"Einfach zu sein ist oft komplizierter, als kompliziert zu sein"
Welches ist das richtige Geschäftsmodell für die Cloud? Die CEOs Pierre-Alain Schnegg und Robert Gebel haben darüber referiert. Sie waren sich einig: Für die Wolke braucht es Ausdauer, Flexibilität, Know-How - und eine Vision.
In der geschichtsträchtigen Villa Boveri referierten gestern Solvaxis-Chef Pierre-Alain Schnegg und Robert Gebel, CEO von Axpo Informatik in Baden. Das Thema der Veranstaltung Focus on Future war die Suche nach dem richtigen Geschäftsmodell für die Cloud. Durch den Abend führten die Organisatoren Urs Prantl, Geschäftsführer des IT-Beraters KMU Mentor und Damian Suter, Inhaber der Agentur Captiva.
Die Cloud als Investition
Schnegg trat zuerst auf die Bühne. Der Wirtschaftsinformatiker mit MBA der Université de Genève, der 2004 von Ernst & Young zum Unternehmer des Jahres gekürt wurde, leitet seit 2001 die Firma Solvaxis. Das über 150 Mitarbeiter starke Unternehmen hat sich in der Schweiz mit der ERP-Software Proconcept einen Namen gemacht. Täglich wird diese von über 15'000 Anwendern genutzt, unter anderem für die Verwaltung von Logistik, Rechnungen und Finanzen.
Rund 20 Monate ist es her, seit Solvaxis die Cloud-Software Amanda lanciert hat. Das Wolken-ERP, das in Rechenzentren von Swisscom gehostet wird, wurde von Grund auf neu entwickelt. Noch mache Solvaxis mit dem Angebot Verlust, erklärte Schnegg - aber das habe man bei der Westschweizer Firma auch so eingeplant. Die Cloud birge Gefahren und sei ein ziemlich kurzlebiges Business, indem man nur mit einer langfristigen Vision Erfolg haben könne. "Amanda ist eine Investition in die Zukunft", sagte Schnegg, "aber 2015 sollten wir mit dem Angebot schwarze Zahlen schreiben."
Die Cloud als Herausforderung
Doch auf was muss ein Unternehmen achten, wenn es eine Cloud-Software aufbauen will? Auch Solvaxis habe sich diese Frage gestellt, und die Antwort sei nicht einfach, sagte Schnegg. Nach einer Analyse des Schweizer Cloud-Markts entschied sich Solvaxis, mit Amanda auf eine andere Zielgruppe als bisher zu setzen. Während Proconcept vorwiegend von Firmen mit über 50 Mitarbeitern genutzt werde, sei Amanda eher für kleinere Unternehmen gedacht. Das alleine aber genüge nicht, um im Markt eine Cloud-Software zu etablieren. "Die Cloud muss einfach, konkurrenzfähig und schnell sein", so Schnegg.
Amanda wurde anders konzipiert als Proconcept. Die Anwendung sollte "out of the box" funktionieren, und die Prozesse seien vordefiniert. "Die Möglichkeiten von Amanda müssen begrenzt bleiben", meinte Schnegg, und sorgte mit dieser Aussage für erstaunte Gesichter im Publikum. Zu viele Konfigurationsmöglichkeiten dürfe es nicht geben. Die Software müsse ohne Schulungen funktionieren. Das sei schwierig. "Einfach zu sein ist oft komplizierter, als kompliziert zu sein", scherzte Schnegg.
Auch das Preismodell sei im Vergleich zu Proconcept stark vereinfacht worden, und die Verträge würden sich eher kurzfristig gestalten. Und da gebe es noch ein Problem: Wer Software in der Cloud auf eine neue Version migriere, ziehe automatisch alle Nutzer mit. "Bloss keine Fehler machen", warnte Schnegg, "sonst sind die Kunden schnell weg."
Die Cloud als Bedrohung
Auch Robert Gebel kennt die Tücken der Cloud. Viele potentielle Kunden von Axpo Informatik würden die Wolken-IT auch heute noch als Bedrohung verstehen. Dies habe unter anderem mit dem schlechten Image der Informatik zu tun: Jahrelang sei diese als unflexibel, träge oder gar als Geldverschwendung wahrgenommen worden. "Und nun kommen plötzlich Anbieter und sagen: Hey, es geht auch anders - Informatik muss gar nicht so kompliziert sein!"
Die Skeptiker setzten die Cloud zudem mit mangelnder Sicherheit und nebulösen Verantwortlichkeiten gleich. Firmen würden oft einen Kontrollverlust befürchten und darum zögern, erklärte Gebel.
Die Cloud als Chance
Wie sollen Anbieter mit der Wolken-Skepsis umgehen? Cloud-Unternehmen brauchen laut Gebel vor allem vier Dinge: Know-How, Geld, Zeit und eine Vision. Axpo Informatik habe seine Cloud-Angebote mit dem Dienst Microsoft Azure verglichen und sie danach angepasst. Der IT-Dienstleister führte ein festes Wartungsfenster ein, was die Entwicklung erheblich vereinfache. Gewisse Leistungen seien zudem aus dem Basispaket entfernt worden. Man biete diese Dienste nun optional an. So sei es auch für verhältnismässig kleine Anbieter möglich, mit den Grossen im Geschäft mitzuhalten, schloss Gebel.
Ein weiterer Trick sei es, seinen Service Level Agreement (SLA) zu zerlegen. Anstatt einen SLA biete Axpo Informatik nun je nach Dienstleistung mehrere an. "Die Cloud fordert viel von den Anbietern", sagte Gebel. Unternehmen müssten sich neue Fähigkeiten aneignen und den Markt immer wieder genau analysieren. Gelinge das, sei Cloud Computing für Firmen aber vor allem eines: eine grosse Chance.
Hinweis: Die Fotos sind nicht von der Redaktion, sondern wurden vom Veranstalter zur Verfügung gestellt. Weitere Bilder gibt es auf Flickr.