Von Open Source bis Fairphone

Erste Dinacon stellt digitale Nachhaltigkeit ins Zentrum

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An der ersten Dinacon drehte sich alles um die digitale Nachhaltigkeit. Open Source, offene Plattformen und offene Daten waren in aller Munde. Prominente Politiker traten am Event auf.

Am Freitag dem 20. Oktober ist die erste Dinacon in Bern über die Bühne gegangen. Federführend hinter der Veranstaltung ist Matthias Stürmer, Leiter der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern. Die Abkürzung "Dina" in Dinacon sieht für digitale Nachhaltigkeit, was auch der Titel der Veranstaltung war.

Die Konferenz fand im Work Space der Welle 7 in Bern statt. Die Resonanz war gross, der Raum für die Keynote und das eröffnende Podium war fast bis zum letzten Platz gefüllt. Auch die Breakout-Sessions waren rege besucht.

Daten nachhaltig nutzen

Die Eröffnungsrede der Konferenz hielt der Berner Stadtpräsident und ehemalige Nationalrat Alec von Graffenried. Er zählt zu den Gründungsmitgliedern der überparteilichen Parlamentariergruppe Parldigi vor acht Jahren. Daher könne er sich mit den Zielen der Veranstaltung identifizieren. Seitdem habe sich viel verändert. Die Digitalisierung sei zu einem Hype geworden, und sie transformiere die Gesellschaft massgeblich. Für Graffenried ist es daher von zentraler Bedeutung, die Potenziale nachhaltig zu nutzen.

Alec von Graffenried, Berner Stadtpräsident (Source: Netzmedien)

Vor allem bei den Daten sieht Graffenried dies bisher nicht. Wenige Unternehmen würden die Daten sammeln, und der Nutzer habe keine Kontrolle mehr darüber. Auch die Archivierung von Daten sei ein Problem. Gerade einmal 20 Jahre alte Daten auf einer Floppy Disk könne kaum noch jemand lesen. Anders verhalte es sich mit den Liebesbriefen zwischen Graffenried und seiner Frau, wie er hervorhob. Es drohe eine grosse Gedächtnislücke. Die Langzeitarchivierung sei noch am Anfang, und hier gebe es einiges zu tun, appellierte Graffenried an die Gäste.

Auch Hardware nachhaltig nutzen

Wie mit Hardware nachhaltig umgangen werden kann, zeigte Bibi Bleekemolen in ihrem Referat. Vor drei Jahren schuf sie zusammen mit Gleichgesinnten das Fairphone. Die Idee entstand aus einer Kampagne, die über schlechte Arbeitsbedingungen in afrikanischen Rohstoffminen und den dort für die Elektroindustrie gewonnenen Rohstoffen informieren sollte.

Bibi Bleekemolen, Mitgründerin von Fairphone (Source: Netzmedien)

Ziel des Fairphones sei es, die Lieferkette der Rohstoffe nachvollziehbar zu machen, um so für faire Arbeitsbedingungen zu sorgen. Dies angefangen bei den Rohstoffen, aber auch der Verarbeitung und dem Zusammenbau eines Smartphones.

Zudem soll das Fairphone durch seinen modularen Aufbau eine deutlich längere Lebensdauer haben. Defekte Teile, wie ein Display, können auch von Laien in wenigen Minuten ausgetauscht werden, ohne gleich das gesamte Gerät ersetzen zu müssen. Auf der Bühne demonstrierte Bleekemolen, wie einfach es geht, und erntete viel Applaus aus dem Publikum.

Inzwischen würden 135'000 Personen in Europa das Fairphone nutzen. Auch im Publikum waren es einige. Laut Bleekemolen gebe es auch schon einen Einfluss auf einige der grossen Smartphone-Hersteller. Diese würden sich vermehrt auch um eine transparente Lieferkette und Nachhaltigkeit bemühen. Generell sei aber noch ein weiter Weg zu gehen, bilanzierte Bleekemolen.

Sollten die grossen ICT-Firmen zerschlagen werden?

Zum Abschluss des Vormittags diskutierten fünf Verfechter für Open Source auf einem Podium. Dies waren:

  • Franz Grüter, SVP-Nationalrat und Verwaltungsratspräsident von Green.ch

  • Katharina Nocun, Netzaktivistin aus Deutschland

  • Sylvie Reinhard, Pionierlab Engagement Migros

  • Clara Vuillemin, IT-Leiterin Republik

  • Balthasar Glättli, Grünen-Nationalrat

Das Podium (v.l.) Matthias Stürmer, Franz Grüter, Katharina Nocun, Sylvie Reinhard, Clara Vuillemin und Balthasar Glättli.

Alle Referenten waren sich einig, dass es mehr Open Source brauche. Zudem plädierten sie für einen offeneren Umgang von Unternehmen und staatlichen Behörden mit Daten, zum Wohle aller. Denn solche digitale Nachhaltigkeit schaffe Jobs, sagte etwa Franz Grüter.

Kontrovers diskutiert wurde einzig der Vorschlag von Balthasar Glättli, dass die grossen Datensammler wie Facebook, Amazon, Google und Co. zerschlagen werden müssten. Durch die grossen Datenmengen in ihren Netzen hätten sie eine Monopolstellung. Verstärkt werde dies noch durch den Netzwerkeffekt. Im nächsten Schritt der Digitalisierung, der künstlichen Intelligenz, hätten sie dadurch einen ungerechten Vorteil und ein Oligopol drohe. Glättli zog einen Vergleich zum grossen Telekomanbieter Bell in den USA, der in den 80er Jahren aus den gleich Gründen zerschlagen wurde.

Grüter lies den Vergleich nicht gelten. Die Firmen seien noch viel zu jung, um diesen Vergleich zu ziehen. Durch solche Forderungen würden nur neue Formen des Protektionismus entstehen, zeigte sich Grüter überzeugt. Auf dem Podium stand Grüter mit seiner Meinung jedoch alleine da.

Im Anschluss konnten die Gäste Breakout-Sessions besuchen, um in eine Thematik einzutauchen. Es gab Sessions etwa zum "Open Data Journalism bei SRF", "Was sind 'gute' digitale Behördendienste?", "Die geplante URG-Revision: Gefahr oder Segen für die Digitale Nachhaltigkeit?", "Nutzung von Openstreetmap für Standortkarten und Online-Stories" oder "Digitale Nachhaltigkeit, Blockchain und das Zeitalter der Dezentralisierung".

Open-Source-Projekte geehrt

Nach den Breakout-Sessions wurden die Dinacon Awards, die Nachfolger der CH Open Source Awards, vergeben. Die Sieger der fünf Kategorien waren:

  • Open Source Classic: Jitsi Meet

  • Open Source Business: Elixis

  • Open Source Hero: Open Street Map

  • Open Internet: Open Network Infrastructure Association

  • Special Awards: Suse

Das offizielle Programm der Dinacon endete mit einem Apéro Riche. Für Interessierte war es aber noch lange nicht zu Ende. Gleich nach der Preisverleihung startete eine "Hack Night" die 12 Stunden dauern sollte. Interessierte konnten sich dabei mit den auf der Konferenz vorgestellten Programmen vertraut machen, mehrere Challenges gab es dafür. Auch die Suche nach Bugs in der Open Source Software wurde belohnt, ein Schoko-Marienkäfer war die Belohnung. Die Veranstalter zeigten sich mit der Resonanz auf den Event sehr zufrieden und luden zu einer Fortsetzung im nächsten Jahr.

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