Zusammenarbeit gefragt

Digitales Business erfordert den Schulterschluss zwischen Marketing und IT

Uhr | Aktualisiert
von Rodolphe Koller

Die Analyse von Kundendaten und die sozialen Medien sind Trends, die neue Chancen bieten. Um diese optimal nutzen zu können, benötigen Unternehmen das geballte Know-how von Marketing und IT. Eine schwierige Annäherung, von der aber beide Seiten profitieren können.

Geplanter Anteil der digitalen Initiativen an den Gesamtkosten für das laufende Geschäftsjahr (in Prozent). (Quelle: McKinsey Global Survey 2012, Antworten von 1469 CxOs weltweit; Grafik: Netzmedien AG)
Geplanter Anteil der digitalen Initiativen an den Gesamtkosten für das laufende Geschäftsjahr (in Prozent). (Quelle: McKinsey Global Survey 2012, Antworten von 1469 CxOs weltweit; Grafik: Netzmedien AG)

Marketing und IT leben augenscheinlich in verschiedenen Welten. Während man von der einen Abteilung Kreativität erwartet, um die immateriellen Werte des Unternehmens zu steigern, wünscht man sich, dass die andere mit Zuverlässigkeit und Technik die Geschäfte in Gang hält. So kommt es, dass eine Vernunftehe zwischen Marketingfachleuten und Informatikern weder wünschenswert noch wirklich durchführbar erscheint. So weit das Klischee. In Wirklichkeit nähern sich die Firmenbereiche einander gezwungenermassen an, vor allem, weil die Marketingabteilungen immer mehr auf digitale Technik zurückgreifen. Zudem läuft die Interaktion mit den Unternehmenskunden zunehmend über digitale Kanäle. Dem Marktforschungsunternehmen Gartner zufolge könnten die Marketingabteilungen bis 2017 über ein höheres IT-Budget als die Informatikabteilungen verfügen.

Schwierige Beziehungen, aber entscheidende Annäherung

Man sollte meinen, dass der zunehmende Einsatz technischer Lösungen im Marketing eine Annäherung an die IT begünstigen müsste. Doch dies ist nicht immer der Fall. In vielen Unternehmen arbeitet die Marketingabteilung lieber mit externen IT-Dienstleistern zusammen, so wie sie es auch in der Werbung gewohnt ist. Und viele Marketingleiter sehen in ihren IT-Kollegen notorische Neinsager, die Projekte beerdigen und meist nicht schnell genug auf die Anforderungen des Marktes reagieren können. Den IT-Leitern ihrerseits fällt es schwer zu akzeptieren, dass man sich im Marketing lieber an Dritte wendet. Sie befürchten dadurch insbesondere eine wilde Vermehrung völlig unterschiedlicher Tools, die anschliessend alle von der IT integriert und unterstützt werden müssen. Die Umstände und die vorgefassten Ideen führen somit zu Parallelentwicklungen, zu Widerständen oder zu einem blossen Nebeneinanderherleben.

Diese Situation ist bedauerlich, besonders für die Unternehmen aus den vielen Branchen, die es eilig haben, ihre digitalen Aktivitäten weiterzuentwickeln, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Die Analyse der Kundendaten, die Aktivität in den sozialen Medien und die Fähigkeit, auf neue technische Plattformen umzusteigen, haben gemäss einer Studie von McKinsey bei jedem zweiten Unternehmen oberste Priorität. Die für diese Bereiche reservierten Budgets steigen, und jedes dritte Unternehmen erhofft sich davon eine Zunahme seiner Gewinne um mehr als 10 Prozent (siehe Grafik). Nach den Hindernissen bei der Entwicklung ihrer digitalen Aktivitäten gefragt, nennen die Entscheider in derselben Studie an erster Stelle ihre Organisationsstruktur (52 Prozent), gefolgt vom Mangel an Infrastruktur und IT-Systemen (51 Prozent).

Konvergierende Interessen

Die Marketingleiter sind die ersten, die die zunehmende Bedeutung der neuen Techniken für ihre Tätigkeit erkannt haben. Das zeigt auch eine von IBM im vergangenen Jahr durchgeführte Umfrage. Dort haben mehr als drei Viertel aller Chief Marketing Officer (CMO) der deutschsprachigen Länder, darunter die Schweiz, ihre Absicht bekundet, in soziale Medien, Analyse der Kundendaten, CRM und mobile Applikationen zu investieren. 85 Prozent von ihnen gaben Kompetenzmängel bei der Datenanalyse und 68 Prozent bei den sozialen Medien zu. Als Hindernisse für den Einsatz der neuen Techniken durch die Marketingabteilung gelten neben den finanziellen Aspekten am häufigsten der Mangel an Know-how unter den Anwendern und die fehlende Absprache mit der IT.

