Fritz Sutter im Interview

"Reisende soll man nicht aufhalten"

Uhr | Aktualisiert
von René Mosbacher

Im Gespräch: Fritz Sutter, langjähriges Vorstandsmitglied der Asut und einer der profundesten Kenner der Telekombranche. Er äussert sich zum Austritt der drei grossen privaten Telekomanbieter aus dem Verband und zur Nachfolge von Präsident Fulvio Caccia.

Fritz Sutter (Quelle: Fritz Sutter)
Fritz Sutter (Quelle: Fritz Sutter)

Hinweis: Das ganze Interview mit Fritz Sutter wird am 25. April in Netzwoche 08/2012 erscheinen. Die Online-Fassung wurde gekürzt.

Mit Orange, Sunrise und UPC Cablecom sind die drei grossen privaten Telekomanbieter aus dem Verband Asut ausgetreten. Haben sich die Austritte abgezeichnet?

Sie haben mich nicht wirklich überrascht. Überraschend war eher der Stil: Ich musste es aus der Zeitung erfahren. Das ist nicht die feine englische Art von Umgang unter Kollegen, mit denen man jahrelang im gleichen Gremium gewirkt hat. Aber wenn sich die drei Herren im Vorstand nicht wohlfühlen, ist es aus ihrer Sicht eine nachvollziehbare Entscheidung. Reisende soll man nicht aufhalten.

Haben die verbandsinternen Schlichtungsmechanismen versagt?

Dazu kam es gar nicht. Die drei Firmen trafen einen einsamen Entscheid und besprachen ihn meines Wissens vorher mit niemandem im Asut-Vorstand.

Gab es aus Kreisen der Asut-Mitglieder irgendwelche Reaktionen auf diesen konzertierten Austritt?

Mir ist nichts zu Ohren gekommen, ich habe mich aber auch nicht erkundigt. Auch in der Öffentlichkeit und den Medien konnte ich keine starke Reaktion feststellen.

Was bedeuten die Austritte für den Verband?

Die Asut ist der mit Abstand grösste Telekommunikationsverband der Schweiz. Sein Mitgliederbestand ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Derzeit zählt er über 400 Firmenmitglieder. Wir können den Abgang von drei Mitgliedern verschmerzen, wenngleich jeder Austritt zu bedauern ist. Der Verband kann sich nun noch verstärkt den Benutzer- und Zukunftsanliegen der Branche widmen. Ich bin ohnehin der Ansicht, dass die übergeordneten Interessen der Kunden wichtiger sind als die Partikularinteressen einzelner Anbieterfirmen. Die Hauptarbeit in der Asut wird zudem vor allem in den Fachkommissionen und Fachgruppen sowie der Geschäftsstelle geleistet.

Die Telcos sagen, die gemeinsamen Anliegen der privaten Anbieter seien von der Asut nicht ausreichend vertreten worden. Was soll man darunter verstehen?

Eine Bemerkung vorweg: Eigentlich sind Vorstandsmitglieder gewählt, um die Interessen sämtlicher Mitglieder wahrzunehmen. Leider sahen das nicht alle gleich. Jeder im Vorstand verfügt über eine Stimme, sei es UPC Cablecom, Orange, Sunrise, Swisscom oder ich. Wie das halt in einem Vereinsvorstand so ist, man diskutiert, man argumentiert und stellt Anträge. Meistens setzt man sich durch, hin und wieder verliert man. Mit Letzterem konnten nicht alle umgehen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die drei austretenden Firmen etwas Mühe haben, sich mit den Usanzen eines schweizerischen Verbandsgremiums abzufinden.

Wo drückte der Schuh konkret?

