"Googles Allzeitgedächtnis ist grenzenlos"
Google hat gestern die neuen Nutzungsbestimmungen eingeführt. In verschiedenen Ländern, unter anderem in den USA, gab es deswegen ablehnende Reaktionen. Die Netzwoche hat eine Rechtsexpertin befragt, wie sie die Situation beurteilt.

Frau Snaidero, nutzen Sie persönlich Google-Produkte?
Ich nutze sowohl privat als auch geschäftlich Google Maps sowie Google Search. Toll finde ich auch Youtube. Über diesen Dienst öffnet sich uns eine sehr breite, einfach und günstig zugängliche Welt der Musik, Videos, Veranstaltungen, Interviews und vieles mehr. Dank dieses Dienstes habe ich schon oft Lieder wieder gefunden, deren Titel schon längst in Vergessenheit geraten waren. Die Nutzung dieser drei Produkte war für mich bis anhin absolut unbedenklich. Was dies aber ab dem 1. März 2012 tatsächlich bedeuten wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Irgendwie ein komisches Gefühl.
Noch eine grundsätzliche Frage, bevor wir näher auf Google eingehen: Wie stehen Sie persönlich zu der grosszügigen Verbreitung von Daten und Informationen im Internet?
Ich gehöre laut Wikipedia zu den "Digital Immigrants", denn ich habe die Welt der digitalen Technologien wie das Internet, Mobiltelefone und MP3s erst im Erwachsenenalter kennengelernt. Mitprägend für mein Verhalten im Zusammenhang mit diesen neuen Technologien war von Anfang an auch mein starker Wunsch nach dem Schutz meiner persönlichen Daten. Ich möchte jeweils frei darüber entscheiden können, welche Daten von mir wann, wo und wie publiziert werden. Mein beruflicher Hintergrund ist für diese eher skeptische Einstellung sicher mit verantwortlich. Dennoch schätze ich viele dieser neuen Internetdienste. Deren Wegdenken ist praktisch unmöglich geworden.
Zurück zu Google: Was sagen Sie zu den neuen Nutzungsbestimmungen?
Gut finde ich, dass die rund 60 verschiedenen Datenschutzerklärungen und Nutzungsbedingungen per 1. März 2012 in ein Dokument gegossen werden. Dies stellt für den Nutzer eine wesentliche Vereinfachung dar. Dadurch kann er sich einfacher und schneller einen Überblick über die für die Google-Produkte jeweils geltenden Bestimmungen verschaffen. Zudem ist die Datenschutzerklärung überraschend transparent, detailliert und verständlich formuliert.
Was ändert sich für die Nutzer konkret?
Mit der Neuerung geht eine Zusammenführung der Nutzerinformationen aus sämtlichen Google-Produkten wie Youtube-Konto, Gmail und Google+ einher. Bis anhin wurde der Nutzer stets angefragt, ob er eine solche Verknüpfung wünsche und konnte dies mit einem Knopfdruck ablehnen. Ab dem 1. März 2012 erfolgt die Zusammenführung automatisch. Dem Nutzer wird keine Möglichkeit mehr eingeräumt, diese Verknüpfung abzulehnen. Wünscht er diese Zusammenlegung nicht, müsste er eigentlich auf die Nutzung sämtlicher oder bestimmter Google-Dienste verzichten.
Werden wir mit den neuen Nutzungsbestimmungen noch transparenter? Sprich: Werden nun mehr Daten gesammelt als zuvor? Und wo und wie lange werden sie gespeichert?
Meiner Ansicht nach wird jeder Nutzer noch viel transparenter, weil ab dem 1. März 2012 die Nutzerinformationen aus sämtlichen von ihm genutzten Google-Diensten zusammengeführt werden - und das über Jahre. Als Beispiel kann ein Nutzer genannt werden, der über ein Google-Konto verfügt, den Google-Kalender nutzt, häufig auf Youtube Videos abruft und schliesslich noch im sozialen Netzwerk Google+ aktiv ist. Mit der Verknüpfung dieser Daten lässt sich ohne weiteres ein detailliertes Nutzerprofil bis in die intime Privatsphäre des Nutzers erstellen. Google lernt damit die Vorlieben und das Verhalten eines jeden Nutzers kennen. Damit entsteht ein Profil, das der betroffene Nutzer in diesem Umfang, auf dieser langen Zeitachse und mit diesem Detaillierungsgrad nicht einmal selber von sich hat. Denn eins ist sicher: Das menschliche Gedächtnis ist vergesslich, das Google Allzeitgedächtnis dagegen ist grenzenlos.
Gibt es auch positive Aspekte?
Positiv hervorzuheben ist sicherlich, dass sich Google gemäss aktuell geltender Datenschutzerklärung sowie der im Internet publizierten Datenschutz-Prinzipien an die international geltenden Datenschutzgesetze hält. Darüber hinaus hat Google kontinuierlich intern sowie mit Behörden und Branchenpartnern an der Entwicklung und Implementierung hoher Datenschutzstandards gearbeitet. Ebenso bestehen bei der Datensammlung Grenzen: Google verknüpft keine Daten aus sensiblen Kategorien wie Rasse, Religion, sexuelle Orientierung oder Gesundheit.
Gibt es Aspekte, die in Zukunft ein Problem darstellen könnten?
Zu bedenken ist, dass sowohl die Datenschutzerklärung als auch diese Datenschutz-Prinzipien gemäss Google "von Zeit zu Zeit" geändert werden können. Zudem stellt sich die Frage, was mit diesen detaillierten Nutzerprofilen geschehen wird, wenn Google oder deren Nachfolger eine andere Philosophie verfolgt oder seine Strategie ändert. Google räumt dem Nutzer aber immerhin die Möglichkeit ein, relativ einfach, eigene Daten zu entfernen oder zu berichtigen. Dennoch werden diese Daten gemäss Google "möglicherweise" nicht aus ihren Sicherungssystemen entfernt.
Gibt es irgendeine Möglichkeit, Google weiterhin zu nutzen und gleichzeitig die neuen Bestimmungen zu umgehen, wenn man nicht damit einverstanden ist?
Nein, die Datenschutzerklärung und die Nutzungsbedingungen gelten per 1. März 2012 für sämtliche Nutzer, die Dienste von Google nutzen. Ab diesem Zeitpunkt besteht keine Möglichkeit mehr, die Verknüpfung und Zusammenführung der Daten aus sämtlichen beanspruchten Google-Diensten zu verhindern.
Werden Sie persönlich Google auch in Zukunft nutzen?
Ich werde weiterhin die Dienste von Google in Anspruch nehmen, denn ich finde sie tatsächlich gut und für Google Maps oder Youtube kenne ich eigentlich keine valablen Alternativen. Bestimmt werde ich mir aber ab dem 1. März 2012 verstärkt überlegen, wie und wozu ich diese Dienste nutze und welche Informationen ich tatsächlich von mir preis geben möchte.
Worauf sollte ein Nutzer in Zukunft vermehrt achten, wenn er Google-Dienste nutzt?
Mit erscheint es wichtig, dass der Umgang mit diesen Medien und insbesondere die jeweilige Weitergabe von persönlichen Daten bewusster erfolgen sollte. Im Zusammenhang mit den meisten Internet-Diensten gilt stets der Grundsatz zu bedenken: "Einmal im Netz – immer im Netz".
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde schriftlich geführt.

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