léo Apotheker einen neuen CEO, der aus der Softwarebranche stammt.

Was steht für das nächste halbe Jahr an, was mittelfristig?

An oberster Stelle steht sicher die Kundenzufriedenheit. Diese wollen wir erhalten und wo nötig verbessern. Ausserdem möchten wir das nächste Geschäftshalbjahr wie geplant mit einem starken Wachstum abschliessen – da sind wir sehr gut unterwegs. Mittelfristig geht es um die Integration der akquirierten Firmen wie Arcsight und Fortify. Wir wollen auch die Partner- und Channelorganisation ausbauen und generell unsere Präsenz auf dem Markt verstärken. Unser übergeordnetes Ziel ist es, der Partner der Wahl zu werden, wenn es um unternehmenskritische Projekte geht, und zwar über alle Bereiche unseres Portfolios.

Wo liegen denn die Schwerpunkte, die Sie mit Ihrer Software besetzen?

Kurz gesagt ermöglicht es HP Software den Kunden, die Anforderungen aus dem Geschäft oder aus Regulatorien zu erfüllen. Sie hilft, eine IT-Umgebung sicher auf¬zubauen, überwacht und hoch automatisiert zu betreiben, Informationen sicher zu managen und zu speichern. Am Ende soll sie auch durch die Analyse der vorhandenen Informationen einen Mehrwert generieren.

Der neue HP-CEO hat Software als strategisches Geschäftsfeld für HP definiert. Was hat er damit gemeint?

Die Software macht zwar nur einen kleinen Teil des Umsatzes aus – knapp 3 Prozent. Das bringt uns aber trotzdem bereits auf Rang 6 der weltweit grössten Softwarehersteller. Die Gesamtstrategie von HP heisst ja "Instant on Enterprise" oder zu Deutsch: Echtzeitunternehmen. Das heisst, die Unternehmen sollen schnell auf sich ändernde Kundenbedürfnisse oder unvorhersehbare Marktzyklen reagieren können. Sie sollen die Infrastruktur je nach Bedürfnis anpassen, sie selbst betreiben oder betreiben lassen. Das Ganze soll schnell, effektiv, kostengünstig und sicher sein. Das geht heute nicht ohne spezialisierte Software. Die Services, die Hardware und die Applikationen selbst müssen gemanagt und automatisiert werden. Und die Software ist quasi der Leim zwischen all den nötigen Komponenten.

Also Software als strategisches Mittel, um möglichst viel Hardware zu verkaufen?

Unsere Software kann tatsächlich erkennen, wann Investitionen in mehr oder neue Hardware nötig sind. Weil sie aber auf allen gängigen Systemen läuft, ist man nicht gezwungen, unsere Hardware zu beschaffen. Ausserdem lassen sich auch Spitzenbelastungen mit der Software richtig managen, sodass der Kunde sich nicht auf Vorrat Ressourcen anschaffen muss.

Das heisst also, Sie wollen mit der Software selbst Geld verdienen.

Ja, mit Software kann man gut Geld verdienen. Die Margen sind in der Regel deutlich höher als bei der Hardware. Bei Speicher- und Rechensystemen herrscht heute ein hoher Konkurrenzdruck. Weil wir in den meisten Segmenten Marktführer sind, können wir durch Skaleneffekte und Prozessüberlegenheit trotzdem gute Margen erzielen. Strategisch interessant ist, dass wir uns als Anbieter mit einem breiten Hardware- und Softwareportfolio im Markt differenzieren können.

Studiert man allerdings Ihre Geschäftsberichte, fällt auf, dass der Anteil der Software am Umsatz in den letzten drei Jahren von 3,5 auf 2,8 Prozent gesunken ist. Dabei haben Sie in dieser Zeit ja noch Firmen dazugekauft.

Das Wachstum bei HP Software ist gut – nur ist der Umsatz in den anderen Geschäftsbereichen noch schneller gewachsen. Deshalb ist der Anteil der Software mathematisch einfach kleiner geworden. Aber natürlich haben Sie Recht: Wir wollen in Zukunft noch stärker wachsen.

Wie viel Umsatzanteil wollen Sie mit Software in Zukunft erreichen?

Wir wollen, verglichen mit den übrigen Geschäftsfeldern von HP, stärker wachsen. Das soll zum einen durch organisches Wachstum erreicht werden, etwa in den Bereichen Application Management und Business Service Management. Aber es wird auch weitere Akquisitionen geben.

Sie haben vor Jahren mit Mercury einen grossen Brocken übernommen – wie verlief die Integration?

Diese Übernahme ist erfolgreich abgeschlossen. Die Bereiche Application Lifecycle Management und Project & Portfolio Management, die bei Mercury angesiedelt waren, sind heute sehr grosse Umsatzträger. Sie machen etwa die Hälfte unseres Geschäfts aus.

Wie geht HP bei solchen Integrationen vor – werden die Entwicklerteams als Ganzes erhalten oder in verschiedene Bereiche verteilt?

