Dossier Mobile Computing

"Der Businessbereich ist hinsichtlich Apps noch sehr unterentwickelt"

Uhr | Aktualisiert
von René Mosbacher

Simon Schweingruber, bei Nokia Schweiz für die Betreuung der App-Entwickler zuständig, gibt im Gespräch mit ­der Netzwoche Tipps, wie man sich dem Thema App annähern sollte. Er hält native Apps noch für die bessere Lösung, und selbstverständlich glaubt er an den Erfolg der Partnerschaft mit Microsoft.

Simon Schweingruber ist bei Nokia für Developer und Publisher Relations zuständig. (Quelle: Eduard Meltzer)
Simon Schweingruber ist bei Nokia für Developer und Publisher Relations zuständig. (Quelle: Eduard Meltzer)

Herr Schweingruber, alle Welt schreit nach Apps – warum eigentlich?

Apps entsprechen offensichtlich einem Konsumentenbedürfnis. Ich sehe es an mir selbst: Es gibt sehr praktische Anwendungen wie etwa die SBB-App oder Telefonbücher. Viele Dinge funktionieren mit Apps deutlich ein­facher als über Web-Interfaces.

Aber im Grunde hintertreiben Apps doch die Idee vom Web als offenes System.

Streng formal kann man das natürlich so sehen. Aber ich denke, wenn man das macht, was der Konsument will, kann man eigentlich so falsch nicht liegen.

Welchen Stellenwert haben Apps im Businessbereich?

Ich glaube, der Businessbereich ist hinsichtlich Apps noch sehr unterentwickelt. Bis jetzt gibt es vor allem Office-Anwendungen. Hier existiert noch viel Potenzial, beispielsweise beim Aussendienst. Aber auch im Gesundheitssektor: In Spitälern etwa könnten Apps bei der Handhabung von Patientendaten helfen. Interessant sind sicher auch Warenflussdaten für Einkäufer beispielsweise.

In solchen Fällen können Sie aber auch mit virtuellen Desktops arbeiten ...

Ja, das stimmt. Und mir scheint, hier ist die Desktopvirtualisierung momentan tatsächlich noch verbreiteter.

Wie geht man als Unternehmen sinnvoll an das Thema App heran?

Was ich unbedingt empfehle: Man sollte sich zuerst gründlich überlegen, wer die Nutzer sind und welche Bedürfnisse sie haben. Da­raus ergeben sich dann die Plattformen, die unterstützt werden sollten. Der Rest, also die Umsetzung, läuft ähnlich ab wie bei Webprojekten. Allerdings ist es wegen der kleinen Bildschirme viel anspruchsvoller, eine nutzerfreundliche Lösung zu erarbeiten. Der Aufwand, den Sie betreiben müssen, unterscheidet sich je nach Ökosystem deutlich. Bei Android beispielsweise müssen Sie viele Betriebssystemversionen und viele unterschiedliche Bildschirmgrössen berücksichtigen. Bei iOS ist das schon deutlich besser. Beim Windows Phone gibt es nur eine Bildschirmauflösung. Ähnlich verhält es sich mit den Versionen der drei Plattformen.

Wie geht man damit um, wenn man drei verschiedene Plattformen bedienen muss?

Entweder man baut drei native Apps, was meiner Meinung nach noch immer der beste Weg ist, wenn ein gutes Nutzererlebnis im Vordergrund steht. Das kostet aber auch entsprechend, weil man die Apps in den jeweiligen Programmiersprachen umsetzen muss. Ein anderer Ansatz ist HTML5. Die Idee, eine App einmal zu schreiben und in die verschiedenen Ökosysteme auszuliefern, ist an sich gut. Das Konzept hat aber noch Schwächen. So müssen Sie beispielsweise für die verschiedenen Endgeräte, Browser und Betriebssysteme verschiedene HTML-Versionen bereitstellen.

Wo stösst man bei HTML5 heute noch an Grenzen?

Es gibt bereits sehr schöne Beispiele für HTML5-Sites. Bei Nokia etwa wurden die neuen Maps damit realisiert. Dort bekommen Sie einen guten Eindruck, was möglich ist. Aber native Apps sind tendenziell schneller. Man erhält Zugriff auf eine grössere Anzahl von Plattform-APIs und obendrein lässt sich damit über die Stores auch leichter Geld verdienen.

Wie sieht es mit dem Zugriff auf Hardware­ressourcen aus?

Hier liegt ein weiterer wesentlicher Vorteil von nativen Apps. Via HTML5 lässt sich das eher schlecht lösen. Klar, man kann nativen Code in eine HTML5-Lösung einfügen, die den Zugriff auf Hardwareressourcen ermöglicht, dann wären wir aber bereits bei den hybriden Apps angelangt.

Was ist zu diesen hybriden Konzepten zu sagen?

Es ist schwierig, hier allgemeingültige Aussagen zu machen. Es gibt Konzepte, die funktionieren im einen Fall gut, im anderen weniger gut. Man muss sich immer zuerst den Anwendungsfall genau ansehen, und sich erst dann für eine Technik oder ein Konzept entscheiden – nie umgekehrt. Ein Spiel, das schnelle Grafikprozesse benötigt, würde ich nicht als hybride App programmieren. Eine Business­a­nwendung hingegen, bei der die Informa­tionsvermittlung im Vordergrund steht, dürfte damit problemlos zu realisieren sein.

Was dürfen wir künftig an interessanten Entwicklungen bei den Apps erwarten?

Ein starker Trend ist momentan alles, was in Richtung Social Location geht. Hier nutzt man aus, dass eine App immer weiss, wo sie örtlich stattfindet. Ein Beispiel dafür ist der Dienst «Drive» von Nokia. Dabei handelt es sich ein sprachgesteuertes Navigationssystem. Spannend ist auch, was in Richtung Augmented Reality läuft. Ich kann mir gut vorstellen, dass es hierfür auch im Businessbereich viele Anwendungsgebiete gibt. Und dann ist auch NFC eine Technik, die künftig viele neue Anwendungsgebiete erschliessen wird.

Wann kommt eigentlich das erste Nokia-Handy mit Windows Phone in die Schweiz?

Die ersten Geräte werden Anfang 2012 in der Schweiz zu kaufen sein. Konkret wird es sich dabei um die Modelle Lumia 800 und Lumia 710 handeln.

Wie schätzen Sie die Zukunft der auf Windows basierenden Nokia-Telefone ein?

Selbstverständlich bin ich zuversichtlich, sonst wäre ich beim falschen Arbeitgeber. Die neuen Telefone heben sich nicht nur vom Design ab, sondern sind auch sehr wertig gebaut. Windows Phone ist ein tolles Betriebssystem und das Metro User Interface mit den Kacheln bekommt von den Benutzern sehr gute Ratings. Wir rechnen uns im Consumer-Bereich und im B2B-Bereich gute Chancen aus.