Schwerpunkt Onlinebildung

"Wir können uns vorstellen, eigene MOOCs anzubieten"

Uhr | Aktualisiert

Im Gespräch äussert sich Professor Kurt Grünwald zu den Chancen eines Fernstudiums. Der Direktor der Fernfachhochschule Schweiz stellt ein erhöhtes Interesse am Online-Learning fest.

Kurt Gruenwald, Direktor der FFHS. (Quelle: FFHS)
Kurt Gruenwald, Direktor der FFHS. (Quelle: FFHS)

Prof. Dr. Kurt Grünwald geht im Interview auf das Studienmodell der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) ein, die er leitet. Er nimmt Stellung zur Entwicklung auf dem E-Learning-Markt und sieht in MOOCs einen vorübergehenden Hype.

Herr Grünwald, die Fernfachhochschule Schweiz bietet berufsbegleitende Bachelor- und Master-Studiengänge sowie Weiterbildungen an. Eine Frage brennt mir unter den Nägeln: Produzieren die FFHS ihre Lerninhalte eigentlich selber?

Grundsätzlich entscheidet der Fachbereich beziehungsweise der Dozierende, welche Inhalte für welche Module herangezogen werden - sei es Fachliteratur, E-Books oder multimediale Elemente. Wir verlangen von unseren Dozierenden eine gewisse didaktische Grundkompetenz im E-Learning, um die Inhalte adäquat fürs Online-Lernen aufzubereiten. Jedes Modul, das an der FFHS unterrichtet wird, ist mit einem sogenannten "Referenzkurs" auf unserer Online-Lernplattform abgebildet. Dieser dient als Lehrmittelpool und sorgt für Orientierung innerhalb des Moduls. Bevor ein Kurs für die Studierenden freigeschaltet ist, wird er von unseren E-Learning-Experten des zentralen Learning Centers einer Kontrolle hinsichtlich didaktischer Qualität, inhaltlicher Orientierung und interaktiver Elemente unterzogen. Um die Dozierenden laufend weiterzubilden, bietet das Learning Center auch spezifische Kurse im Bereich E-Didaktik an.

Wie werden diese Inhalte vermittelt?

Unser Studienmodell fusst auf der Blended-Learning-Methodik. Diese Ausbildungsform kombiniert die Vorteile des E-Learning mit jenen des konventionellen Unterrichts. Etwa 80 Prozent des Studiums werden im Selbststudium mit Hilfe einer Online-Lernplattform erarbeitet, rund 20 Prozent finden als Präsenzunterricht statt. In der Phase des Selbststudiums steht den Studierenden eine breite Palette an On- und Offline-Lernmaterialien zur Verfügung. Die Online-Lernplattform ist Dreh- und Angelpunkt des Studiums und bietet verschiedene interaktive Funktionen wie Foren, Online-Tests oder das Einbetten von Videos. Offline-Lernmaterialien wie Bücher und Fachliteratur werden unseren Studierenden zu Beginn des Semesters per Post nach Hause zugestellt. So müssen sich die Studierenden, die in den meisten Fällen ja berufstätig sind, nicht um deren Beschaffung kümmern. Der Anteil an Print-Lehrmaterialien soll in Zukunft abnehmen und immer mehr durch E-Books abgelöst werden. Leider ist das in vielen Fällen noch nicht möglich, weil die relevante Fachliteratur noch gar nicht digital herausgegeben wird.

Welche Hilfestellungen geben Sie den Studierenden?

Face-to-Face- beziehungsweise Präsenzunterricht ist im Blended Learning fixer Bestandteil des Lernens. Dieser findet an der FFHS im Zwei-Wochenrhythmus an jedem zweiten Samstag statt. Ein vorgegebener Lernplan definiert die Etappenziele, welche die Studierenden vor dem jeweiligen Präsenzunterricht selbständig erarbeiten. So kann der Präsenzunterricht dazu genutzt werden, offene Fragen zu klären und gemeinsam praxisorientierte Fallstudien zu bearbeiten. Während des Selbststudiums bleiben die Studierenden via Online-Lernplattform (Foren und Chat-Funktion) untereinander und mit dem Dozierenden verbunden. So wird jeder Studierende auch in der eigentlichen Phase des Fernstudiums ständig begleitet und erhält bei Fragen Unterstützung.

Was geben Ihnen die Studenten für ein Feedback? Und wie gehen diese beispielsweise mit dem Ausbleiben sozialer Kontakte um?

Die Vereinbarkeit von Studium und Beruf, Familie oder Sport ist natürlich das Hauptkriterium für unsere Studierenden. Sie schätzen die persönliche Freiheit und die Möglichkeit, sich die Lernphasen selbstbestimmt "nach eigenem Studienplan" einzuteilen. Und wie gesagt treffen sich unsere Studierenden zwei Mal im Monat mit ihrer Klasse zum Präsenzunterricht und profitieren so auch vom sozialen Aspekt.