Die Entwicklerkernteams werden, wenn immer möglich, erhalten. Im Fall der Mercury-Produkte ist nach wie vor Israel eine der Hauptentwicklungsstätten. Aber wenn es um die Integration der Produkte innerhalb des Gesamtportfolios geht, müssen die damit befassten Leute manchmal auch an einem Ort zusammengeführt werden. Bei der Entwicklung von Schnittstellen beispielsweise ist die direkte Kommunikation sehr wichtig.

Im letzten Application Management Survey von HP steht, dass für drei Viertel der CIOs der Applikationswildwuchs ein grosses Problem sei. Haben die Chefs die Kontrolle über ihre IT verloren?

Ich will niemandem unterstellen, dass er ein Chaos in seinen Applikationen hat. Aber für diesen sogenannten Wildwuchs gibt es verschiedene Gründe. Zum einen ist er ein Resultat der technischen Entwicklung und der sich wandelnden Bedürfnisse. Vor 15 Jahren hätte noch kaum jemand gedacht, dass man sein Essen im Internet einkauft. Damit das möglich wurde, mussten neue Funktionen und Dienste bereitgestellt werden – unter Beibehaltung des Kerngeschäfts notabene. Das heisst: Die alten Kernapplikationen wurden weiter betrieben und die neuen Funktionen quasi darum herumgebaut. Deshalb haben wir heute oft ein Gemisch aus hochmodernen Webapplikationen und Legacy-Applikationen, die noch immer auf dem Mainframe laufen – das wäre dann der Wildwuchs.

In der Praxis scheint es aber krasser zu sein – in Ihrem Survey steht nämlich, dass 15 Prozent der installierten Applikationen keinen oder nur einen geringen Geschäftsnutzen liefern.

Man kann es natürlich auch anders sehen: 85 Prozent der Anwendungen haben einen massiven Nutzen. Es gibt immer Systeme, die keinen direkten Geschäftsnutzen erbringen. Die dienen vielleicht in einem kleinen Bereich dazu, den Mitarbeitern ihre Arbeit etwas angenehmer zu gestalten. Wichtig ist aber zu erkennen, welche das sind und ob geschäftskritische Informationen damit bearbeitet werden. Wenn nein, sollte man sich darüber Gedanken machen, wie man sie loswerden kann. Lassen sie sich ersatzlos abstellen oder sollen ihre Funktionen in eine andere Anwendung integriert werden? Das wäre dann eine Aufgabe für unser Application Lifecycle Management.

Wie läuft so etwas ab?

Das Ganze basiert auf Wissen und Erfahrung. Wir setzen uns mit dem Kunden zu einem sogenannten Enterprise Discovery Workshop zusammen. Dabei analysieren wir zuerst die IT-Umgebung anhand von Gesprächen und mithilfe unserer Softwarewerkzeuge. Mit denen lassen sich bestimmte Parameter – wie etwa der Load – messen. Daraus können wir quasi eine Landkarte der IT herstellen, die uns unter anderem erlaubt, abzuschätzen, welche Anwendungen ersetzt werden sollen. Ganz ähnlich läuft das ab, wenn man Anwendungen in die Cloud verlagern will. Damit man entscheiden kann, ob und was morgen in die Cloud gehen soll, muss man genau wissen, was und wie man es heute tut. Hierfür braucht es Überwachungs- und Automatisierungsmethoden im Unternehmen. Diese zeigen beispielsweise, ob geschäftskritische oder sensible Informationen vorhanden sind, die aufgrund von Regulatorien gar nicht in die Cloud ausgelagert werden dürfen. Unter vielen Rahmenbedingungen werden wohl oftmals hybride Modelle sinnvoll sein.

Dann verkaufen Sie also vor allem eine Dienstleistung, für die Sie Ihre Software als Werkzeug benutzen?

Genau, und dabei ist es von Vornherein klar, dass wir am Ende für die Lösung nicht nur HP-Produkte einsetzen. Das gilt insbesondere für Security-Projekte oder bei Migrationen in die Cloud. Wir machen die Werkzeuge, bieten Workshops für verschiedene Branchen und liefern auch noch die Automatisierungs- und Kontrollmechanismen für den Betrieb.

Wie viel Ihrer Software wird über welche Kanäle verkauft?

Wir müssen hier nach Bereichen unterscheiden. Die Lösungen zum sicheren Speichern von Daten beispielsweise werden zu rund 60 Prozent zusammen mit Hardware verkauft. Insgesamt machen diese Data-Protector-Produkte aber nur 10 Prozent des gesamten Softwaregeschäfts aus. Die Produkte für Application Lifecycle Management, Automatisierung und Business Intelligence werden in der Regel nicht mit Hardware gebündelt.

Gräbt das Cloud Computing à la Longe nicht einen rechten Teil Ihres Geschäftsmodells ab, weil je länger desto mehr auf Standardsoftware läuft?

Im Gegenteil – je mehr in der Cloud gearbeitet wird, umso grösser ist der Bedarf an Automatisierungs-, Sicherheits- und Kontrollsoftware. Der Kunde will ja beispielsweise wissen, ob die Leistung wie vereinbart geliefert wurde. Der Provider muss die Leistung bringen und abrechnen können und die Behörden wollen nachprüfen, ob die Prozesse regulationskonform laufen.