Die Asut als Benutzerverband war schon immer gegen die Regulierung von Glasfasernetzen, und auch gegen die Ex-ante-Regulierung auf Vorrat. Damit sind nicht alle privaten Carrier einverstanden. Im Weiteren setzte sich der Verband dafür ein, dass sich die Wettbewerbskommission mit den investitionsbereiten Unternehmen rasch auf eine einvernehmliche Lösung bei den Glasfaserkooperationen einigt. Man wollte verhindern, dass der Bau der Glasfasernetze verzögert oder gar verhindert wird. Das hat UPC Cablecom nicht gepasst, die sich nachträglich in einem separaten Brief an die Weko davon distanzierte. Und dann kommen noch Differenzen bezüglich der Haltung zu den Rahmenbedingungen beim Bau der Breitbandnetze dazu. Der Asut-Vorstand ist mehrheitlich der Ansicht, dass aufgrund des bestehenden Wettbewerbs kein regulatorischer oder gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Das wiederum gefällt Sunrise nicht, die sich für eine Revision des Fernmeldegesetzes einsetzt.

Glauben Sie, dass die Austritte einen Einfluss auf den Ausbau der Breitband- und speziell der Glasfasernetze haben werden?

Die Austritte haben keine unmittelbaren Auswirkungen. Nachdem die kooperationsbereiten Unternehmen, also Swisscom und die Elektrizitätswerke, trotz der Weko Lösungen gefunden haben, geht der Bau planmässig weiter. Der Wettbewerb zwischen Glasfasernetzen und TV-Kabelnetzen ist vor allem in Städten und Agglomerationen in vollem Gang. Die Asut hat ihre Haltung nochmals bestätigt: Sie ist gegen die Absicht des Bundesrates, neue Regulierungsinstrumente einzuführen. So sehen das übrigens auch andere wichtige ICT-Organisationen wie der Dachverband ICTswitzerland, der Verband der Elektrizitätswerke zur Förderung der Breitbandnetze, Openaxs, und Glasfasernetz Schweiz. Aber natürlich kann man mittelfristig nicht ausschliessen, dass vor allem in Rand- und Bergregionen die Investitionsbereitschaft sinkt, wenn die Investoren mit Markteingriffen, sprich staatlicher Preiskontrolle, rechnen müssen.

Man hört, dass es auch Differenzen um die Nachfolge von Fulvio Caccia gegeben hat.

Es gab ein kleines Problem, das aber nichts mit der Person des designierten Präsidenten zu tun hat. Die vom Asut gebildete Findungskommission schlug einstimmig Peter Grütter, den früheren Generalsekretär des Eidgenössischen Finanzdepartements als Kandidaten vor. Obwohl Orange, Cablecom und Sunrise fast ein Jahr Zeit hatten, unterbreiteten sie keine eigenen Vorschläge. Zwei Tage vor der Anhörung Grütters durch den Gesamtvorstand kamen die CEOs der drei Firmen auf die Glanzidee, die Wahl zu verschieben, wofür es selbstverständlich zu spät war.

Wie geht es nun weiter?

Der Nachfolger von Fulvio Caccia wird wie geplant an der nächsten Generalversammlung zur Wahl vorgeschlagen. Peter Grütter ist ein sehr valabler Kandidat. Er kennt sich im Thema aus - ihm waren als Generalsekretär des Eidgenössischen Finanzdepartements ja auch die Informatik und Telekommunikation des Bundes unterstellt. Seit einiger Zeit ist er Distinguished Fellow von Cisco Systems. Zudem verfügt über viele Jahre Führungs- und ICT-Erfahrung und ihm kommt seine lange Tätigkeit im Umfeld von Politik und Behörden zugut.

Wie wird ein Präsident eigentlich evaluiert?

Gemäss Statuten wird der Asut-Präsident nicht von der Generalversammlung, sondern vom Vorstand gewählt. Wir handhaben das so, dass eine Findungskommission die Kandidaten evaluiert und der beste dann der Generalversammlung vorgeschlagen wird.

Was passiert, wenn ein grosser Teil der Generalversammlung gegen den Vorgeschlagenen ist?

Ich schliesse nicht aus, dass so etwas passieren könnte. Dann muss entweder der Vorstand einen neuen Kandidaten präsentieren oder die Generalversammlung macht einen mehrheitsfähigen Vorschlag.