Wer entscheidet sich für eine Ausbildung an der FFHS?

Dank dem hohen Anteil an Selbststudium bietet unser Studienmodell ein weitgehend zeit- und ortsunabhängiges Studieren und somit maximale Flexibilität. Davon profitieren insbesondere Berufstätige und Personen, die zum Beispiel durch familiäre Pflichten auf ein flexibles Zeitmanagement angewiesen sind. Die meisten unserer Studierenden haben eine Berufslehre sowie die Berufsmatura absolviert und sind bei Studienbeginn bereits einige Jahre im Berufsleben tätig. An der FFHS erhalten sie die Möglichkeit, ein Pensum von 80 bis 100 Prozent aufrechtzuerhalten und müssen keinen Karriereunterbruch in Kauf nehmen. Ausserdem studieren auch einige Leistungssportler an der FFHS, wie etwa die Eishockeyprofis Leonardo Gennoni vom HC Davos oder Lukas Flüeler vom ZSC Lions.

Sind Sie zufrieden wie sich der Fernstudium-Markt momentan entwickelt? Spüren Sie beispielsweise Zulauf aufgrund der Platzprobleme an den Universitäten?

Gemessen an den Neuimmatrikulationen für das kommende Studienjahr sind wir sehr zufrieden und stellen ein erhöhtes Interesse fest. Dies würde ich in erster Linie nicht auf Platzprobleme an den Universitäten zurückführen, denn grundsätzlich konkurrieren die Fachhochschulen nicht mit den Universitäten. Als Fachhochschule verfolgen wir eine praxisorientierte Ausbildung, anders als die Unis mit ihrem theoretisch-wissenschaftlichen Profil. Ich denke eher, dass die flexible Studiengestaltung und der Einsatz an E-Learning ausschlaggebend sind und in einer zunehmend digitalisierten und personalisierten Gesellschaft Anklang findet.

Welche Kurse laufen besonders gut?

Nach wie vor sind es eher die Wirtschafts-Studiengänge, vor allem die beiden Bachelor Betriebsökonomie und Wirtschaftsingenieurwesen. Sehr zufrieden sind wir aber auch mit der Entwicklung der ICT-Studiengänge, in denen sich für das kommende Studienjahr ein starker Anstieg an Neuimmatrikulationen abzeichnet. Auch das neue Praxisintegrierte Bachelor-Studium (PiBS) Informatik, das dieses Jahr zum ersten Mal startet, ist dank der Kooperation mit Partner wie der Post oder Swisscom sehr gut angelaufen. Fast überrannt worden sind wir von Interessenten des ebenfalls neuen Bachelor Ernährung und Diätetik, wo wir für das erste Jahr eine Studienplatzbegrenzung einführen mussten.

In wem sehen Sie ihre Konkurrenz?

Die FFHS ist die einzige Fernstudium-Institution auf Fachhochschul-Ebene. In erster Linie messen wir uns mit denjenigen Fachhochschulen, die ebenfalls berufsbegleitende oder Teilzeit-Modelle anbieten.

Werden Sie auch eigene MOOCs anbieten oder bleiben Sie bei den akkreditierten Abschlüssen?

Die MOOC-Kurse waren vor kurzem auch in der Schweiz in aller Munde. Meiner Meinung nach ist der Hype ein wenig abgeflacht. Es stehen noch einige Fragen im Raum, etwa zur Anrechnung von Studienleistungen. Wir haben an der FFHS den Einsatz von MOOCS evaluiert und können uns durchaus vorstellen, in Zukunft eigene Programme zu starten. Unser Hauptaugenmerk liegt jedoch momentan auf den akkreditierten Abschlüssen.

Was hat ein Abschluss an der FFHS für einen Wert?

Die FFHS ist Mitglied einer eidgenössisch anerkannten Fachhochschule. Somit sind unsere Abschlüsse absolut gleichwertig zu den anderen Schweizer Fachhochschulen. Ein Informatik-Bachelor der FFHS vermittelt die fachlichen Kompetenzen für anspruchsvolle Projektleitungs- und Führungsaufgaben in allen Bereichen der heutigen IT. Zudem bieten wir mit durch unsere Vertiefungen und Wahlmodule die Möglichkeit, sich bereits während des Studiums zu spezialisieren, zum Beispiel in Web & Data Science oder Informationssicherheit. Die Berufsperspektiven für IT-Absolventen sind ja angesichts des oft proklamierten IT-Fachkräftemangels mehr als gut. Ich denke, dass unsere Diplome darüber hinaus den Absolventen einen zusätzlichen Mehrwert bieten, denn wer berufsbegleitend einen Abschluss erlangt, unterstreicht auch seine persönlichen Soft Skills wie Disziplin, Zielstrebigkeit und überdurchschnittliche Motivation.

Tags
Webcode
2842

Passende Jobs