Panel-Diskussion

"Wir nehmen Steuern ein und zerstören damit Innovation"

Uhr | Aktualisiert
von Marc Landis, Chefredaktor

Fintech-Start-ups haben hierzulande mit vielen Hindernissen zu kämpfen. Das Aktienrecht, die Steuergesetzgebung und nicht zuletzt der Regulator behindern die Innovationstätigkeit der Branche. Einige Politiker wollen jetzt handeln.

Die Panel-Diskussion fand im Start-up-Zentrum Impact Hub in Zürich statt. (Quelle: Netzmedien)
Die Panel-Diskussion fand im Start-up-Zentrum Impact Hub in Zürich statt. (Quelle: Netzmedien)

Wer in der Schweiz als Fintech-Start-up unterwegs ist, hat es nicht leicht. Eine unterdotierte Finma und Gesetze, die den Anlegerschutz über alles stellen, machen den kreativen Köpfen zu schaffen, die hinter Jungunternehmen wie Dealmarket.com oder Contovista stehen.

An einer Panel-Diskussion im Start-up-Zentrum Impact Hub in Zürich diskutierten auf Einladung des Vereins "Swiss Finance Start-ups" die beiden Nationalräte Jacqueline Badran (SP) und Ruedi Noser (FDP) mit Start-up-Unternehmer Urs Häusler von Dealmarket.com, der auch Präsident von Siwss Financial Start-ups ist, und den beiden Bankenvertretern Holger Spielberg (CS) und Andreas Kubli (UBS).

Finma bietet Fintech-Start-ups zu wenig

Rino Borini von Financial Media, der die Panel-Diskussion leitete, eröffnete mit der Frage an Urs Häusler, wie man sich in der Schweiz als Start-up-Unternehmer fühle. "Früher wie ein Ausserirdischer", sagte dieser. Heutzutage lebe es sich allerdings gar nicht so schlecht. "Es gebe sogar Geld von Investoren."

Probleme sieht Häusler allerdings im fehlenden politischen Support und am mangelnden Verständnis für Technologie-Start-ups im Parlament. Zudem "fehlt der Regulator als Enabler". Gemeint ist die Finma. Deren Aufgabe ist es vor allem, den Schweizer Finanzplatz sicher zu machen. Und offenbar setzt die Finam wenig bis keine Ressourcen dafür ein, Fintech-Start-ups in der Schweiz einen geeigneten regulatorischen Rahmen zu bieten.

"Man darf den Finanzmarkt nicht zu Tode regulieren"

Es sei keine Seltenheit, dass man ein halbes Jahr oder länger auf eine Antwort der Finma warte. Ein Unding, wenn man bedenkt wie dynamisch Start-ups agieren und wie knapp oft die finanziellen Ressourcen eines Jungunternehmens sind. Wenn sechs Monate ins Land ziehen, bis der Regulator "ja" oder "nein" sagt, kann es geschehen, dass einem Start-up das Geld ausgeht.

"Fintech-Start-ups sind bei der Finma im Bereich Risk-Management angesiedelt", sagte Häusler. Aber "ohne Risiko gibt es keinen Wohlstand", sagte FDP-Nationalrat Ruedi Noser. Die Finma sei mehr Verhinderer als Unterstützer der Fintech-Szene. "Man darf den Finanzmarkt nicht zu Tode regulieren", rief Noser von liberalem Geist erfüllt.

Konzentration auf Innovation

Noser war allerdings nicht der Meinung, dass es in der Schweiz am politischen Support von Fintech fehle. In der Schweiz sei man eben zurückhaltend mit Industriepolitik. Ähnlich sah es SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. "Wir machen eine falsche Industriepolitik." Das Geschäftsmodell der Ansiedelung internationaler Unternehmen stosse an Grenzen.

Die Schweiz müsse sich auf Innovation aus sich selbst heraus konzentrieren. Dafür brauche es die Zusammenarbeit auch von konkurrierenden Unternehmen untereinander. "Innovation entsteht vor allem durch Kooperation und nicht durch Konkurrenz." Coopetition sei das Stichwort.

CS will Mitarbeiter aus dem Ausland rekrutieren

Auch die Bankenvertreter sehen die Zusammenarbeit der Unternehmen innerhalb der Branche als Schlüssel für erfolgreiche Innovation am Schweizer Finanzplatz. "Wir versuchen ein Ökosystem aufzubauen, in dem Grossunternehmen und Start-ups zusammenarbeiten und beziehen auch den Handel und die End-User mit ein", sagte Andreas Kubli, Leiter Multichannel Management & Digitization bei der UBS.