Einem Bericht von Forrester zufolge ähneln die neuen Herausforderungen im Marketing ziemlich stark den Problemen, denen sich die IT-Abteilungen selbst gegenübersehen. Ihre bestehenden Verfahren und Infrastrukturen ändern sich rasant wegen der boomenden mobilen Endgeräte, der Cloud oder der Nutzung der sozialen Netze innerhalb und ausserhalb des Unternehmens. Zudem unterliegt die IT genauso wie das Marketing stetig wachsendem Druck seitens der Geschäftsleitung und einem gewissen Glaubwürdigkeitsdefizit. Die Marketingexperten müssen immer öfter die Rentabilität ihrer Initiativen belegen und deshalb auch messen. Die IT muss sich abgesehen von der betrieblichen Effizienz auch an dem von ihr geschaffenen Mehrwert messen lassen.

Letztlich drängen also die erwähnten Entwicklungen und Anforderungen sowohl das Marketing als auch die IT zum Verlassen ihrer Komfortzone. Den Analysten von Forrester zufolge müssen sie wörtlich "von den Kunden besessen sein". Das fängt bei der Verwaltung des von den Kunden ausgehenden Datenflusses an, reicht über dessen verwertbare Analyse bis zur Verbreitung der Resultate an alle Teams des Unternehmens, die direkten Kundenkontakt haben. Zu diesem Zweck ist ein Schulterschluss zwischen Marketingexperten und Informatikern nötig, von dem beide nur profitieren können.

Entwicklung einer Zusammenarbeit zwischen Marketing und IT

Diese neue Allianz beginnt bei den Zulieferern der beiden Abteilungen bereits zu funktionieren. Viele IT-Dienstleister entwickeln beispielsweise Marketingkompetenzen, entweder intern oder gemeinsam mit Webagenturen, die im Gegenzug von der Erfahrung der Informatiker bei der Verwaltung komplexer Projekte profitieren.

Wie soll nun die Zusammenarbeit zwischen Marketing und IT im Unternehmen verbessert werden? Forrester empfiehlt, damit zu beginnen, Teams der beiden Abteilungen an gemeinsamen, kundenorientierten Lösungen mit gemeinsamer Projektverantwortung arbeiten zu lassen. Dadurch soll sich das Verständnis für Marketing innerhalb der IT sowie das technische Know-how im Marketing verbessern. Hinsichtlich der Arbeitsweise schlägt Forrester vor, agile Verfahren in den beiden Abteilungen einzuführen, um das Finden von Lösungen zu beschleunigen und Fehler rasch zu erkennen. Auch soll die derzeit vorherrschende, oftmals starre Projektleitung durch eine gemeinsame und flexible ersetzt werden, die auch den Rückgriff auf Prototypen fördert.

CMO + CIO versus CCO/CDO

Die Einführung einer solchen Allianz ist eine Chance für Marketing und IT, sich aus der betrieblichen Sackgasse zu befreien und ihren Wert für das Unternehmen zu beweisen. Gelingt dies den beiden Abteilungen nicht, riskieren sie, dass sich eine neue Macht im Unternehmen breitmacht und sich die wachsenden Budgets und Kompetenzen im digitalen Bereich unter den Nagel reisst.
"Der Chief Marketing Officer ist tot", liess Dominique Turpin, Präsident des IMD (International Institute for Management Development), in einer kürzlich in der Zeitung Le Temps veröffentlichten Kolumne provokant verlautbaren. Thema war der schwindende Einfluss des CMO aufgrund der Konzentration auf PR und Kommunikation anstatt auf Produkte und Preise. Der Autor spielte damit auf die Umbenennung des Chief Marketing Officer in Chief Customer Officer an. Der soll die Kunden intern vertreten, sich dem CFO annähern und sich bemühen, die Rentabilität seiner Arbeit nachzuweisen.

Derselben Bedrohung ist auch die Informatik ausgesetzt. Das Marktforschungsunternehmen Gartner sagt in diesem Zusammenhang die Einführung eines Chief Digital Officer voraus. Den soll es bis 2015 in einem Viertel aller Unternehmen geben. Die Personen in dieser Stellung hätten einen wirklich strategischen Posten, denn "der Chief Digital Officer wird dort tätig, wo das Unternehmen seine Kunden trifft, wo Einkünfte erzielt werden, wo die Mission erfüllt wird. […] Ein Posten weit ab von den Tätigkeiten im Backoffice".

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