Ob in der Schweiz allerdings genügend kreative, digitale Köpfe verfügbar sind (beziehungsweise in Zukunft etwa nach der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative verfügbar sein werden) steht auf einem anderen Blatt. Holger Spielberg jedenfalls, der bei der CS in einer ähnlichen Rolle wie UBS-Kubli tätig ist, will Mitarbeiter im Ausland rekrutieren. Und zwar solche, die bereits Digitalisierungserfahrung mitbringen und so die Innovationskraft seiner Bank fördern. Das dürfte auch nötig sein, denn von den grossen Banken ist die CS zurzeit die einzige, die noch immer kein Angebot für eine mobile Bezahllösung im Retailgeschäft hat.

Aktienrecht als Hindernis

Ein grosses Problem für Schweizer Start-ups im Allgemeinen sehen beide Politiker im aktuellen Aktienrecht (insbesondere OR 725) und in diesem Zusammenhang mit der Steuergesetzgebung. Beteiligungsmodelle, mit denen Start-ups oft Mitarbeiter am Unternehmensrisiko (und am potenziellen Gewinn) beteiligen, führen zu einer Besteuerung der emittierten Aktien. "Wir nehmen zwar Steuern ein, zerstören damit aber Innovation", sagte Noser.

Start-up-Unternehmer, die mit Venture-Kapital-Gebern zusammenarbeiten, würden quasi enteignet. "Es ist grotesk, dass in der Schweiz Geld höher bewertet wird als eine gute Idee. Knebelverträge, die in die Enteignung der Start-up-Unternehmer münden, sind die Regel", sagte Badran. Unter solchen Umständen sei es "natürlich schwierig, hier den coolen Start-up-Hub zu markieren". Ständeratskandidat-Noser versprach den rund 100 Anwesenden aus der Fintech-Szene, dass er das Problem in der nächsten Legislatur politisch angehen werde. "Gerne auch gemeinsam mit Jacqueline Badran."

Die nächste Frage richtete Rino Borini an die Bankenvertreter: Müssen Banken in Start-ups investieren? Es antwortete aber Ruedi Noser: "Die UBS und die CS sollten für die Schweizer Fintech-Szene einen Venture Fonds aus dem Boden stampfen, wie es Novartis und Roche damals getan haben, um Biotech-Start-ups zu fördern."

Wünsche an die Politik

Was sich die Start-up-Unternehmer von der Politik wünschten, fragte Borini weiter. "Wir möchten, dass die Politik zuhört. So wie heute Abend", antwortete Urs Häusler. Es sei wichtig, miteinander zu sprechen, um den anderen zu verstehen. Es gebe viele gemeinsame Interessen von Start-ups, etablierten Unternehmen und Politik.

Nationalrat Noser will zuhören. Er bat die Start-up-Unternehmer den Politikern im Detail mitzuteilen, mit welchen Gesetzen, Bestimmungen und Institutionen sie vor allem Probleme hätten. "Die 200 Parlamentarier können nicht alles wissen." Zudem brauche es viel Lobby-Arbeit. Als ersten Schritt will Noser das Aktienrecht ändern und wie Badran den Anlegerschutz weiterentwickeln.

Den sichersten Finanzplatz gibt es nicht mehr

Die Politik will sich also den Problemen annehmen, die Start-ups hierzulande haben. Ausser einer Anpassung des Aktienrechts und der Schaffung von steuerlichen Erleichterungen, muss aber auch die Finma als Regulator des Schweizer Finanzplatzes reformiert werden.

Die wichtigste Aufgabe der Finma ist es zurzeit, die Schwiezer Finanzmärkte sicher zu machen. Absolute Sicherheit ist aber eine Illusion und Innovation ohne Risiko nicht möglich. "Der sicherste Finanzplatz ist derjenige, den es nicht mehr gibt", brachte es Ruedi Noser auf den Punkt. Damit es nicht soweit kommt, braucht es in der Schweizer Finanzbranche und in der Politik einen Gesinnungswandel. Ein solcher ist nur möglich, wenn Gesetzgeber, Regulator und Finanzindustrie an demselben Strick ziehen – und idealerweise in die gleiche Richtung.

Nach der Paneldiskussion klang der Abend mit Apéro und Networking aus.

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